Interdiözesanes Offizialat Erfurt feiert 40-jähriges Bestehen

Wo die Ehen der Ostdeutschen für nichtig erklärt werden

Veröffentlicht am 03.07.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kirchenrecht, darauf Figuren von getrennten Eheleuten
Bild: © KNA

Erfurt ‐ Die Ehe ist nach katholischem Verständnis ein Sakrament. Das macht die Sache manchmal schwierig – vor allem, wenn die Ehe auseinandergeht. Für vier ostdeutsche Bistümer verhandelt das Interdiözesane Offizialat Erfurt diese und andere Fälle.

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Der Leiter des Erfurter Kirchengerichts, Monsignore Heinz Gunkel, wollte es einfach mal wissen und fragte Siri: "Willst du mich heiraten?" Die Antwort des digitalen Sprachassistenten fiel hinreißend unromantisch aus: "Von Ehe steht nichts in meinem Vertrag." Nicht immer ist es so einfach, in Ehedingen juristisch präzise zu sein – zumal in der katholischen Kirche. Anders als bei den Protestanten, wo laut Luther gilt: "Die Ehe ist ein weltlich Ding", ist für Katholiken die Ehe ein Sakrament und dadurch unauflöslich.

Eine katholische "Scheidung" kennt die Kirche nicht – aber natürlich gehen trotzdem Ehen in die Brüche. Will einer der Partner danach wieder kirchlich heiraten, führt der Weg meist zum Kirchengericht, dem Offizialat, um via "Ehenichtigkeitsverfahren" die erste Ehe annulieren zu lassen.

In Ostdeutschland ist dafür in der Regel das Interdiözesane Offizialat Erfurt zuständig. Es ist als katholisches Kirchengericht für die Bistümer Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg zuständig. In dieser Woche feiert es sein 40-jähriges Bestehen. Zugleich kündigte Bischof Ulrich Neymeyr einen Ausbau an: Geplant sei, dass sich auch das Erzbistum Berlin, das bislang noch ein eigenes Kirchengericht hat, ab 2020 ebenfalls dem Interdiözesanen Offizialat Erfurt anschließt. Derzeit würden noch die rechtlichen Details geklärt.

Bild: ©Jörg Hackemann/Fotolia.com

Der Domberg in Erfurt.

Rund 50 bis 60 Fälle werden jährlich in Erfurt verhandelt. Etwa die Hälfte davon sind eben sogenannte Ehenichtigkeitsverfahren. Eine ostdeutsche Besonderheit sind Gunkel zufolge die zusätzlich hohe Zahl von sogenannten "Verfahren zur Eheauflösung zugunsten des Glaubens". Dabei geht es darum, dass ein Ungetaufter, der zuvor eine Zivilehe eingegangen und geschieden ist, die Auflösung seiner ersten Ehe anstreben kann. Es ist die Voraussetzung, um dann einen katholischen Partner heiraten zu dürfen. "Das ist natürlich nicht einfach, wenn für diese Menschen der erste Kontakt mit der Kirche direkt das Kirchenrecht ist", berichtet Gunkel. "Da ist es wichtig, in guter Weise zu vermitteln, dass Recht eine Hilfsfunktion hat."

Dem Offizial falle daher eine große Verantwortung zu. "Er braucht eine große Offenheit für die Menschen, die zu ihm kommen, um ihnen gerecht zu werden. Unsere Erfahrung ist, dass viele Paare im Laufe des Verfahrens sagen: Hier haben wir zum ersten Mal wirklich richtig tief über unsere Ehe gesprochen", so Gunkel, der im August nach 19 Jahren als Offizial in den Ruhestand geht. Hauptgründe für eine Annulierung sind ihm zufolge die Frage der "mangelnden Ehefähigkeit", etwa wenn Paare sehr jung geheiratet haben. Oder die Frage der inneren Freiheit. "Was inzwischen zunimmt, ist die Frage der sexuellen Orientierung, wenn im Laufe einer Ehe ein Partner feststellt, dass er homosexuell ist", so Gunkel.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Die Kirche hat ein sehr hohes und positives Bild von der Ehe, da die Partner in ihrer Ehe die Beziehung darstellen, die Christus zu seiner Kirche hat.

Immer wieder beschäftigt das katholische Eheverständnis eine breitere Öffentlichkeit: Sei es in arbeitsrechtlichen Fragen, wenn etwa ein katholisches Krankenhaus seinem wiederverheirateten Chefarzt kündigt. Oder bei der Einführung "Ehe für alle". Was aber macht das Sakrament der Ehe ganz konkret aus? Zu beschreiben, worin das theologische Spezifikum dieser Verbindung zweier Menschen liegt, fällt schwer, stellt die Erfurter Dogmatik-Professorin Julia Knop fest: "Die Sakramentalität der Ehe einfach mit ihrer Unauflöslichkeit gleichzusetzen, wäre unterkomplex."

Im Laufe der Geschichte sei die Sakramentalität ganz unterschiedlich begründet worden. Inzwischen gebe es eine rechtliche Engführung auf den Konsens zwischen den Partnern, das Ja-Wort, was aber dogmatisch schwierig sei: "Denn solch ein Konsens ist ja zunächst etwas Menschliches, das zwei Menschen miteinander austarieren. Das ist aber etwas anderes als das, was wir als Kirche eigentlich als Sakrament verstehen, nämlich die unbedingte Zuwendung Gottes, die gerade nicht auf menschlicher Vorleistung aufbaut." Fragt man, wo bei einem Traugottesdienst diese unbedingte Zuwendung Gottes am deutlichsten sichtbar werde, "dann bin ich beim Segen und nicht beim Vertragsschluss".

Von Karin Wollschläger (KNA)