Mertes sieht Umgang des Papstes mit Missbrauch kritisch
Der Jesuit Klaus Mertes sieht das Pontifikat von Papst Franziskus mit Blick auf die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch zunehmend kritisch. Er sehe "mit Trauer", dass hervorragende Impulse wie etwa durch "Amoris laetitia" inzwischen überschattet würden von dem Eindruck, dass er "bei aller guter Absicht letztlich nicht begreift, worin der Missbrauch in seinen systemischen Dimension besteht", sagte Mertes in einem Interview der Zeitschrift "Stimme der Familie". Bei "Amoris laetitia" handelt es sich um ein 2016 veröffentlichtes Lehrschreiben des Papstes zu Ehe und Familie.
Mertes verwies in diesem Zusammenhang weiter auf die Rede von Papst Franziskus zum Abschluss des Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan im vergangenen Februar. Kernbotschaft sei gewesen, der Täter sei das absolute Böse und er gehöre hart bestraft. Zudem müsse es Prävention von sexuellem Missbrauch geben und "die Maschen müssen so eng gemacht werden, dass kein Täter mehr durchschlüpfen kann".
Nach Einschätzung von Mertes ist "an dieser Strategie alles haarscharf daneben". Der Täter komme nicht von außen rein, sondern komme aus dem Inneren. Zudem gehe es nicht nur um Täter, sondern auch um das Vertuschen. Insofern werde von der systemischen Frage abgelenkt. Er kritisierte weiter, wenn ein Kirchenvertreter mit der "Reinigungsrhetorik" an das Thema herangehe, stärke man "die irreführende Vorstellung", die Kirche sei eigentlich rein. Das Schmutzige komme von außen.
Mertes: "Viele Bischöfe bewegen sich zur Zeit"
Mertes plädierte für eine verstärkte Teilung der Macht innerhalb der Kirche. Er könne sich vorstellen, so Mertes, dass die Bischöfe bei einer innerkirchlichen Gerichtsbarkeit mitzögen. "Viele Bischöfe bewegen sich zur Zeit", betonte er. So werde etwa die Frage der Homosexualität inzwischen kontrovers diskutiert. "Viele merken, dass sich die Kirche durch ihr Festhalten am Naturbegriff herauskatapultiert hat aus dem Dialog mit der Gesellschaft". Bei den Themen Sexualität und Beziehungen sei die Kirche "weit weg von der Lebenswirklichkeit". Und: "Die Leute hören nicht mehr zu, auch der allergrößte Teil der Katholiken". Die Kirche sei "in diesem Bereich intellektuell nicht mehr satisfaktionsfähig".
Mertes machte 2010 als damaliger Leiter der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg Fälle von Missbrauch öffentlich. Damit stieß er eine breite Debatte an, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Inzwischen ist Mertes Direktor der Jesuitenschule Sankt Blasien im Schwarzwald. (rom/KNA)