Spiritualität im stressigen Unternehmer-Alltag

Wie Manager das Beten für sich entdecken können

Veröffentlicht am 10.11.2019 um 12:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Unternehmer sind in ihrem Alltag enorm gefordert. Sie tragen große Verantwortung und müssen wichtige Entscheidungen treffen, oft unter Zeitdruck. Durch Spiritualität und Gebet kann man aber selbst in solchen Situationen gelassen bleiben. Impulse dazu hat der Bund Katholischer Unternehmer gesammelt.

  • Teilen:

Das Telefon im Büro klingelt, gleichzeitig vibriert das Geschäftshandy in der Hosentasche, die nächste Besprechung beginnt in fünf Minuten und der Kunde wartet auf eine Antwort.

Der Lebensalltag eines Unternehmers: Dauerbetrieb. Von morgens früh bis abends spät und oft noch darüber hinaus. Ständige Verfügbarkeit. Lieferung und Leistung "just in time", Effizienz, Schnelligkeit, Profit, Gewinn. Alles und jeder muss reibungslos funktionieren, jede Minute muss genutzt werden. Der Druck ist hoch, die Verantwortung groß. Das heißt auch: Dauerbetrieb für Körper, Geist und Seele.

Doch ohne neue Energie kann es nicht weitergehen. Auch der menschliche Akku muss ab und zu aufgeladen werden, damit er wieder in Betrieb gehen kann. Kraft zu tanken wird umso wichtiger, je höher die von außen einwirkenden Kräfte sind.

Gerade für ständig aktive, unter Druck stehende Menschen ist die Möglichkeit selten, sich im Alltag einen Moment der Ruhe zu nehmen. Bei Unternehmern, die für eine Vielzahl an Mitarbeitern zuständig sind und ihre Uhr stets im Blick behalten müssen, bedarf es einer bewussten Entscheidung, spirituellen Dingen einen Raum zu geben. Auszeiten und Ruhepunkte sind aber wichtig, um innerlich Ruhe zu finden, auf Gott zu hören und seinen Beistand in schwierigen Entscheidungssituationen zu erbitten. Kontemplation und innere Ruhe kommen aber nicht plötzlich und von ganz allein, sondern müssen immer wieder erarbeitet werden.

Hände eines Mannes mit Hemd und Krawatte tippen nachts auf Computertastatur.
Bild: ©Photographee.eu/Fotolia.com

Zeit für Gebet kommt in einem Unternehmer-Alltag oft zu kurz.

In unserer Kulturgeschichte kam immer wieder das Spannungsverhältnis von Kontemplation und Aktion zur Sprache. "Unsere Zeit ist sicherlich eine besonders aktivitätslastige", beobachtet der geistliche Berater des Bunds Katholischer Unternehmer (BKU), Hans Günther Ullrich. "Gerade deshalb braucht der Mensch die Kontemplation. Beides soll sich schlussendlich zu einer Einheit zusammenfügen."

Kontemplation und Meditation sind in verschiedenen Religionen spirituelle Praxis, um den Geist zu beruhigen und zu sammeln. Christliches Beten ist aber mehr, als nur zur Ruhe zu kommen oder nachzudenken. Es bedeutet, sich der Gegenwart Gottes bewusst zu werden und die eigene Aufmerksamkeit darauf zu richten. Es bedeutet, in Beziehung zum lebendigen Gott zu treten.

Kein "Schmiermittel" für größere Effizienz

"Man muss erst einmal erklären, was Gebet ist und warum es für einen Unternehmer interessant sein könnte", so Ullrich, der die Besinnungstage für Mitglieder des BKU leitet. Das Gebet sei nämlich auch kein "Schmiermittel" für größere Effizienz, sondern eine Berufung für jeden Christen. Auch ginge es nicht darum, dass Gebet zu einer "frommen Gegenwelt" wird, während der Alltag weiter an einem vorbeirauscht. "Die Gottesbeziehung umfasst das ganze Leben. Deshalb müssen auch die Themen, die einen Unternehmer im Alltagsleben beschäftigen, im Gebet vorkommen", so Ullrich.

Erfolg und Misserfolg, schwierige Entscheidungen, Erwartungen von Mitarbeitern, Kunden, Kapitalgebern und Behörden – das sind Themen eines Unternehmers. Der Arbeitskreis Spiritualität des BKU hat diese Themen in einem Manager-Gebetbuch gesammelt und bietet zu konkreten typischen Situationen Schriftworte, Gebete und geistliche Impulse. Für schwierige Entscheidungssituationen zum Beispiel, für Situationen des Wartens, für Arbeitssituationen unter Druck oder für den Beginn und das Ende eines Arbeitstags.

Hans Günther Ullrich, Trierer Domvikar und geistlicher Berater des Bunds Katholischer Unternehmer.
Bild: ©Hans Günther Ullrich

Hans-Günther Ullrich ist der geistliche Berater des Bunds Katholischer Unternehmer.

Die Gebete sind meist von Mitgliedern des BKU selbst geschrieben und sprechen von eigenen Erfahrungen: "Schenke mir ein waches Gespür für die Eigenart und Unterschiedlichkeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" oder "Gott, segne alle Menschen, die hier arbeiten, unsere ganze Betriebsgemeinschaft. Lass einen jeden von uns seinen Beitrag leisten für ein gutes Betriebsklima." Schriftstellen wie das Gleichnis von den Talenten oder dem Mann, der sein Haus auf einen Felsen baute, sind den Lebenssituationen eines Unternehmers zugeordnet. Für Situationen der Sorge sollen Jesu Worte von der rechten Sorge helfen: "Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt!" (Lk 12,22). Es geht auch um Themen wie Familie und Beruf, Gebete mit dem Titel "Geh rechtzeitig heim" oder "Danke für meine Frau" sind diesem Kapitel untergeordnet. Hinzu kommt eine Einführung in das Beten und eine geistliche Hinführung zum Verständnis der Heiligen Messe, zum Mitfeiern des Kirchenjahrs und zum Pilgern.

Das Gebetbuch sei aber keine "Rezeptbox", in der man in Situation "X" Seite "Y" aufschlagen könne und sofort alles klar sei. Es brauche eine Gebetshaltung als Grundhaltung des Lebens, unabhängig von den Geschehnissen eines einzelnen Tages, so Ullrich. "Das Gebet ist keine Sondermethode, um im Handumdrehen auf schwierigste Fragen eine sofortige Lösung serviert zu bekommen. Es ist mehr ein "sich Einschwingen" in die Sichtweise Gottes auf diese Welt", sagt der Priester.

Gott als Fixpunkt

Der geistliche Berater des BKU, der vor seiner Berufung zum Priester selbst Chef von 4.500 Mitarbeitern war, kennt die Lebenssituationen der Unternehmer und weiß aus eigener Erfahrung, wie Spiritualität in Drucksituationen helfen kann. Er erinnert sich an Tage, an denen er fünfzig verschiedene Vorgänge zu erledigen hatte und ein strammer Arbeitsrhythmus seine höchste Konzentration erforderte. In solchen Situationen sei es überaus wichtig gewesen, gelassen, sachorientiert und ruhig zu bleiben.

Das Manager-Gebetbuch des Bunds Katholischer Unternehmer
Bild: ©Hannah Küppers

Der BKU gibt seit einigen Jahren ein Gebetbuch für Manager und Führungskräfte heraus.

"Man braucht eine starke eigene Mitte und einen echten Standpunkt", sagt er. Da sei die Gottesbeziehung enorm wichtig. "Wenn sich alle Umstände verändern, gibt es in Gott einen Fixpunkt, der immer gleich bleibt. Er verkörpert die Fülle, Liebe und Gerechtigkeit und lädt mich ein, daran teilzuhaben", beschreibt Ullrich.

Seinen eigenen Gebetsweg müsse dann jeder selber finden. Denn es gebe unzählige Möglichkeiten, sein geistliches Leben zu gestalten, sagt Ullrich. Ein Missverständnis trete jedoch immer wieder auf: dass Gebet bedeute, etwas tun zu müssen. "Sich erfüllen lassen von der Gegenwart Gottes", das sei Beten.

Von Hannah Küppers