Hildesheimer Oberhirte drängt auf Änderungen in der Kirche

Ruf als Reformer: Bischof Wilmer seit einem Jahr im Amt

Veröffentlicht am 31.08.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Hildesheim ‐ Seit einem Jahr ist Heiner Wilmer nun Bischof von Hildesheim. In seinem Bistum kommt der Ordensmann, der sich offen und volksnah gibt, gut an. Der Quereinsteiger aus Rom gilt manchen sogar als neuer Hoffnungsträger einer krisengeplagten Kirche.

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Er pilgert mit Jugendlichen, sucht das Gespräch mit den Gläubigen und spricht auch heikle Themen wie Missbrauch und Reformen in der katholischen Kirche in einer Sprache an, die aufhorchen lässt: Im ersten Jahr seiner Amtszeit hat Hildesheims Bischof Heiner Wilmer schon viel Aufmerksamkeit erregt - in seiner Diözese und darüber hinaus.

Wilmer nimmt kein Blatt vor den Mund und benennt Missstände in der Kirche mit deutlichen Worten. Schon bei seiner Amtseinführung am 1. September 2018 im Hildesheimer Mariendom kündigte er an, die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs zu seinem Thema zu machen. Anfang des Jahres setzte er bei einer Dialogveranstaltung noch einen drauf: "Wir müssen den Binnen-Zirkel der Kirche, das Männerbündische aufbrechen, um gemeinsam das Evangelium zu bezeugen in Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit."

Wilmer bezeichnete Drewermann als Propheten

Einem seiner Amtsvorgänger, Josef Homeyer (1929-2010), warf Wilmer im Umgang mit Missbrauchsfällen rückblickend Versagen vor. Mit seiner vielzitierten Aussage "Der Missbrauch von Macht steckt in der DNA der Kirche" stieß er unter seinen Amtsbrüdern nicht nur auf Begeisterung. Im selben Interview sagte Wilmer übrigens, die Bischöfe säßen "immer noch zu sehr auf dem hohen Ross". Zudem bezeichnete er den Paderborner Theologen Eugen Drewermann, dem 1991 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde, als verkannten Propheten unserer Zeit.

Seinen Worten ließ Wilmer auch Taten folgen. Zur Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen (1907-1988) setzte er eine unabhängige Expertenkommission unter Federführung der ehemaligen niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) ein. Die Mitglieder haben Zugang zu allen Akten des Bistums und wollen bis 2020 eine umfassende Studie erstellen.

Heiner Wilmer sitzt winkend auf der Kathedra.
Bild: ©http://www.chrisgossmann.de/Bistum Hildesheim

Mit dem Setzen auf die Kathedra im Hildesheimer Dom nimmt Bischof Heiner Wilmer symbolisch am 1. September 2018 das Bistum in Besitz.

Wilmer präsentiert sich gern offen und volksnah. Aus seiner emsländischen Herkunft macht der trotz seiner 58 Jahre jugendlich wirkende Bischof keinen Hehl. Gerne erzählt er von Treckerfahrten auf dem elterlichen Hof und gibt Kostproben seiner plattdeutschen Muttersprache. Zugleich lässt er in seine Reden ganz selbstverständlich immer wieder Sätze auf Englisch, Italienisch oder Französisch einfließen. So wirkt er einerseits sympathisch und bodenständig und andererseits gebildet und weltoffen. Eine Art, die bei vielen Zuhörern ankommt.

Tatsächlich verfügt der aus einfachen Verhältnissen stammende Bischof über viel weltkirchlicher Erfahrung: Als 19-Jähriger trat er in den Dehonianer-Orden ein - auch bekannt als Herz-Jesu-Priester - und studierte Theologie, Romanistik und Französische Philosophie in Freiburg, Paris und Rom. Als Lehrer unterrichtete er unter anderem in der New Yorker Bronx und leitete später das ordenseigene Gymnasium in Handrup im Emsland. 2007 wurde er zunächst Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Dehonianer, bevor er 2015 als Generaloberer mit weltweiter Verantwortung nach Rom wechselte. In dem international organisierten Orden lernte er die Prinzipien einer modernen Debatten- und Führungskultur - Prinzipien, die er in den Versammlungen der Deutschen Bischofskonferenz mitunter vermisst.

Beim Zölibat sieht der Hildesheimer Bischof Reformbedarf

Noch ist offen, welche Rolle Wilmer in der Deutschen Bischofskonferenz und beim kirchlichen Reformprozess, dem "synodalen Weg", spielen wird. Er gehört zu einer neuen Generation jüngerer Bischöfe, die auf Veränderungen drängen - auf eine Neuverteilung von Macht, auf ein größeres Mitspracherecht der Gläubigen oder eine Stärkung der Rolle der Frau.

Auf die Frage, ob Frauen zu Priesterinnen geweiht werden sollten, antwortete Wilmer einmal: "Ich habe große Lust, mich auf eine offene Diskussion einzulassen und bin gespannt, auf welche Wege uns der Heilige Geist führen wird." Auch beim Zölibat sieht der Ordensmann Reformbedarf, weil viele Priester vereinsamten.

All das werden Themen des "synodalen Wegs" sein, der im Dezember offiziell starten soll. Wilmer erhofft sich davon "eine neue Art und Weise des Denkens in der Kirche". Die Bischofskonferenz berät seiner Einschätzung nach "intensiv und ernsthaft" über Veränderungen. Wilmer: "Es wird vielleicht länger dauern, als es dem einen oder anderen lieb ist, aber ich bin zuversichtlich."

Von Michael Althaus (KNA)