Bistumsbeauftragter: Historische Kirchen nicht bevorzugt erhalten
Der langjährige Beauftragte für Kirche und Kunst des Bistums Essen, Herbert Fendrich, hat beim Erhalt von Kirchen eine Bevorzugung historischer Gebäude kritisiert. Viele Pfarreien hätten sich dafür entschieden, vor allem große, oft stadtbildprägende, 100 bis 150 Jahre alte Kirchen langfristig zu erhalten, sagte Fendrich laut Mitteilung des Bistums Essen (Montag). Das koste viel Geld, das dann nicht für Modernisierungen von Gottesdiensträumen zur Verfügung stehe, so der Kunstbeauftragte bei seiner offiziellen Verabschiedung in den Ruhestand in der Bistumsakademie "Die Wolfsburg". Wenn ab dem Jahr 2030 wie geplant bistumsweit nur noch 80 bis 100 Kirchen regelmäßig zu Gottesdiensten einlüden, "dann werden die meisten davon Kirchen des Historismus sein – also Kirchen, die schon bei ihrem Bau von gestern waren", so Fendrich. "Wir werden in Zukunft ganz schön alt aussehen."
Fendrich rief zugleich zum Widerspruch gegen seine eigene Prognose auf: "So wird es kommen, wenn wir nichts dagegen tun!" Gemeinden müssten sich seiner Ansicht nach noch stärker mit der Frage auseinandersetzen, in welchen Räumen die Christen künftig beten wollten. Zugleich warb er beim Thema Kirchenschließungen und -umnutzungen für einen "Glauben an Wunder". Ohne solche "Wunder" hätte seine Bilanz nach mehr als 25 Jahren als Bistumsbeauftragter deutlich schlechter ausgesehen, sagte er mit Blick auf die gut 100 Kirchen, die bistumsweit seit 2005 außer Dienst gestellt wurden – und von denen bislang "erst" rund 30 hätten abgerissen werden müssen.
Sternberg: Dürfen Bau von Kirchen nicht aufgeben
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, betonte bei der Veranstaltung, dass es Kirchenschließungen und -abrisse zu allen Zeiten gegeben habe. Er verwies zudem darauf, dass die aktuellen Schließungen "vor allem im Kirchbauboom der Nachkriegszeit" ihren Grund hätten. Doch "trotz der vielen überzähligen Kirchen dürfen wir den Bau von Kirchen nicht aufgeben", forderte Sternberg.
Der Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards warb dafür, dass Gemeinden ihre Kirchen auch für die Nutzung durch andere Gruppen öffnen sollten, zum Beispiel für Künstler. "Es geht um Gruppen, denen – wie den Gemeinden – mehr am Herzen liegt, als nur das Eigeninteresse." Durch eine solche Öffnung könnten Gemeinden mit ihren Kirchen "wieder ganz neue Mitspieler in der Gesellschaft werden". Auch bei einer vielfältigeren Nutzung solle jedoch "der spirituelle Charakter" einer Kirche erhalten bleiben, forderte Gerhards. Schließlich gebe es in der Gesellschaft auch über die Gemeinden hinaus ein Interesse an spirituellen Räumen. Wichtig sei, "dass Kirchen offen sind", sagte Gerhards. "Eine Kirche, die nur einmal die Woche eine Stunde lang für eine Handvoll Gläubige öffnet, hat keine Zukunft." (tmg)