Trend zur Urne lässt deutsche Friedhöfe drastisch schrumpfen
Rund die Hälfte der Friedhofsflächen in Deutschland wird laut Experten nicht mehr für Bestattungen benötigt. Wegen des Trends zu kleinen Urnengräbern sowie Beisetzungen in Bestattungswäldern oder auf See seien rund 50 Prozent der etwa 35.000 Hektar Friedhofsfläche in der Bundesrepublik überflüssig geworden, teilte die Verbraucherinitiative Aeternitas am Dienstag in Königswinter mit. Auch würden die Nutzungsrechte an großen Familiengrabstätten selten verlängert.
Aeternitas forderte einen Bürgerdialog über den Umgang mit den sogenannten Überhangsflächen. Da die Kosten für Pflege und Unterhaltung den Gebührenzahlern nicht aufgebürdet werden dürften, versuchten Friedhofsträger diese zu veräußern oder anderen Zwecken zuzuführen. Diese berge Konfliktpotenzial - nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Pietät. Viele Menschen hingen an ihrem Friedhof, weshalb besonders eine vollständige Schließung umstritten sei.
Mehr als zwei Drittel der Verstorbenen werden eingeäschert
Aeternitas wies darauf hin, dass inzwischen mehr als zwei Drittel der Verstorbenen eingeäschert würden. Vor 25 Jahren sei das Verhältnis zwischen Erd- und Feuerbestattungen noch umgekehrt gewesen. Beim Abbau von Friedhofsflächen sei planvoll vorzugehen, forderte die Verbraucherinitiative. Unerlässlich dafür sei eine Flächenermittlung und -bewertung sowie eine Bedarfsplanung. So könne beim Belegen von Grabstätten gezielt auf freiwerdende Flächen hingewirkt werden, die einmal entwidmet werden könnten. Überhangsflächen würden alternativ für Kultur und Sport, Grünflächen und Gärten, Landwirtschaft und Gartenbau sowie die Bebauung genutzt.
Vorbildlich binde Hamburg seine Bürger in die Zukunftsplanung des Friedhofs Ohlsdorf ein, so Aeternitas. Dort werde nur noch ungefähr die Hälfte der knapp 400 Hektar als Grabflächen genutzt; bis 2050 werde es voraussichtlich nur noch rund ein Viertel sein. Auch in Köln, wo über die Hälfte der Flächen der 55 städtischen Friedhöfe nicht mehr benötigt würde, sei die Beteiligung der Bürger zentral. Unter dem Motto "Kulturraum Friedhof 2025" würden deren Wünsche zur Nutzung der Friedhofsflächen abgefragt.
Die katholische Kirche lehnte Feuerbestattungen lange Zeit ab, erst im 20. Jahrhundert wurde ein generelles Verbot aufgehoben. Zuletzt hatten Österreichs Bischöfe neue Richtlinien zu Feuer- und Naturbestattungen veröffentlicht. Darin räumen sie den Gläubigen das Recht ein, "über eine Feuerbestattung selber zu entscheiden, ohne dass ihnen oder ihren Hinterbliebenen daraus ein Nachteil erwachsen darf". Voraussetzung sei, dass die Gründe ihrer Entscheidung "nicht dem christlichen Glauben widersprechen". Die katholischen Bischöfe Deutschlands hatten bereits 2005 eine Broschüre zur Bestattungskultur veröffentlicht. Darin sprechen sie sich dafür aus, grundsätzlich am Friedhof als "Stätte des Gedenkens und der Trauerkultur" festzuhalten. Christen sollten Formen der Grabgestaltung finden, die zeigten, dass der Tod nicht das letzte Wort über das Leben habe. Trauer und Erinnerung bräuchten Rituale und konkrete Orte. (tmg/KNA)