Bischof Anba Damian über die erneute Gewalt zwischen Muslimen und Kopten in Ägypten

"Wie Lämmer unter Wölfen"

Veröffentlicht am 10.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ägypten

Bonn ‐ Erneut gingen Bilder von blutigen Auseinandersetzungen in Ägypten um die Welt: Nachdem eine Moschee in der Provinz Kaljubija mit einem Kreuz bemalt worden war, kam es zu Ausschreitungen gegen Kopten, bei denen Christen und Muslime starben. Am Sonntag wurde auch die Markus-Kathedrale in Kairo angegriffen. Im Interview mit katholisch.de erklärt der koptische Bischof für Deutschland, Anba Damian, was ihm seine Glaubensbrüder in Ägypten berichten, was er von der Politik Präsident Mursis hält und warum ihm die bisherige Reaktion der großen Kirchen in Deutschland auf die Unruhen bei Weitem nicht ausreicht.

  • Teilen:

Frage: Bischof Damian, wer ist schuld an den neuen Unruhen zwischen koptischen Christen und Muslimen in Ägypten?

Damian: Selbst wenn christliche Jugendliche ein Kreuz an die Wand einer Moschee gemalt haben sollten, dann darf die Folge nicht sein, dass Menschen getötet werden und jede Gewalt gerechtfertigt scheint. Da stimmen die Maßstäbe überhaupt nicht. Die Kopten haben keine Waffen, keine Lobby, keinen Einfluss auf das politische Geschehen in Ägypten. Sie sind wie Lämmer mitten unter Wölfen. Nach den Vorkommnissen in der vergangenen Woche gab es eine regelrechte Hetzkampagne. Sogar die Trauerfeier für dabei getötete Christen in der Kairoer Markus-Kathedrale wurde angegriffen. Diese Kirche ist vergleichbar mit dem Petersdom für die Katholiken. Mehrere Menschen waren auf der Stelle tot, es gab viele Verletzte. Ärzte, die helfen wollten, wurden daran gehindert, in das Gebäude zu kommen.

Anba Damian, Koptischer Bischof für Deutschland.
Bild: ©KNA

Anba Damian ist koptischer Bischof für Deutschland.

Frage: Was hören Sie von den Christen in Ägypten?

Damian: Ich habe sehr viele E-Mails und Nachrichten über Facebook erhalten, Telefonate geführt. Die Menschen stehen unter Schock. Sie haben überhaupt kein Vertrauen in die Behörden. Nach ihren Berichten duldet und unterstützt die Polizei die Angreifer, Sicherheitsbeamte in Zivilkleidung beteiligen sich sogar an den Ausschreitungen. Die Menschen haben das ungute Gefühl, gehasst zu werden – und das nur, weil sie ein Brustkreuz tragen oder in der Kathedrale beten. Dieser Hass, den die Prediger in den Moscheen schüren, zerstört den Frieden Ägyptens. Es gibt leider Muslime, die sich von den Imamen in die Irre führen lassen.

Frage: Präsident Mohammed Mursi hat die Angriffe kritisiert und Untersuchungen angeordnet. Respektiert er die Religionsfreiheit der Kopten?

Damian: Der Präsident träumt von einem islamischen Kalifat. Er ignoriert unsere Interessen, unser Dasein. Mursi hat vieles versprochen, aber wenig gehalten. Zum Beispiel sprach er davon, einen seiner Stellvertreterposten mit einem Kopten zu besetzen – das hat er bis heute nicht getan. Ich habe den Eindruck, dass Mursi nur eine Marionette ist, der aus dem Hintergrund genau diktiert wird, was sie machen soll. Dennoch: In seiner kurzen Amtszeit wurde im Verhältnis zu den Kopten so viel zerstört, dass es Generationen braucht, um das wieder gut zu machen.

Frage: Haben die Christen in Ägypten überhaupt noch eine Zukunft?

Damian: Ich glaube schon. Durch den unberechtigten Hass, dem wir ausgesetzt sind, gewinnen wir in Ägypten sehr viele Freunde, auch unter den Muslimen. Sie fangen an, sich Gedanken über das Verhalten der Obrigkeit zu machen. Man kann nicht sagen, alle Muslime würden die Politik der Moslembrüder, der Salafisten oder Extremisten vertreten, in keiner Weise. Diejenigen, die aggressiv sind, sind nicht sehr viele, aber sie sind sehr laut. Die Vernünftigen bilden die große Mehrheit, aber sie sind nicht laut.

Player wird geladen ...
Video: © Norbert Staudt

Bischof Anba Damian über die Gewalttaten gegen Kopten in Ägypten.

Frage: Wie sieht in Ägypten generell das Verhältnis zwischen Staat und Kirche aus?

Damian: Beides ist nicht voneinander zu trennen. Der oberste Scheich wird vom Staatspräsidenten berufen. Das heißt, er ist eigentlich ein Staatsbeamter, er bekommt auch sein Gehalt vom Staat. Deswegen muss er auch genau das tun und predigen, was im Sinne der Regierenden ist.

Frage: Was können die Christen in Deutschland tun, um die Kopten zu unterstützen?

Damian: Ich wünsche mir mehr Solidarität von den beiden großen Kirchen. Wenn mit der Markus-Kathedrale sozusagen der koptische Vatikan angegriffen wird, dann werden zugleich alle 18 bis 20 Millionen koptische Christen weltweit angegriffen. Ich frage mich: Auf was warten wir noch? Ich finde die Reaktion der Kirchenvertreter in Deutschland bis zu diesem Augenblick langsam und blass. Das tut mir sehr weh. Die Politik ist da viel aktiver und schneller. Ich wünsche mir, dass die Kirchen eine gesunde Reaktion zeigen und etwa die ägyptische Regierung zur Korrektur ihres Kurses auffordern. Ägypten hat internationale Vereinbarungen unterzeichnet. Sie werden tagtäglich verletzt. Daran muss Ägypten erinnert werden, damit das Land eines Tages wachgerüttelt wird und zur Vernunft kommt.

Frage: Wie empfinden Sie es als gebürtiger Ägypter, die Geschehnisse aus der Ferne betrachten zu müssen?

Damian: Ich kann meinen Zustand kaum beschreiben. Seit den Angriffen am Sonntag auf die Markus-Kathedrale fühle ich mich wie gelähmt. Ich kann wirklich kaum laufen. Es ist ein Gefühl der Machtlosigkeit, der Trauer. Ich bin entsetzt, schockiert und gleichzeitig erschöpft. Und ich glaube, wir müssen auch hier im Westen lernen, was alles passieren kann, wenn wir nicht wachsam sind.

Das Interview führte Gabriele Höfling