Trotz neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse

Kirchenrechtler Graulich: Segnung homosexueller Paare gegen Lehre

Veröffentlicht am 22.09.2019 um 11:05 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Nachdem hochrangige Theologen fünf Stunden lang darlegten, dass auch homosexuelle Paare und wiederverheiratet Geschiedene einen Segen verlangen können, ging ein deutscher Kurienmitarbeiter dazwischen. Doch die Wissenschaftler wollen sich nicht einkriegen lassen.

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Der Salesianerpater und Kirchenrechtler Markus Graulich hält eine Segnung homosexueller Paare für unmöglich. "Ein Segen würde der Lehre der Kirche widersprechen. Hier ist keine Weiterentwicklung zu erwarten", sagte Graulich während einer Podiumsdiskussion am Samstag in Frankfurt. Keine einzige Bischofskonferenz könne einen solchen Schritt wagen. Auch einzelne Bischöfe könnten sich nicht über die Vorgabe aus dem Vatikan hinwegsetzen, selbst wenn sie weitreichende Befugnisse über ihr eigenes Bistum haben. Zu der Diskussion hatte das Bistum Limburg geladen. Graulich arbeitet in der römischen Kurie, äußerte sich jedoch laut eigener Aussage als Priester und Kirchenhistoriker.

Zuvor hatten sechs Wissenschaftler fünf Stunden lang dargelegt, dass homosexuelle Paare und wiederverheiratet Geschiedene in der katholischen Kirche durchaus ein Anrecht auf kirchlichen Segen geltend machen können. So gab der Psychoanalytiker Tillman Schneider zu bedenken, dass Lust und Begehren unabhängig von der Fortpflanzung betrachtet werden müssten. Die Liebe zwischen zwei erwachsenen Menschen sei an sich anerkennenswert. Der Alttestamentler Thomas Hieke sagte, alle auf Homosexualität bezogenen Stellen des Alten Testaments verurteilten nicht das Konzept als solches. "Wir müssen Homosexualität als Teil der guten Schöpfung Gottes akzeptieren", so Hieke. Der Neutestamentler Konrad Huber befand im Hinblick auf die Zitate zu Scheidung und Wiederheirat im Neuen Testament, dass es trotz der jesuanischen Ablehnung der Scheidung Freiheiten gebe. "Ein absolutes Verbot der Scheidung und Wiederheirat kennt das Neue Testament nicht."

Kurskorrekturen möglich

Der Moraltheologe Franz-Josef Bormann mahnte allerdings auch an, dass es für Homosexuelle und wiederverheiratet Geschiedene nicht die gleichen Lösungen geben könne. Exklusive und auf Dauer angelegte homosexuelle Partnerschaften seien als moralisch legitim anzuerkennen. Bei wiederverheirateten Geschiedenen stehe allerdings noch die Schuld des Scheiterns der Ehe im Raum.

Dass es im Rahmen der Kirchenlehre durchaus Spielraum gebe, betonte die Dogmatikerin Julia Knop. Kurskorrekturen der Kirchenlehre seien keinesfalls unüblich, man spreche nur nicht gern darüber. Sie sagte weiter, wer gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen verweigere, halte homosexuelle Liebe für schöpfungswidrig. Das sei "menschlich verheerend" und schließe diese Menschen aus der Kirche aus. "Wenn Homosexualität eine Schöpfungsvariante ist, dann steht sie unter Gottes Segen." Es gehe nicht um eine Anpassung an den Zeitgeist, sondern um das Ernstnehmen menschlicher Erfahrung.

Der Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann warnte, Segen grundsätzlich zu verweigern, sei höchst problematisch. Segen spende eigentlich Gott, die Kirche sei nur Dienstnehmerin. Er sprach von der Möglichkeit, dass sich eventuell erst die Liturgie ändere und später die Kirchenlehre, wie etwa bei den Segensfeiern zum Valentinstag. "Die Ablehnung von Homosexualität kann sich jedenfalls nicht auf Altes und Neues Testament beziehen."

Trotz der Absage aus Rom gaben sich die Wissenschaftler unbeeindruckt. "Es ist wohl in Rom noch nicht so richtig angekommen, was Homosexualität eigentlich ist", so Huber. (cph)