Standpunkt

Bei Missbrauchsverdacht lassen einige Bistümer ihre Priester im Stich

Veröffentlicht am 09.10.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Namen werden bekanntgegeben, Details gelangen an die Öffentlichkeit: Noch während der Ermittlungen missachten manche Bistümer die Unschuldsvermutung für die beschuldigten Priester. Das hat gravierende Folgen, kommentiert Benjamin Leven.

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Heribert Hallermann hat am Montag auf schwerwiegende Versäumnisse der Bistümer im Umgang mit Klerikern hingewiesen, die sexueller Vergehen beschuldigt werden. Vielfach würden die Verantwortlichen willkürlich vorgehen, sich nicht an die Unschuldsvermutung halten und die Beschuldigten in ihrem Verteidigungsrecht beeinträchtigen, so Hallermann, der bis 2016 Professor für Kirchenrecht in Würzburg war.

Natürlich ist es wichtig, dass sexueller Missbrauch konsequent geahndet wird. Doch auch Beschuldigte, ja auch Täter haben Rechte. In der Sorge, man könne ihnen ansonsten Vertuschung vorwerfen, reagieren Bischöfe und Generalvikare nicht selten kopflos. Die beschuldigten Priester werden oftmals rasch "beurlaubt" und nach wenigen Tagen ist ihr Name in der Presse zu lesen. Wenn sich dann nach vielen Monaten der kirchenrechtlichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen herausstellt, dass sich die Vorwürfe nicht erhärten ließen, tut so manches Bistum nicht, was eigentlich seine Pflicht wäre: den guten Ruf des Geistlichen wiederherzustellen. Aber auch während die Ermittlungen noch laufen, werden die Beschuldigten im Stich gelassen. Manch einer hört in der Zeit seiner Beurlaubung gar nichts von seinen Vorgesetzten – und schläft in der Zwischenzeit bei Freunden auf dem Sofa, weil er sich in seiner alten Pfarrei nicht blicken lassen darf oder will. Wer in der katholischen Kirche zu Unrecht sexueller Übergriffe beschuldigt wird, endet oft als gebrochener Mensch.

Ja, es ist essenziell, dass die Bischöfe Missbrauchsvorwürfe sehr ernst nehmen. Das rechtfertigt aber nicht das Desinteresse einiger Bischöfe an den eigenen Priestern. In letzter Zeit häufen sich die Nachrichten von jungen Geistlichen, die ihr Amt aufgeben. Das hat auch damit zu tun, dass sie von ihren Bistümern regelrecht vernachlässigt werden und ihr Einsatz kaum wertgeschätzt wird. Es mangelt an Mitarbeitermotivation und Personalentwicklung. Und die Aussicht, in einer möglichen Krise so allein gelassen zu werden, wie die beschuldigten Kleriker, wird ihr Übriges dazu tun, dass manchem Priester Zweifel an seiner Berufsentscheidung kommen.

Von Benjamin Leven

Der Autor

Benjamin Leven ist Redakteur der Herder Korrespondenz in Berlin und Rom.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.