Kirchen rufen zu besonnener Wahlentscheidung auf

Vor Landtagswahl in Thüringen: Höcke kritisiert Kirchenasyl scharf

Veröffentlicht am 09.10.2019 um 11:54 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Am 27. Oktober wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Im Vorfeld haben sich die Spitzenkandidaten nun unter anderem zum Kirchenasyl geäußert. Außerdem veröffentlichten die Kirchen in dem Bundesland einen gemeinsamen Wahlaufruf.

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Im Vorfeld der Landtagswahl in Thüringen haben sich die Spitzenkandidaten der Parteien zum Kirchenasyl geäußert. AfD-Kandidat Björn Höcke sagte der in Weimar erscheinenden evangelischen Kirchenzeitung "Glaube+Heimat" (Donnerstag): "Eine vorgeblich höhere Moral gegen die Regeln des Rechtsstaates auszuspielen, wie es das Kirchenasyl tut, untergräbt das Prinzip der Legalität." Auf diesem Prinzip ruhe aber der Rechtsstaat. "Mir liegt dieser Rechtsstaat am Herzen, seine Aushöhlung durch das Kirchenasyl oder durch andere rechtsfreie Räume lehne ich entschieden ab", so Höcke. Die Landtagswahl in dem Bundesland findet am 27. Oktober statt.

Ministerpräsident und Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow sagte dem Blatt: "Ich verteidige das Recht der Kirchen, Kirchenasyl anzubieten. Das Kirchenasyl basiert auf jahrhundertealten Wurzeln, nach denen Kirchenräume einem besonderen Schutz unterliegen. Dieses Asyl sollten auch staatliche Institutionen respektieren." In einer Umfrage der Kirchenzeitung unter den Spitzenkandidaten sprachen sich auch SPD und Grüne für das Kirchenasyl aus und warnten vor einer Kriminalisierung.

Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen.
Bild: ©KNA

Der thüringische Ministerpräsident Ramelow ermutigte die Kirchen zu gesellschaftspolitischer Einmischung.

CDU-Kandidat Mike Mohring sagte: "Das Kirchenasyl sollte weder angetastet, noch darf es missbraucht werden." Er sprach von einer Gratwanderung: "Wenn der Staat dies duldet, ist das ein großer Vertrauensbeweis gegenüber den Kirchen, dass sie diese Möglichkeit nicht missbrauchen." Die FDP sieht das Kirchenasyl laut ihrem Spitzenkandidaten Thomas L. Kemmerich kritisch, "weil es gerade im Zusammenhang mit der Migrationspolitik in das Justizmonopol des Staates eingreift".

Ministerpräsident Ramelow ermutigte die Kirchen in der Zeitung zudem zu gesellschaftspolitischer Einmischung. Wichtig sei für ihn "das Eintreten der Kirchen für eine humane Flüchtlingspolitik und gegen Fremdenhass. In diesem Sinne wünsche ich mir eine Kirche, die sich in gesellschaftliche Debatten und Diskussionen einmischt", sagte der 63-Jährige, der seit 2019 Ministerpräsident von Thüringen ist. "Eine solche lebendige Kirche leistet auch einen Beitrag, die demokratische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zu stärken."

Unterdessen riefen die Kirchen in Thüringen die Menschen in dem Bundesland zur Teilnahme an der Landtagswahl auf. 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution, bei der die Menschen für freie und geheime Wahlen demonstriert hätten, gehe es heute darum, "das Wahlrecht nicht brach liegen zu lassen. Für eine lebendige Demokratie kommt es auf Jede und Jeden an", erklärten die drei katholischen Bischöfe Ulrich Neymeyr (Erfurt), Michael Gerber (Fulda) und Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) sowie die evangelischen Bischöfe Friedrich Kramer (Mitteldeutschland) und Beate Hofmann (Kurhessen-Waldeck) in einem am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Wahlaufruf.

Bild: ©picture alliance/dpa/Friso Gentsch

In ihrem gemeinsamen Wahlaufruf benannten die katholischen und evangelischen Bischöfe auch konkrete Politikfelder, bei denen sie Handlungsbedarf sehen.

Eine konkrete Wahlempfehlung gaben die Bischöfe in ihrem Aufruf zwar nicht ab. Allerdings betonten sie "die einzigartige Würde jedes Menschen und die Gleichheit aller Menschen vor Gott". Das Christentum setze keine kulturellen und ethnischen Grenzen. "Minderheitenschutz, Religionsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sind für uns nicht verhandelbar. Wir sind gegen jede Form von Hass und Hetze, von Geringachtung und Ausgrenzung von Migranten und erst recht gegen jede Form von Antisemitismus", so die Kirchenvertreter. Eine Gesellschaft, in der alle gut leben könnten, brauche Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung.

Als konkrete Ziele für die künftige Landespolitik nannten die Bischöfe in ihrem Aufruf unter anderem die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, eine gerechte Verteilung der Arbeit und ein ausreichendes monatliches Einkommen. Zudem betonten sie, dass Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Gleichgültigkeit dem inneren Frieden entgegenstünden und die "menschengemachte Klimakrise" die Gesellschaft vor entscheidende Fragen stelle. "Wir empfehlen allen Bürgerinnen und Bürgern, vor der Wahl zu prüfen, was die Parteien zu diesen Handlungsfeldern ankündigen, um daran die eigene Wahlentscheidung auszurichten", so die Bischöfe. (stz/KNA)