Als der Papst die Astronauten der Mondlandung empfing
Die Vatikanischen Museen gehören zu den wichtigsten Sammlungen der Welt. Erlesene römische Kaiserstatuen gibt es da, Papyrus-Dokumente aus dem alten Ägypten, etruskische Vasen und Bronzen, Kunstwerke aus Mexiko, Guatemala und Nicaragua, buddhistische Zeugnisse aus Tibet, Indonesien, Indien und dem Fernen Osten und auch etwas Mondgestein.
Knapp drei Monate nach der historischen Mondlandung vom Juli 1969 empfing Papst Paul VI. die Astronauten von "Apollo 11" im Vatikan. Wie bei solchen Anlässen üblich, wurden Geschenke ausgetauscht. Der Papst überreichte Neil Armstrong, Edwin "Buzz" Aldrin und Michael Collins eine Statuette der Heiligen Drei Könige, die wie sie einst in ein unbekanntes Land aufgebrochen waren – im Dienst der Wahrheit. Die drei revanchierten sich mit einem Stück Mondgestein mitsamt der US-Flagge. Es ist heute in den Museen der Päpste zu besichtigen.
In seiner Ansprache griff Paul VI. Armstrongs berühmtes Wort vom "riesigen Sprung für die Menschheit" auf. Der Mensch habe tatsächlich mit Gottes Hilfe einen großen Schritt hin zu mehr Erkenntnis getan. Diese Worte, Gesten und Aktionen, so der Papsthistoriker Jörg Ernesti, hatten die Botschaft: Der technische Fortschritt stimmt die Kirche nicht ängstlich, sondern optimistisch! Doch er darf kein Selbstzweck sein; er müsse "das Zusammenleben der Menschen erleichtern und die Lebenschancen der Bedrängten fördern".
Ein Missverständnis aus dem Weg räumen
Es schien, meint Ernesti, dass Paul VI. "das alte galileische Missverständnis, die Feindschaft zwischen Naturwissenschaft und Theologie, aus der Welt räumen" wollte. Diesen Kurs vertrat Paul VI. bereits, als er im Juli 1963 – nur wenige Monate vor dessen Ermordung – den jung-dynamischen (und katholischen) US-Präsidenten John F. Kennedy im Vatikan empfing. Damals segnete er Kennedys ehrgeiziges "Apollo"-Programm; die Raumfahrt möge "zur Ehre Gottes beitragen, des Schöpfers und höchsten Lenkers der Welt". Sie solle zudem einen "friedlichen Fortschritt einleiten, der die Menschen zu einer universalen brüderlichen Gemeinschaft zusammenschließt".
Im Juli 1969 dann gingen auch diese Bilder um die Welt: Paul VI. in weißem Gewand vor dem Fernseher, bewundernd zurückgelehnt und begeistert in die Hände klatschend. Die Eroberung des Mondes war auch eine mediale Inszenierung – und Paul VI. war von der ersten Reise des Menschen zum Erdtrabanten fasziniert. Zudem wollte er demonstrieren: Die Kirche begleitet den technischen Fortschritt nicht ablehnend, sondern positiv – solange er dem Ziel der menschlichen Entwicklung dient.
Schon beim Sonntagsgebet vor dem Start von "Apollo 11" sagte der Papst auf dem Petersplatz: "Wir beten heute für die Denker und die Helden dieses märchenhaften Unternehmens." Es wecke neue Erwartungen, die die menschliche Vorstellungskraft derzeit noch gar nicht ermessen könne. Im Mittelpunkt stehe der Mensch; er zeige sich in Gottes Schöpfung "riesengroß" und göttlich; zwar nicht "in sich", aber nach seiner Bestimmung und seinem Schicksal.
Ein Papst ganz nah dran
In der Nacht der Mondlandung begab sich Paul VI. in die päpstliche Sternwarte in Castel Gandolfo, schaute mit dem Teleskop erst buchstäblich in den Mond und verfolgte das Geschehen dann am Fernseher. Am Ende sprach er die Techniker und die drei Astronauten in einer Live-Botschaft in englischer Sprache direkt an und sagte: "Ehre allen, die vor ihren wunderbaren Apparaten sitzend dieses Unternehmen leiten", und: "Ehre, Gruß und Segen gilt euch, Eroberer des Mondes, des bleiches Lichts unserer Nächte und unserer Träume! Tragt zu ihm die Stimme des menschlichen Geistes, das Loblied auf Gott, unseren Schöpfer und Vater. Wir sind euch mit unseren Wünschen und Gebeten nahe."
Noch ein weiteres Mal, nach der "Apollo 17"-Mission, empfing Paul VI. 1973 US-Astronauten im Vatikan. Auch damals erhielt er Mondgestein als Geschenk; es liegt heute in der päpstlichen Sternwarte in Castel Gandolfo. War die Vision Pauls VI. realistisch? Wie viel "universale brüderliche Gemeinschaft" aus dem Abenteuer Mond erwachsen ist, ist jedenfalls auch nach 50 Jahren noch nicht allzu klar erkennbar.