Bruder Ansgar Stüfe leitete ein Krankenhaus in Tansania

Missionar: Würde heute nicht nach Afrika gehen

Veröffentlicht am 24.11.2019 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 

Münsterschwarzach/Peramiho ‐ Als Missionar leitete Bruder Ansgar Stüfe ein Krankenhaus in Tansania. Gerne erinnert er sich an die Zeit zurück und ist den Menschen nach wie vor verbunden. Trotzdem würde er heute nicht mehr als Missionar nach Afrika gehen – aus einem bestimmten Grund.

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16 Jahre lang war Bruder Ansgar Stüfe als Missionar in Afrika. In Tansania leitete er eines der größten Krankenhäuser des Landes. Seit 2003 ist er wieder zurück in Deutschland. Er erinnert sich zurück: "Ich habe eigentlich meinen Glauben erst so richtig kennengelernt in Afrika". Ursprünglich war der 67-Jährige Arzt. Doch noch als junger Mediziner merkte er, dass etwas fehlte Er fragte sich, ob das der richtige Weg für ihn sei. 1979 trat er in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach ein. Erst mit der Zeit entwickelte sich bei ihm der Wunsch, sich in fernen Ländern zu engagieren. Er wollte seine Kenntnisse dort zur Verfügung stellen, wo sie dringend gebraucht wurden.

Der Wunsch fand Erfüllung: 1987 ging es für den gebürtigen Franken nach Tansania. In Peramiho im Südwesten des Landes hatte seine Abtei ein Krankenhaus, das St. Joseph's Hospital, in dem er die Leitung übernahm. Er arbeitete also wieder als Arzt: "Als ich das Krankenhaus übernommen habe, war es ein klassisches Missionskrankenhaus. Die Europäer behandelten die 'armen Afrikaner'." Das wollte der Benediktiner ändern, indem er einheimische Fachärzte und Fachkräfte für das Labor, Röntgen oder die Apotheken förderte: Geeignete Personen schickte das Krankenhaus zu Spezialausbildungen in Schulen. Zudem ließ Stüfe sich im Krankenhaus-Management fortbilden und bildete ein Leitungsteam zur besseren Struktur und Organisation.

Bild: ©Archiv Missionsprokura Abtei Münsterschwarzach

In Tansania wollte Bruder Ansgar vor allem einheimische Fachkräfte fördern. Das Foto zeigt ihn und zwei Arztkollegen 2009.

"Mühselig" nennt er die Anfänge heute. Nach und nach wollte Bruder Ansgar dafür sorgen, dass sie Krankheiten nicht mehr so schnell verbreiten: Quellen ließ er durch Steine laufen, damit das Wasser sauberer wurde. "Nach 10 Jahren haben wir keine Durchfall-Epidemie mehr gehabt", betont Stüfe. Freiwillige ließen sich in den Dörfern ausbilden, um wiederum ihren Mitbürgern beizubringen, wie Krankheiten entstehen und vermieden werden können. Moskito-Netze bekämpften Malaria. Wurm- und Parasitenerkrankungen verschwanden. In einer eigenen Krankenpflege-Schule lassen sich noch bis heute Menschen aus Tansania ausbilden: "Mittlerweile sind das alles Selbstläufer."

Trotz Verbesserung sind die Tansanier arm

Das Land lernte er in den 16 Jahren gut kennen. 20 Jahre Sozialismus hatten die Wirtschaft zurückgeworfen: "Tansania hat in den letzten 15 bis 20 Jahren aufgeholt, aber die Bevölkerung auf dem Land ist immer noch sehr arm." Ein "Riesen-Problem" sei es, wenn die Menschen krank würden. Eine Operation könnten sie sich meistens nicht leisten. Aber es fehle auch das Geld für Medikamente. Krankenkassen gebe es zwar, für die meisten Menschen sind sie aber unerschwinglich – nur 20 Prozent haben eine.

Dennoch habe sich die Situation enorm verbessert. Während dem Krankenhaus früher Medikamente fehlten, sind sie heute per Internet leicht bestellbar. Das Internet und Handys hätten das Land sowieso revolutioniert, findet Bruder Ansgar. Dadurch gebe es eine bessere Kommunikation untereinander; Geld könne überweisen werden, wodurch die Menschen finanziell beweglicher seien. "Elend" gebe es nicht in Tansania, betont der Benediktiner. Die Leute seien gut angezogen, die grundlegenden Bedürfnisse würden befriedigt. Der Fortschritt ist also da. Doch laut Bruder Ansgar wird dieser durch das große Bevölkerungswachstum aufgefangen: "Eigentlich ginge es den Leuten wesentlich besser, wenn sie weniger Kinder hätten." Das Land mit den 54 Millionen Einwohnern gilt laut dem Index der menschlichen Entwicklung der UN als wenig entwickelt. 2017 befand sich Tansania auf Rang 154 von 189 (Deutschland steht auf Platz fünf).

Bruder Ansgar ist dennoch bis heute von Tansania begeistert. Nett und warmherzig habe er die Menschen dort erlebt. "Tansanier sind sehr gute Psychologen. Sie konnten mir an der Nasenspitze ablesen, wie es mir geht", erinnert er sich zurück. Mit "unendlich vielen" sei er gut befreundet. Vor allem der Glaube habe ihn beeindruckt: "Vor Tisch wird immer gebetet. In Reden, auch bei Politikern, werden immer Bibelzitate gebracht – nicht nur aus Formalität, die glauben daran." 61 Prozent der Bevölkerung in Tansania sind laut Statistiken Christen – 35 Prozent Muslime. Allerdings sei der Glauben in Tansania manchmal auch fremdartig, da sich traditionelle Kulte mit dem Christlichen vermischt hätten Vieles sei noch mit "Magischem" verbunden.

Bild: ©Archiv Missionsprokura Abtei Münsterschwarzach

Der Benediktiner in einem Patientengespräch im Krankenhaus.

Lange Gottesdienste mit Musik und Tanz

Diese Besonderheit zeigt sich auch in der Liturgie, spielt Musik und Tanz eine große Rolle. "Für einen Europäer ist es manchmal arg lang", sagt Stüfe und muss lachen. Zwei bis fünf Stunden könne ein Gottesdienst dauern. Doch den Menschen mache es viel Freude: "Die Bauern haben ein recht ereignisloses Leben. Da spielt die Liturgie als einzig großes Ereignis eine große Rolle." Er erinnert sich an Tänze vor dem Evangelium, wobei die Gläubigen zuvor das Evangeliar besonders inszenierten, indem sie um den Altar tanzten.

Als Bruder Ansgar Tansania verließ, hatte sich das Krankenhaus enorm verändert: Die Zahl ambulanter Patienten verdoppelte sich von 80.000 auf 160.000. Hinzu kommen 18.000 stationäre Patienten. Das St. Joseph's Hospital gehört mit diesen Zahlen zu den vier größten des Landes. Statt 150 arbeiten jetzt 400 Mitarbeiter in der Klinik. Neue Untersuchungsmethoden wie die Endoskopie und neue Abteilungen wie die Augenabteilung kamen hinzu. Die Zahnklinik wurde erweitert und die Kinderabteilung auf einen neuen Standard gebracht. Er selbst arbeitete mit der Zeit immer weniger klinisch, doch bis zuletzt war er auch als Arzt tätig. Ähnlich wie ein Chefarzt nahm er unter anderem Visiten vor. "Es war eine meiner fruchtbarsten Zeiten überhaupt", sagt er rückblickend.

Bild: ©Archiv Missionsprokura Abtei Münsterschwarzach

"Seinem" Krankenhaus und Tansania ist Bruder Ansgar immer noch verbunden. Zweimal im Jahr besucht er seine ehemalige Wirkungsstätte. So wie hier im Mai 2018, wobei er sich vor dem Krankenhaus unterhält.

Zurzeit werde ein neues Labor gebaut, in dem unter anderem auch eine pathologische Abteilung untergebracht würde. Die Situation der Krankenhäuser in Tansania sei teilweise jedoch nach wie vor schlecht. Die Regierung habe zwar den Willen, neue Kliniken zu bauen, aber Geld für alles Weitere fehle: "Es wäre wirklich sehr gut, wenn es mehr Anbieter gäbe."

Die Mission ist vorbei

Woher hatte er all die Jahre die Kraft, ein solches Mammut-Projekt auf die Beine zu stellen? Er stellte Beziehungen zu den Menschen her, die er behandelte. Das und der Dienst an den Armen hätten ihn erfüllt: "Ich habe da Gottbegegnungen empfunden", sagt Stüfe. Man merkt Bruder Ansgar an, dass er ein Stück weit immer noch in Tansania lebt. Und das, obwohl er seit 2003 wieder in Deutschland lebt. Bis 2018 war Prokurator seiner Kongregation, leitet jetzt den Verlag der Abtei Münsterschwarzach. Zweimal im Jahr besucht er Tansania. Von zu Hause aus hält er den Kontakt und koordiniert die Spenden.

Trotzdem sagt Stüfe, er würde heute nicht als Missionar nach Afrika gehen. "Die ganze Frage der Mission, also der Entwicklungshilfe, ist eigentlich vorbei", sagt er. Er ist kritisch geworden. Es wäre nicht mehr so, dass "wir Europäer kommen und die Lösungen bringen". Auf der anderen Seite könne man die Menschen dort ebenso nicht alleine lassen, sagt er. Vielmehr müssten sich beide Seiten zusammensetzen und die Zukunft gemeinsam gestalten. Denn in "seinem" Krankenhaus hat bereits die nächste Generation Fuß gefasst: "Man merkt da jetzt schon eine unglaubliche Professionalität. Ich hätte nicht mal träumen können vor 30 Jahren, wie das jetzt aussieht".

Von Melanie Ploch