Ratzinger-Preisträger zur Herausforderung Sakralbau

Architekt Botta: "In einer hässlichen Kirche zu beten ist schwer"

Veröffentlicht am 05.11.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Star-Architekt Mario Botta baute die Kirche von Mogno
Bild: © KNA-Bild

Rom ‐ Was ist wichtig, wenn man eine Kirche, Synagoge oder Moschee bauen will? Star-Architekt und Ratzinger-Preisträger Mario Botta verrät im Interview, wie er sich der Herausforderung Sakralbau nähert und was Schönheit mit Gebet zu tun hat.

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Der Schweizer Architekt Mario Botta (76) ist für seine charakteristischen, auf einfache und klare Formen reduzierten Bauten international bekannt. Auch Papst Benedikt XVI. schätzte den Architekten aus Lugano: 2013 berief er ihn in die Päpstliche Akademie der schönen Künste; 2018 erhielt Botta den Joseph-Ratzinger-Preis. Der Architekt entwarf etwa das Museum of Modern Art in San Francisco oder die Stadt- und Landesbibliothek in Dortmund - sowie rund 25 Sakralbauten. Derzeit ist etwa eine Moschee in Südchina in Arbeit. Worauf es ihm beim Bau von Kirchen und anderen Sakralbauten besonders ankommt, erzählt Botta im Interview.

Frage: Herr Botta, als Architekt haben Sie auch viele Sakralbauten auf der ganzen Welt geschaffen. Was bedeuten solche Werke für Sie?

Botta: Zunächst einmal eine Auseinandersetzung mit tausendjähriger Tradition und mit Architekturgeschichte. Viel Architektur wurde mir aus dem Blickpunkt der Kirche vermittelt - ausgehend von Katakomben, dem Mittelalter, über den Barock bis hin zur Moderne. Eine Architektur, die ihre Zeit vor allem aus dem Blick der Kirche interpretierte. Ich mag es, auch in der Gegenwart spezielle Räume der Stille, Meditation und des Gebets sowie des Entbehrens zu schaffen. Das alles mit formalen Mitteln und und einer Raumgestaltung, die ihrer Zeit entsprechen. Diese Themen gehen oft zugunsten von Funktionalität unter. In der Kirche ist das über Jahre hinweg gleich geblieben: Altar und Gottesvolk. Es ist schön, ohne funktionalen Zwang Ausdrucksmöglichkeiten der Kultur unserer Zeit zu finden.

Frage: Sie haben nicht nur Kirchen geschaffen. Wie ist es, für unterschiedliche Religionsgemeinschaften zu arbeiten?

Botta: Jede Religion hat berechtigten Anspruch auf sakrale Bauten. Es ist paradox, aber in der heutigen, säkularisierten Gesellschaft, die von spirituellen Bedürfnissen entfernt scheint, werde ich für Kirchenbauten angefragt. Ich habe schon rund 25 Kirchen und Kultusorte geschaffen. Es geht darum, Anfragen bestmöglich umzusetzen. Also: Wenn ich um einen Synagogenbau gebeten werde, baue ich eine Synagoge, die sich sehr von einer christlichen Kirche unterscheidet. In einer Synagoge steht die Thora-Lesung im Zentrum und kein sakraler Altar, an dem Brot gewandelt wird. Der Architekt muss jeweils wissen, wie er den Raum der Stille und Meditation angemessen umsetzt.

Der Schweizer Architekt Mario Botta zwischen zwei seiner Kirchenbauten
Bild: ©Monster4711 (Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, Sanyam Bahga (Wikimedia Commons), CC-BY-SA 3.0, Monster4711 (Wikimedia Commons), CC 0

Der Schweizer Architekt Mario Botta wurde 2018 mit dem Ratzinger-Preis ausgezeichnet. Zu den von ihm gebauten Kirchen gehört San Giovanni Battista in Mogno (links) und Maria degli Angeli auf dem Monte Tamaro, beide im Tessin.

Frage: Also ist auch religiöses Wissen wichtig...

Botta: Für jedes Gebäude muss man wissen, was sich darin abspielen soll. Wenn es um einen Konzertsaal geht, muss man die Akustik beachten. Informiert sein ist wichtig, jedoch nicht das Ausschlaggebende, denn es geht auch um eine Interpretation. Zum Beispiel sollte man versuchen, nicht einfach nur Vorgängermodelle zu kopieren. Die mussten ja auch anderen Bedürfnissen und Gegebenheiten gerecht werden. Das große Problem ist heute: Wie baue ich nach Picasso, nach Duchamp eine Kirche? Die künstlerische Avantgarde hat die Gesellschaft geprägt. Und wir Architekten müssen verstehen, auf welche Weise die Kultur unserer Zeit auf solche Fragen antworten kann.

Frage: Inwiefern kann Architektur zur Verbreitung des Glaubens beitragen?

Botta: (lacht) Ich fände es überheblich, wenn der Architekt sagen würde, sein Werk ist da so wichtig. Dann müsste man ja immer Stadien bauen, um Platz für möglichst viele Gläubige zu haben. Architektur muss immer die besten Lösungen finden. Sie muss auch Gefühle ausdrücken und auslösen, Spiritualität, etwa beim Gebet. In einer hässlichen Kirche zu beten, fällt meiner Meinung nach schwerer. Ich persönlich bevorzuge die großen Kirchen der Geschichte oder, warum nicht, der Moderne. In Ronchamp in der Kirche Notre-Dame-du-Haut von Le Corbusier zu beten, stelle ich mir etwa sehr schön vor.

Ich halte es auch für wichtig, eigene Probleme mit dem Glauben nicht mit der Architektur zu verbinden oder deren Bedeutung zu überhöhen. Architekten können einen angemessenen Raum schaffen. Wer das nicht macht, ist kein guter Architekt. Schlechte Architekten sollten nicht mit Kirchenbauten beauftragt werden. Ich arbeite aktuell an einem Projekt für eine große katholische Kirche in Seoul. Ich denke, es wird ein sehr würdiges Gebäude. Aber natürlich liegt es nicht an mir zu sagen, ob es schön ist.

Von Stefanie Stahlhofen (KNA)