Eine Frau als Vorgesetzte eines Priesters
Christine Hölscher schwankt zwischen Euphorie und Ernüchterung. "Wenn meine Oma das noch erleben könnte, was mir als Frau in der katholischen Kirche heute möglich ist", sagt die 52-Jährige, die eine der ersten weiblichen Pfarrbeauftragten in Deutschland ist. Mit dem nächsten Satz holt sich die Gemeindereferentin aber gleich selbst in die Realität zurück: "Wir sind noch weit entfernt davon, dass Frauen gleichberechtigten Zugang zur Macht haben." Hölscher wird von Dezember an die Pfarreiengemeinschaft Bad Iburg/Glane im Bistum Osnabrück leiten.
Sie wird die Dienstaufsicht über alle Hauptamtlichen ausüben, den Kirchenvorständen der beiden Gemeinden vorsitzen und das gesamte Leben in der Pfarreiengemeinschaft koordinieren. Dabei sieht sich Hölscher, die drei Jahre Religionspädagogik studiert und in verschiedenen Gemeinden gearbeitet hat, eher als Teil eines Leitungsteams. Dazu gehören der Pastor und ein sogenannter moderierender Priester, der aber nicht vor Ort lebt. "Wenn Leitung geteilt wird, kommt es auch im Umgang mit Ehrenamtlichen seltener zu Machtmissbrauch", sagt Hölscher.
Die beiden Priester in ihren neuen Gemeinden sind unter anderem dafür zuständig, die Sakramente zu spenden. Dazu gehört etwa die sonntägliche Messfeier, bei der die Eucharistie ausgeteilt wird. Da steht die Gemeindereferentin, die allein lebt und keine Kinder hat, auch weiter außen vor. Die Sakramente bleiben den geweihten Priestern vorbehalten.
Für Hölscher, die 2016/17 ein Mentoringprogramm der Bischofskonferenz für Frauen in Führungspositionen durchlaufen hat, gibt es keinen Grund dafür, Frauen den Zugang zu geweihten Ämtern vorzuenthalten. Das sieht sogar ihr Bischof Franz-Josef Bode ähnlich. Auf die Frage, ob in seinem Bistum in den kommenden Jahren eine Frau eine Eucharistiefeier leiten werde, antwortet er: "Meine Vorstellungskraft lässt das zu." Bode ist nicht nur stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sondern auch Vorsitzender der Frauenkommission - und gilt als einer der fortschrittlichsten unter den deutschen Bischöfen.
Allerdings: Für realistisch hält er diese Aussicht nicht. Die Lehre der Kirche und das Kirchenrecht stünden dem entgegen: "Das entbindet uns nicht davon, möglichst alles auszuschöpfen, was für Frauen jetzt und in der nächsten Zukunft möglich ist." In seinem Bistum gebe es 15 bis 20 weitere Gemeinden und Pfarreiengemeinschaften, in denen künftig Pfarrbeauftragte tätig werden könnten: "Wir werden darauf achten, dass Männer und Frauen gut verteilt sind."
Hölscher fordert weitere Reformen
Hölscher beschreibt ihren Leitungsauftrag als Fortschritt: "Natürlich ist mir klar, dass er seinen Ursprung auch im akuten Priestermangel hat." Dennoch: Andere Bistümer seien längst noch nicht so weit und legten lieber immer mehr Gemeinden zu immer größeren Pfarreiengemeinschaften zusammen. Lediglich im Bistum Rottenburg-Stuttgart gibt es bereits eine weibliche Pfarrbeauftragte. Zudem leiten auf den Nordseeinseln Juist und Langeoog, die ebenfalls zum Bistum Osnabrück gehören, zwei Frauen die Gemeinden. Diese seien allerdings mit knapp 300 Mitgliedern sehr klein.
Die neue Pfarrbeauftragte betont aber auch, dass diesen ersten Schritten bald weitere folgen müssen: "Sonst sehe ich schwarz." Viele Frauen ihrer Generation hätten sich aus Enttäuschung bereits von der Kirche abgewendet. Die Dringlichkeit spiegele auch die wachsende Bewegung "Maria 2.0" wider, die im Frühsommer deutschlandweit mit Streiks gegen eine männerdominierte Kirche demonstriert hatte. "Wir brauchen die Erfahrung und die Charismen von Frauen in Führungspositionen."