Nach Vertuschung: Jetzt auch Missbrauchsvorwürfe gegen Barbarin
Mehrere französische Zeitungen berichten über Missbrauchsvorwürfe gegen den Lyoner Kardinal Philippe Barbarin. Zwischen 2006 und 2012 soll er einen ehemaligen Seminaristen sexuell belästigt haben, heißt es im Nachrichtenmagazin "L'Obs" (Mittwoch). Der Betroffene habe ein zwölfseitiges Zeugnis an die nationale Aufklärungskommission für sexuellen Missbrauch in der Kirche (CIASE) geschickt. Barbarin wolle sich nicht dazu äußern, hieß es.
Barbarin (69) war im März zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er hatte einen Priester nicht angezeigt, der zwischen 1970 und 1991 zahlreiche Minderjährige sexuell missbraucht haben soll. In Frankreich besteht eine strafbewehrte Pflicht, Verdachtsfälle von Missbrauch der Justiz zu melden. Barbarin bestritt während des Prozesses, von dem Missbrauch gewusst zu haben. "Ich sehe nicht, wofür ich schuldig sein soll", sagte der Kardinal noch im Januar. Nach dem Schuldspruch legte er Berufung ein. In der kommenden Woche (28. November) soll das Berufungsverfahren stattfinden.
Der Kardinal hatte dem Papst nach seiner Verurteilung den Rücktritt angeboten. Franziskus lehnte diesen jedoch ab. Angesichts der Schwierigkeiten, die das Erzbistum Lyon im Moment durchlebe, habe der Papst dem Erzbischof die Entscheidung selbst überlassen, hieß es damals. Barbarin selbst erklärte, Franziskus habe gewusst, dass bei einer eingelegten Berufung gegen ein Urteil wieder die Unschuldsvermutung für den Angeklagten gelte. Er selbst entschied sich daraufhin dafür, sich "für eine gewisse Zeit zurückzuziehen". Im Juni ernannte der Papst den früheren Bischof von Evry-Corbeille-Essonnes, Michel Dubost, zum Apostolischen Administrator des Erzbistums Lyon. (bod/KNA)