Neymeyr beklagt zunehmende Verrohung der Sprache
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr hat eine zunehmende Verrohung der Sprache beklagt. "In Internetforen, in Chats und Kommentaren ist in Bild und Text eine zum Teil barbarische Unkultur gewachsen", sagte Neymeyr am Donnerstagabend beim Elisabethempfang seines Bistums für Thüringer Politiker in Erfurt. Viele Menschen bekämen E-Mails, deren Sprache von abgrundtiefer Abneigung und sogar Hass geprägt sei. Dass solche Worte in Taten umschlagen könnten, habe "der blinde Terror" des Mörders von Halle gezeigt.
Der Bischof wies darauf hin, dass "unverschämteste Beleidigungen" längst nicht mehr nur in der Verborgenheit der Anonymität geschähen. "Beim Zentralrat der Juden gehen von antisemitischem Judenhass erfüllte Schreiben ein, deren Absender korrekt vermerkt sind. Auch Politikerinnen und Politiker beleidigen einander persönlich und öffentlich", so der 62-Jährge. Hasserfüllte Schreiben könnten die weit ausgelegte Meinungsfreiheit nutzen und andere beleidigen oder bedrohen. Hier brauche es wieder mehr Menschen, die sagten "Das tut man nicht", zitierte Neymeyr eine entsprechende Mahnung von Altbundespräsident Horst Köhler.
Gefühl der Benachteiligung in Ostdeutschland häufig auch unberechtigt
In seiner Ansprache ging der Bischof kurz nach dem 30. Jahrestag des Mauerfalls auch auf das Gefühl vieler Menschen in Ostdeutschland ein, gegenüber den Westdeutschen benachteiligt zu sein. "In manchem haben sie Recht. Die Gehälter sind niedriger bei gleichen Lebenshaltungskosten. Viele haben in der Wende ihre Arbeit verloren und beziehen jetzt eine niedrige Rente", erklärte Neymeyr. Häufig jedoch sei das Gefühl der Benachteiligung auch unberechtigt: "Die Menschen in Erfurt leben nicht anders als die Menschen in Mainz, und die Versorgungssituation in Dörfern im Thüringer Wald ist genauso schwierig wie die im hessischen Vogelsberg."
Ihm mache, so der Oberhirte, eine weit tiefer liegende Gefühlslage der Menschen in Thüringen größere Sorgen: "Viele Menschen nehmen nationalistische und antisemitische Einstellungen, die öffentlich vorgetragen werden, entweder nicht zur Kenntnis oder akzeptieren sie." Er sehe darin auch ein Nachwirken der SED-Diktatur, in der die nationalsozialistische Vergangenheit nicht aufgearbeitet worden sei. "So ist es eine bleibende Herausforderung, die insgeheime Sympathie für die NS-Diktatur durch Aufarbeitung und Aufklärung sowie durch Sympathie mit den Opfern geduldig zu bekämpfen", betonte Neymeyr. (stz)