Kasper: Einheit der Kirchen kann man nicht am Schreibtisch erfinden
Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper hat zu weiteren Anstrengungen für die Ökumene aufgerufen. "Ökumene ist kein Verlustgeschäft, sondern ein Gewinn für beide Seiten", sagte der frühere vatikanische "Ökumene-Minister" am Dienstagabend in Leipzig. "Doch die Einheit der Kirchen kann man nicht am Schreibtisch erfinden. Sie muss im Leben und von unten in den Gemeinden wachsen." Die Einheit zwischen Katholiken und Protestanten könne man weder machen noch erzwingen: "Aber man muss die Schritte tun, die möglich sind." Kasper betonte, dass die Theologen beider Konfessionen sich inzwischen "sehr nahe gekommen" seien. "Auch sind die Konfessionsgrenzen heute durchlässig geworden." Gleichwohl sei etwa beim gemeinsamen Kommunionempfang "bisher ein zufriedenstellender Konsens - zumindest auf offizieller Ebene - noch nicht erreicht".
Huber hofft auf Frauenordination bei Katholiken
Der evangelische Berliner Altbischof Wolfgang Huber mahnte eindringlich, hier weitere Schritte aufeinander zuzugehen und endlich den Hoffnungen vieler Christen entgegenzukommen. Zugleich erklärte er, dass es zwischen den beiden Kirchen auch Unterschiede gebe, die größer geworden seien, etwa beim Zugang von Frauen zum kirchlichen Amt. "Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es einen ökumenischen Weg gibt, wo wir als evangelische Kirche diesen Schritt wieder rückgängig machen", unterstrich der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dies sei jedoch keine Absage an die Ökumene, sagte Huber. Vielmehr könnten diese Unterschiede "auch ein Ansporn sein, dass unsere Kirchen mit diesen Herausforderungen in einer für sie geeigneten Weise umgehen", sagte er und richtete den Blick zugleich selbstkritisch nach Lettland. Dort hatte die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche 2016 Frauen vom Priesteramt ausgeschlossen.
Kasper bezeichnete die "Amtsfrage" als Grundfrage der Ökumene. "Wie wird Jesus Christus verbindlich bezeugt, ist dabei die entscheidende Frage", so der Kardinal. Die Frage der Frauenordination sei ein "Teilproblem" davon. Huber bezeichnete die Amtsfrage ebenfalls als "riesige Herausforderung". Die evangelische Kirche nehme "sehr aufmerksam" wahr, dass die katholische Kirche bei ihren gegenwärtigen Diskussionen im Zuge des "synodalen Wegs" auch ihr Amtsverständnis neu in den Blick nehme und frage, ob "Lehre, Liturgie und Leitung unbedingt in einer Hand liegen müssen". Huber betonte: "Das hat eine ökumenische Relevanz und ist sich selbst ein wichtiger Beitrag zum ökumenischen Weg." Der Prozess sei "eine beeindruckende Diskussion über mögliche Veränderungen". Mit Bewegungen dieser Art würde auch die ökumenische Situation beeinflusst.
Kasper und Huber äußerten sich anlässlich des 500. Jahrestages der "Leipziger Disputation". Dabei handelte es sich um ein religiöses Streitgespräch im Jahr 1519 zwischen dem Reformator Martin Luther und dem Theologen Johannes Eck. Im Fokus der mehrwöchigen Disputation stand die Frage nach der Autorität katholischer Institutionen als höchste Instanz in Glaubensfragen. Luther bekannte dabei seine endgültige Abkehr vom Papsttum. (tmg/KNA/epd)