Kardinal Marx schluckt manche Kritik seiner Amtsbrüder herunter
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx reagiert bewusst nicht auf kritische Aussagen von Mitbrüdern in Bezug auf Papst Franziskus oder zu anderen kirchlichen Entwicklungen. Im Münchner Presseclub räumte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) am Dienstag allerdings ein: "Ja, es ärgert mich. Aber ich schlucke es runter." Manchmal reize es ihn zwar, darauf zu antworten. Dennoch plane er, bei seiner Strategie zu bleiben. Als Grund dafür gab der Kardinal an, dass er keine Polarisierung zwischen vermeintlich "wahren Katholiken" und vermeintlichen "Weicheiern" befeuern wolle: "Was sind das für Bilder!" Solche Urteile seien polemisch, auch persönlich herabsetzend. Darauf wolle er nicht reagieren, auch wenn er eigentlich ein diskussionsfreudiger Mensch sei.
Mit Blick auf den am Ersten Advent gestarteten Dialogprozess zur Zukunft der Kirche in Deutschland sagte Marx, er wünsche sich, dass die Katholiken sich gemeinsam auf den "synodalen Weg" machten und aufeinander hörten. Wer in einen solchen Prozess hineingehe, müsse bereit sein, sich zu verändern. Es helfe nichts, bereits vorab rote Linien vorzugeben oder anderen zu unterstellen, die Kirche zu spalten. Er wolle alle ermutigen, von ihren "hohen Rössern oder Eseln - was auch immer" herunterzukommen, so Marx. Die Beteiligten sollten aufeinander zugehen und bereit sein, für möglich zu halten, dass der andere auch vom Geist Gottes inspiriert sei. Das gelte für beide Seiten. Deshalb sei ein "synodaler Weg" mehr als ein parlamentarischer Prozess, wo einfache Mehrheiten die Entscheidung brächten.
Marx: Papst zeigt keine Anzeichen von Müdigkeit
Über Papst Franziskus sagte Marx, dass er keinerlei Anzeichen von Müdigkeit oder Gedanken bezüglich eines möglichen Ruhestands sehe. Der Pontifex wolle eine Erneuerung, auch wenn er dafür keine sichtbaren Plan habe, so der Kardinal. Der Papst, der am selben Tag 83 Jahre alt wurde, gehe auf andere Weise vor, wolle viele Menschen integrieren und nicht von oben eine Reformagenda durchsetzen. Auch wenn sein Weg mühsam sei, bringe er Prozesse in Gang.
Franziskus sei ein "typischer Jesuit", sagte der DBK-Vorsitzende weiter. Für diesen gelte, was Aufgabe sei, werde gemacht. Der Papst arbeite den ganzen Tag, nur unterbrochen vom Gebet. Urlaub und Freizeit gebe es für ihn nicht. Anfang des neuen Jahres rechnet Marx damit, dass der Papst das Abschlussdokument zur Amazonas-Synode vorlegen werde. Bei dieser war es vor allem um das Klima und eine Pastoral für Gebiete gegangen, in denen es wenig Priester gebe. In diesem Zusammenhang betonte der Kardinal, dass der Papst mit der bereits 2015 erschienenen Umweltenzyklika "Laudato si" einen der "großen Texte des 21. Jahrhunderts" vorgelegt habe. Das gelte im Hinblick auf die Kirche sowie zugleich auf die Menschheit. Die Bewahrung der Schöpfung treibe viele Menschen um. Doch sollte dies nicht nur an einzelnen Personen festgemacht werden, sondern an den Themen an sich.
Kardinal Marx über die Höhe von Entschädigungen
In der Debatte um höhere Entschädigungszahlungen für Betroffene von sexuellem Missbrauch steht nach Ansicht des Münchner Kardinals die Frage der Finanzierung an zweiter Stelle. Die von der DBK in Auftrag gegebene Studie habe ergeben, dass die 2011 festgelegte Höchstsumme von 5.000 Euro nicht ausreichend sei, sagte Marx. Damals sei das Ziel gewesen, unbürokratisch schnell zu handeln. Nun müsse in der Arbeitsgruppe schlüssig geklärt werden, wie eine höhere Entschädigung festgelegt werden könne. Es gehe um eine "bessere Anerkennung" des erlittenen Leids. Erst in einem zweiten Schritt gelte es dann zu klären, wie die Zahlungen, bei denen es sich um rechtlich nicht einklagbare Summen handele, finanziert werden könnten, sagte Marx. Dabei hält er unter anderem auch einen Fonds für möglich, denn die Bistümer seien finanziell unterschiedlich ausgestattet. Zuletzt hatten sich bereits mehrere Diözesen im Hinblick auf die Zahlungen gegen einen Rückgriff auf Kirchensteuermittel gewandt, darunter Rottenburg-Stuttgart, Freiburg, Mainz und Limburg.
Eine Arbeitsgruppe hatte im September zwei Modelle vorgeschlagen: eine Pauschale von rund 300.000 Euro pro Opfer oder ein abgestuftes Verfahren, bei dem je nach Schwere des Falls zwischen 40.000 und 400.000 Euro gezahlt werden könnte. Noch aber liegt kein Beschluss vor. Auf diesen hofft Marx für 2020. Zugleich betonte er, dass die katholische Kirche auf diesem Gebiet als erstes einen Weg beschreite, der von anderen beobachtet werde. (tmg/KNA)