Kirchen dürften nicht in "Modus der Gleichgültigkeit" verfallen

Rekowski: Keine substanziellen Fortschritte in EU-Flüchtlingspolitik

Veröffentlicht am 26.12.2019 um 11:06 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Menschen ohne Rückkehrperspektive: Laut Manfred Rekowski, dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, fehlten weiterhin wirksame staatliche Hilfsmaßnahmen für Geflüchtete - derweil versuche man ihren Glauben auf Glaubwürdigkeit zu überprüfen.

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Der evangelische Migrationsexperte Manfred Rekowski beklagt einen weitgehenden Stillstand der Migrations- und Flüchtlingspolitik. "In der EU gibt es nach wie vor keine substanziellen Fortschritte", sagte der Präses der rheinischen Kirche dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Die syrischen Flüchtlinge hätten derzeit keine Rückkehrperspektive. In Griechenland sei die humanitäre Situation besonders der minderjährigen Flüchtlinge ausgesprochen schwierig. "Sie erfordert wirksame humanitäre Sofortmaßnahmen", sagte der Theologe, ohne ausdrücklich die Aufnahme von Minderjährigen aus den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern in Deutschland zu fordern.

Besorgt zeigte sich Rekowski über den Umgang des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit dem Kirchenasyl. Die Anerkennungsquoten lägen inzwischen unter zwei Prozent. "Hier hat sich offenbar die politische Linie des Bamf verändert", kritisierte der rheinische Präses, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. "Diese Entwicklung macht uns Sorge, weil wir nicht durchgehend den Eindruck haben, dass eine sorgfältige Überprüfung der Fälle stattfindet." Rekowski wies darauf hin, dass Kirchenasyl von Kirchengemeinden verantwortlich und nur bei humanitären Notlagen gewährt werde.

"Man lässt keinen Menschen ertrinken"

Scharf rügte der 61-jährige EKD-Experte, dass in Anhörungen von zum Christentum konvertierten Asylsuchenden versucht werde, die Glaubensentscheidung dieser Menschen auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Dies sei nicht die Aufgabe staatlicher Stellen, betonte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland: "Sie können zwar einschätzen, ob im Herkunftsland von Asylbewerbern der christliche Glaube ein Verfolgungsgrund ist, aber nicht, ob sich jemand aus innerer Überzeugung hat taufen lassen." Die evangelische Kirche werde diese grundlegende Frage rechtlich prüfen lassen, kündigte Rekowski an.

Die Entscheidung der EKD, zusammen mit anderen Organisationen ein Rettungsschiff für die Aufnahme von Flüchtlingen im Mittelmeer zu entsenden, verteidigte Rekowski vehement. "Man lässt keinen Menschen ertrinken", sagte er. Die Kirchen dürften nicht in den "Modus der Gleichgültigkeit verfallen", wenn im Mittelmeer gestorben werde. "Dass Menschen, die zu uns gehören, punktuell diese Haltung nicht teilen, müssen wir in Kauf nehmen." Insgesamt gebe es aber sehr viel Zustimmung zur Initiative der EKD.

Die politische Diskussion über das "Weltproblem Flucht und Migration" wurde nach Rekowskis Einschätzung im zu Ende gehenden Jahr nüchterner geführt als 2018. Es dürfe aber nicht unterschätzt werden, dass es sich weiterhin um ein gesellschaftliches Streitthema handle, das polarisiere: "Populisten reiten gerne auf diesem Thema herum und schüren unterschiedliche Ängste, Sorgen und Befürchtungen." Auch die Integration bleibe "ein mühsames Geschäft". Im kommenden Jahr will Rekowski mehrere Aufnahmezentren besuchen, um sich ein eigenes Bild von der Lage dort und von "offenen Baustellen" zu machen. (epd)