Warum der Umgang mit Taufanfragen von Flüchtlingen so schwierig ist
Das Glaubensleben der freien Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz findet nicht nur auf Deutsch statt. Gottesdienste, Taufvorbereitung und Bibelkreise gibt es dort auch auf Persisch. Rund 1.000 Flüchtlinge hat Pastor Gottfried Martens in den vergangenen Jahren getauft – eine Praxis, die ihm besonders auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015/2016 ein hohes Medieninteresse einbrachte.
Die Frage, wie mit potentiellen Konversionen Geflüchteter zum Christentum umzugehen ist, stellt sich in etlichen Gemeinden der beiden großen deutschen Kirchen. Doch so hohe Zahlen wie in Berlin- Steglitz sind selten. Im Herbst 2017 hat die "Neue Osnabrücker Zeitung" dazu einige Zahlen zusammengetragen. Demnach bewegten sich die bekannten Konversionen pro Jahr und katholischem Bistum in der Regel im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich. Das gilt etwa für die Diözesen Fulda, Osnabrück, Magdeburg und Würzburg. Insgesamt konvertierten 2015 in den 14 Bistümern, die der Zeitung Auskunft gaben, gut 400 Menschen zum katholischen Glauben. Das ergibt knapp 30 Konversionen für jedes der Bistümer, die ihrerseits wiederum in Hunderte Gemeinden gegliedert sind. Ähnlich sah die Statistik auch für 2016 aus.
In den Diözesen stehen die Verantwortlichen für das Erwachsenen-Katechumenat Massentaufen wie denen in Berlin skeptisch gegenüber. Das Bistum Aachen war eines der ersten, das sich mit Taufanfragen von Flüchtlingen systematisch befasste. Es veröffentlichte die Handreichung "Wenn Flüchtlinge nach der Taufe fragen". Andrea Kett, Leiterin der Abteilung "Pastoral in Lebensräumen", betont im Gespräch mit katholisch.de, wie wichtig es sei, dass sich potentielle Konvertiten sorgfältig auf die Taufe vorbereiten. "Bei uns im Bistum Aachen durchlaufen Migranten das ganz normale einjährige Katechumenat, das auch deutsche erwachsene Taufbewerber absolvieren", erklärt sie. Hinzu kommt noch eine vorbereitende Phase, die laut Kett vor allem dazu dient, dass die Flüchtlinge, "in die Lage versetzt werden, eine so wichtige Entscheidung unabhängig von anderen Faktoren zu treffen". Das heißt vor allem: Der Aufenthaltsstatus der Taufbewerber sollte bereits geklärt sein, um auszuschließen, dass Flüchtlinge zum Christentum konvertieren, um nicht in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden.
Die Taufvorbereitung Erwachsener wird in der katholischen Kirche als ein intensiver Prozess verstanden, in dem einzelne Personen oder auch eine Gruppe von Menschen aus Kirchengemeinde und privatem Umfeld die Katechumenen begleiten. Voraussetzung dafür sei allerdings die Möglichkeit einer echten Kommunikation, sagt Michaela Wuggazer, im Bistum Augsburg für das Erwachsenenkatechumenat zuständig: "Solange es keine Brückensprache gibt, die Taufbewerber und ihre Begleiter sprechen, macht eine Taufvorbereitung nicht viel Sinn." Das bedeute allerdings nicht, dass Migranten nicht schon an Gottesdiensten und am Gemeindeleben teilnehmen könnten. Aus Wuggazers Sicht sind außerdem die sogenannten Stufenfeiern, die jedes Erwachsenenkatechumenat in verschiedene Abschnitte unterteilen, gerade für Flüchtlinge ein gutes Instrument, um sie nach und nach näher an die katholische Kirche heranzubringen – und übereilte Schritte zu verhindern. In diesem Rahmen gibt es etwa eine "Feier der Aufnahme in den Katechumenat", bei der die Bewerber eine Bibel bekommen und später dann die "Feier zur Zulassung zur Taufe".
Zur Unterstützung bei der Taufvorbereitung gibt es außerdem eine Vielzahl von Arbeitshilfen, Büchern und Gebetsheften in den verschiedensten Sprachen. Jüngst hat das Hilfswerk "Kirche in Not" den deutsch-arabischen Katechesebegleiter "Unser Weg zu Gott" herausgebracht. Allerdings könnten solche Materialien einen persönlichen Kontakt keineswegs ersetzen, sagt Christoph Seibert, evangelischer Theologe und Religionsphilosoph an der Uni Hamburg. "Es ist schön, wenn sich Taufbewerber mit solchen Texten in ihrer Muttersprache auseinandersetzen. Aber dabei darf es keinesfalls bleiben."
Anerkennungsquote für konvertierte Flüchtlinge gesunken
Gründe für Taufanfragen gibt es viele. Dass Migranten anderer Religionszugehörigkeiten sich dadurch ausschließlich bessere Asylchancen ausrechnen, soll durch die intensive Vorbereitung in den Gemeinden möglichst verhindert werden. Es kann aber auch sein, dass Flüchtlinge bei ihrem Start Hilfe von Ehrenamtlichen bekamen und diese ihren Glauben überzeugend vorlebten. "Was viele anzieht, ist auch der Freiheitsbegriff, den das Christentum postuliert", sagt Andrea Kett vom Bistum Aachen. Dieser gebe den einzelnen Gläubigen eine Mündigkeit, die gerade viele Muslime so nicht kennen. Wieder andere Taufbewerber sind schon in ihrer Heimat mit dem Christentum in Berührung gekommen, hatten dort aber keine Möglichkeit, den Glauben offen zu praktizieren.
Immer wieder passiert es jedoch, dass Fälle von Übertritten zum Christentum vor Gerichten landen, die deren Echtheit prüfen wollen. Dies ist dann der Fall, wenn ursprünglich muslimische Flüchtlinge in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, ihnen dort aber wegen ihres Glaubens nun Verfolgung droht. Der Iran ist hier ein Beispiel. Auch kirchliche Mitarbeiter werden in solchen Fällen richterlich befragt. Der Berliner "Flüchtlingspfarrer" Gottfried Martens etwa musste inzwischen schon häufiger vor Gericht um die Anerkennungen "seiner" Konvertiten kämpfen. Seit 2016 sei die Anerkennungsquote für konvertierte Christen immer weiter gesunken; in Brandenburg auf nahezu null, in Berlin liege sie noch bei zehn Prozent, berichtete Martens Anfang des Jahres dem Radiosender Deutschlandfunk Kultur.
Gegen solche gerichtliche "Glaubenstests" für Flüchtlinge regt sich allerdings Widerstand. "Auf keinen Fall kann der Staat Glauben überprüfen oder die Praktizierung der Religionsfreiheit einschränken", kritisierte der evangelische Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit im April bei einer Tagung zum Thema Konversion. Nur die Kirchen hätten das Recht festzustellen, wer zu ihnen gehöre, so der Bischof des Sprengels Mecklenburg und Pommern der evangelischen Nordkirche. Auch Wissenschaftler Christoph Seibert mahnt an, Richter sollten sich Zeit für eine intensive Prüfung nehmen. Die gesetzlichen Hürden, eine Abschiebung aus Gründen der Religionszugehörigkeit zu verhindern, seien ohnehin hoch: Nur die staatliche Christenverfolgung im Herkunftsland werde berücksichtigt – Mobbing im privaten Umfeld oder Schwierigkeiten bei der Jobsuche fielen dagegen nicht ins Gewicht.
Frisch getaufte Christen oder Taufbewerber aus anderen kulturellen Hintergründen bedeuten für deutsche Kirchengemeinden gleichwohl Integrationsarbeit. Die sei aber keine Einbahnstraße, betont Theologe Seibert. "Natürlich muss sich das neue Gemeindemitglied auf die 'Regeln des Hauses' einlassen, aber die Gemeinde ihrerseits muss auch bereit sein für Veränderungen." Sonst gehe es nicht um eine Integration, sondern eine Assimilation der neuen Gemeindemitglieder. Deren Präsenz ist nach Angaben von Andrea Kett so unterschiedlich wie bei anderen Erwachsenenkatechumenen auch. "Manche kommen immer wieder und engagieren sich – zum Beispiel auch in der Flüchtlingsarbeit –, andere tauchen eben ab", erklärt sie.
So oder so können nicht nur die Taufbewerber, sondern auch die Gemeinden selbst vom gegenseitigen Austausch profitieren. Andrea Kett weist auf einen überdiözesanen Kongress hin, der in Aachen stattfindet. Thema wird dann unter anderem sein, welche Impulse aus dem Flüchtlingskatechumenat auch für die allgemeine Katechese zur Erwachsenentaufe gezogen werden können. "Die Erfahrungen mit Menschen anderer Kulturen werden uns helfen, die teilweise doch schon recht ausgetretenen Pfade zu verlassen", ist sich Kett sicher.