Ob Nonnen Raclette essen und Mönche Feuerwerk anzünden

Beten statt Böllern – So feiern Ordensleute Silvester

Veröffentlicht am 31.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ohne "Dinner for One" und Raclette-Pfännchen ist kein Silvester – zumindest gilt das für viele Menschen. Ordensleute sind da wohl die Ausnahme. Oder wird für eine Nacht die strenge Klosterordnung aufgehoben? Wie erleben Mönche, Nonnen und Ordensleute den Jahreswechsel? Katholisch.de hat nachgefragt.

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Der Jahreswechsel bedeutet für die meisten Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz irgendetwas zwischen Raclette-Eisen, "Dinner for One" und Feuerwerk um null Uhr. Vielleicht geht der eine oder die andere aber auch in eine Jahresabschlussandacht oder besucht die erste heilige Messe in der Neujahrsnacht. Doch insgesamt wird man eher Böller- und Sektkorkenknallen als Orgeltöne hören können. Auch für Mönche, Nonnen und Ordensleute ist die Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar etwas Besonderes. Doch wie erleben sie den Jahreswechsel in ihrer jeweiligen Gemeinschaft?

Zwischen Choral und Donauwalzer

"Unser Kloster ist immer ein Ort der Gastfreundschaft", betont Pater Johannes Paul Chavanne OCist vom Zisterzienserstift Heiligenkreuz im Wienerwald in Österreich. "Es sind ständig Menschen da, die nicht zum engeren Kreis des Konvents gehören." So auch in den Tagen um den Jahreswechsel: Zu den Jugendtagen für 30 bis 40 Jugendliche und junge Erwachsene gibt es ein abwechslungsreiches Programm mit verschiedenen Workshops. "Wir machen eine gemeinsame Wanderung, es gibt Sportangebote, aber auch ein geistliches Programm mit Diskussionen zu kirchlichen Themen oder mit Choralsingen."

Ein weiteres Angebot richtet sich an Jung und Alt. Im Rahmen von "Silvester alternativ" blicken die Mönche zusammen mit den Gästen des Klosters und den Mitgliedern der Pfarrgemeinde der Kreuzkirche auf das vergangene Jahr zurück, beten gemeinsam und feiern anschließend die heilige Messe. Während sich die älteren Mitbrüder dann zurückziehen, bleiben Pater Johannes Paul, einige jüngere Mitbrüder und die Gäste wach. Bis 24:00 Uhr folgt eine Zeit der Anbetung. Dann beginnen die Glocken zu läuten und der eucharistische Segen wird erteilt. "Es gibt ein ganz kleines Feuerwerk und der Donauwalzer wird gespielt. Zu Neujahr ist es hier üblich, dass die Leute Walzer tanzen", sagt Pater Johannes Paul. Zum Abschluss der Neujahrsnacht gibt es im "Klosterstüberl" Gulasch und Bier.

Wenn die Klarissen ein bisschen Lärm machen

Während man in Heiligenkreuz bemüht ist, die Schwelle zwischen Kloster und Welt so niedrig wie möglich zu halten, bleibt die Pforte des Klarissenklosters im niederrheinischen Kevelaer fest verschlossen: Die Schwestern des zweiten Ordens des heiligen Franziskus leben als kontemplativer Orden in strenger Klausur, auch an Silvester wird da keine Ausnahme gemacht. Umso wichtiger sei ihr, dass die Schwestern gemeinsam ins neue Jahr eintreten, sagt Schwester M. Bernadette Bargel OSC. Der Silvesterabend beginnt mit einer Dankesvesper für das verflossene Jahr in der Klosterkirche. Die können auch Menschen "von draußen" besuchen, sonst sei man aber unter sich, sagt Schwester Bernadette. Nach einer Zeit der stillen Anbetung gibt es Abendessen, "traditionell Kartoffelsalat und Würstchen". Die Schwestern haben Zeit sich zu unterhalten oder Spiele zu spielen. Ab 22:00 Uhr ist dann stille Gebetszeit.

Bild: ©photo 5000/fotolia.com

Das Stift Heiligenkreuz ist ein Kloster der Zisterzienser bei Heiligenkreuz im Wienerwald in Niederösterreich.

Um 24:00 Uhr läuten die Glocken. In Kevelaer dürfen die Klarissen nur noch zu Silvester und zu Ostern während des Nachtgebets läuten. "Und das nutzen wir auch aus", sagt Schwester Bernadette lachend. "Dann dürfen auch die Klarissen einmal ein bisschen Lärm machen." Danach beten die Schwestern in Stille bis der Krach des Feuerwerks draußen verebbt ist – das könne zuweilen ganz schön dauern. Aber "damit muss man heute rechnen. Es ist unsere Gesellschaft, die das alte Jahr anders abschließt und das neue Jahr anders begrüßt. Das ist ein krasser Gegensatz." Wenn Ruhe eingekehrt ist, beginnen Schwester Bernadette und ihre Mitschwestern mit der Lesehore das Nachtgebet. "Ich finde es wunderbar, wenn nach dem Lärm draußen auf einmal wieder Stille einkehrt und wir das neue Jahr mit dem Lob Gottes begrüßen können." Am nächsten Morgen geht es mit den Gebetszeiten ganz normal weiter, "das ist eine kurze Nacht, aber das Jahr ist ja noch lang" – genug Zeit, um den verpassten Schlaf der Silvesternacht nachzuholen.

Ein Jahreswechsel nach franziskanischer Art

"Ich will mir in diesen Tagen noch einmal Zeit nehmen, um mich bewusst auf das neue Jahr einstellen zu können.", diesen Satz hört Bruder Harald Weber OFMCap häufig von seinen Gästen. Die Kapuziner in Münster bieten ihren Gästen einen ruhigen Jahreswechsel ohne viel Programm, stattdessen mit viel Zeit für sich selbst oder für Spaziergänge und kleinere Aktivitäten in der Gruppe. Es gehe aber vor allem um das "Mitbeten und Mitleben in unserer Hausgemeinschaft". Und das stößt auf Interesse: "Wir haben 17 Plätze, aber ich könnte 30 oder mehr Menschen hier aufnehmen", sagt Bruder Harald. Schon Mitte Dezember sind die Gästezimmer des Klosters ausgebucht. "Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Weihnachtstage bei vielen schon so überladen sind – das ist bei uns im Kloster ja auch nicht anders." Silvester herrsche am elterlichen Raclette-Eisen oder bei der Organisation der Silvesterparty mit Freunden häufig eine hektische Stimmung.

Dagegen geht es im Kloster stressfreier zu, "ich erlebe es als sehr familiär". Das Abendessen am 31. Dezember ist nach franziskanischer Art einfach, aber "ein bisschen reichhaltiger, weil in den Weihnachtstagen ja alles ein bisschen festlicher ist". Man habe zwar Raclette-Eisen, die stünden aber schon seit einigen Jahren im Keller, weil der Bruder, der sich um sie kümmerte, versetzt worden sei. "Eigentlich könnten wir das mal wieder machen", sagt Bruder Harald und lacht. Hausgemeinschaft und Gäste feiern gemeinsam einen Jahresabschlussgottesdienst. Dann geht es in den Dom, wo bis 24:00 Uhr stille Anbetung ist. "Dann ist Jahreswechsel, doch bevor um 00:30 Uhr die erste Messe im neuen Jahr beginnt, gehen wir schon wieder zurück ins Kloster." Am nächsten Morgen können alle etwas länger schlafen, nach einem Ausklang werden die Gäste verabschiedet.

Bild: ©KNA-Bild

Die Gründerin der Armen Dienstmägde Jesu Christi, Maria Katharina Kasper.

Dernbach – dieses Jahr ist alles anders

Die Armen Dienstmägde Jesu Christi in Dernbach, nordwestlich von Limburg, feiern "normalerweise um 18.00 Uhr einen Jahresabschlussgottesdienst, bei dem Fürbitten als Dank für das vergangene und als Bitte für das kommende Jahr gehalten werden", erzählt Provinzoberin Schwester M. Theresia Winkelhöfer ADJC. Nach dem Abendessen gehe es um 20:00 Uhr in die Klosterkirche, dort verbringen die Schwestern die Zeit bis 24:00 Uhr in stiller Anbetung. Glockenschlag zwölf stimmt die Gemeinschaft "Großer Gott wir loben dich" an. Anschließend geht es ins Foyer des Klosters zu einem kleinen Sektempfang.

Doch dieses Jahr ist alles ein wenig anders "weil Dernbach sein 800-jähriges Bestehen feiert". Deshalb werde das stille Gebet in diesem Jahr nur bis 23:45 Uhr dauern. "Dann gehen alle die können und wollen zum Rathaus." Dafür müssen die Schwestern nur "aus der Tür rausgehen und eine kleine Gasse entlang, dann stehen wir schon auf dem Rathausplatz", denn das Kloster liegt mitten im Dorf. Dort gibt es dann ein Feuerwerk, mit dem das Jahr 2020 begrüßt wird und danach ein Empfang für Ordensschwestern und Dorfbewohner. "Wir unterbrechen unsere eigene Silvestertradition dafür, weil wir als Ordensgemeinschaft ganz stark in die Dorfgemeinschaft integriert sind." Schwester Theresia ist überzeugt: Dernbach wäre nicht das, was es heute sei, wenn es die Ordensgründerin Katharina Kasper (1829-1898) nicht gegeben hätte.

Das alte Jahr buchstäblich ausklingen lassen

Beten und arbeiten. Die Maxime des heiligen Benedikt bestimmt im Kloster Scheyern in Oberbayern jeden Tag – auch den Silvestertag. Erst am Nachmittag wird der gewohnte Rhythmus unterbrochen. "Da gehen wir in eine kleine Forsthütte bei uns im Klosterwald", sagt Pater Lukas Wirth OB. Gäste, die "eigentlich immer da" seien, und Mönche würden dort gemeinsam singen, sich erzählen oder vielleicht das eine oder andere typisch bayerische "Gstanzl", eine Art Spottgesang, zum Besten geben. Zurück im Kloster greift der der mönchische Tagesablauf wieder, zusammen beten die Mönche Vesper und Vigil. Beim Abendessen sei man in Scheyern ganz traditionell südbayerisch: es gibt Weißwürste und Brezeln. Zum Konvent gehört eine eigene Metzgerei, die die Silvesterwürstchen noch am Vormittag frisch herstellt. Denn die Benediktiner wollen sie nicht missen: "Das gehört einfach dazu. Wenn es keine Würstchen geben würde, würde es Beschwerden geben", sagt Pater Lukas.

Bild: ©Fotolia.com/marleym

Das Benediktinerkloster Scheyern in Oberbayern.

Dann kommt die zweite Besonderheit des Tages: Das Silvesterkonzert mit festlicher Orgelmusik. "Da ist die Basilika voll, es kommen ein paar hundert Leute, die das Jahr mit uns ausklingen lassen möchten." Danach hat jeder Mitbruder individuell Zeit, die ältere Generation geht vielleicht auch schon ins Bett. "Wir anderen treffen uns kurz vor Mitternacht in der Klosterkirche und erwarten dort betend das neue Jahr. "Mit dem Glockenschlag um Mitternacht kann jeder eine Kerze anzünden und eine Bitte formulieren." Dann geht man in den Klosterhof hinaus, wünscht sich ein gutes neues Jahr und betrachtet das Feuerwerk im Tal. Es gibt für Mönche und Gäste ein Glas Sekt. Ab 01:00 Uhr klingt der Abend aus, "weil es ja am nächsten Morgen um 06:00 Uhr mit dem Chorgebet weitergeht. Das ist eine kurze Nacht. Kloster ist halt nur was für harte Mönche", sagt Pater Lukas und lacht. Er selbst erlebe den Jahreswechsel als eine stille und inwendigere Zeit. "Der Jahreswechsel für mich ist eine Zeit, die zum Nachdenken einlädt. Man schaut zurück und hoffend oder mit gewissen Ängsten nach vorne. Wobei für uns als Klostergemeinschaft die Hoffnung natürlich überwiegt."

Gemeinschaft ist das Entscheidende

"Silvester passiert ziemlich viel" sagt Schwester M. Ignatia Langela SMMP. Sogar so viel, dass sie in dieser Zeit kaum etwas von ihrer Gemeinschaft, den Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, mitbekommt. Denn Schwester Ignatia ist für das Programm des Bildungshauses der Gemeinschaft verantwortlich – und für dessen Gäste. Jedes Jahr könne man die Zeit vom 21. Dezember bis zum 1. Januar im Bergkloster Bestwig zu verbringen. An Silvester gibt es verschiedene Impulse, um auch unter spirituellen Gesichtspunkten über das vergangene Jahr nachzudenken und sich auf das kommende einzustimmen. Insgesamt handele es sich aber nicht um ein verpflichtendes Programm, sondern Angebote, die die 40 bis 50 Personen wahrnehmen können, aber nicht müssen. Die Gebetszeiten der Schwestern nehme Schwester Ignatia gemeinsam mit den Gästen wahr, vornehmlich sei es jedoch ihre "Aufgabe für die Gäste da zu sein". Denn "es ist ganz wichtig, dass man innerlich versöhnt in das neue Jahr geht, mit sich selbst und anderen und mit Gott versöhnt".

"Es kommen viele alleinstehende Menschen. Insbesondere, wenn sie in diesem Jahr einen lieben Menschen verloren haben", sagt Schwester Ignatia. Gerade Feste wie Weihnachten und Silvester, die traditionell im Kreise von Familie oder Freunden gefeiert werden, sind für diese Personen plötzlich sehr schwierig. "Diese Menschen in der Gruppe aufzufangen ist eine besondere Aufgabe, die interessanterweise aber fast immer gelingt." Gemeinschaft sei das Entscheidende. Nach dem Abendessen und einer Zeit der Rekreation gehe es für anderthalb Stunden in die Krypta. "in der Mitte dieser Zeit stehen ganz persönliche Fürbitten. Bei jeder Bitte wird ein Teelicht angezündet." Diese Teelichter werden dann mit in die dunkle Kirche genommen und vor der Krippe aufgestellt. Nach einer Stunde schweigenden Gebets intoniert die Orgel um 24:00 Uhr das Te Deum. "Das ist ganz ergreifend", findet Schwester Ignatia, "wenn wir dann in der nur von den Kerzen erleuchteten Kirche singen."

Von Cornelius Stiegemann