In nächster Nähe so fern
Viele Zeitgenossen hätten gar keine Vorstellungen mehr davon, was das überhaupt sei, ein Priester. Dabei leitet der 42-jährige Seelsorger die Hochschulgemeinde der Universität Wuppertal. Er arbeitet also in einem Umfeld, das vergleichsweise offen ist für Fragen zu Gott und der Welt.
Die kleine Anekdote aus dem Berufsalltag von Weitz verrät eine ganze Menge über eine Gesellschaft, in der zwar viele auf der Suche sind. Aber weiß Gott nicht alle von ihnen hegen noch die Hoffnung, bei den etablierten Kirchen fündig zu werden. Auch viele von denen, die dem Papier nach Katholiken oder Protestanten sind, lassen sich immer schwerer für die Sache Jesu und die Kirche begeistern.
126.488 Kirchenaustritte im Jahr 2012
Zwar klagen alle großen Organisationen über abnehmendes Engagement, aber unter dem Strich bleiben nackte Zahlen: Besuchte in der katholischen Kirche 1950 jeder Zweite regelmäßig einen Gottesdienst, so ist es mittlerweile ungefähr jeder Achte. Zudem kehren viele Katholiken ihrer Kirche ganz den Rücken. Auch wenn die absoluten Zahlen wieder leicht rückläufig sind: Im Jahr 2011 taten dies exakt 126.488 Menschen.
Für Martin Weitz, der viel mit jüngeren Semestern zu tun hat, heißt das: "Es gibt bei vielen keine eigenen Kirchenerfahrungen mehr, ob positiv oder negativ, an die ich anknüpfen kann." Für Weitz' Kollegen in den klassischen Pfarreien heißt das: Obwohl die Pfarreien durch Zusammenlegungen immer weiter wachsen, wird ihr Publikum immer kleiner - und immer älter. Für beide heißt das: Im Gegenzug wächst die Gruppe der sogenannten Kirchenfernen.
Anschauungsmaterial dafür bietet der Eucharistische Kongress in Köln. Rund 40.000 Teilnehmer, eher in gesetzterem Alter, nehmen an dem bis zum heutigen Sonntag dauernden Katholikentreffen in der Domstadt teil. Verglichen mit den 10.000 Passanten, die zu Spitzenzeiten angeblich pro Stunde über die Hohe Straße, die Einkaufsmeile im Herzen Kölns flanieren, ist das eine überschaubare Größe. Dafür stieg in den fünf Tagen zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass sich die Wege von Kirchgängern und Kirchenfernen kreuzten. Mit Prozessionen, Gesängen oder Gebeten mitten in der City versuchten manche "Kongressler", für die eigene Sache zu werben.
Eucharistie - nicht gerade ein Einsteiger-Thema
Ob dabei tatsächlich Kontakte zustande kamen, ist schwer zu ermitteln. Eucharistie - das ist nicht gerade ein Einsteiger-Thema, wissen auch die Bischöfe, die an dem Treffen teilnahmen. Modernen Menschen falle die Vorstellung schwer, dass sich nach katholischer Auffassung in der Eucharistie Brot und Wein in Leib und Blut Jesu verwandelten, räumte etwa der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck ein. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann sprach von einem "sehr sensiblen und nicht sehr leicht zugänglichen Schwerpunkt".
Niedrigschwellige Angebote lautet die auch auf dem Kongress beschworene Alternative. Für Hochschulpfarrer Martin Weitz kann das schon ein Gespräch bei einer Tasse Kaffee sein - "ohne dass ich gleich mit 'Jesus liebt Dich'-Sprüchen oder frommen Texten um die Ecke komme". Was entgegnet der Seelsorger Kritikern, die diesen Ansatz für zu lax halten? Die stattdessen das Schiff, das sich Gemeinde nennt, bewahren und zur Not mit weniger Mitgliedern durch die Stürme der Zeit navigieren wollen? "Die Verfasstheit der Kirche dient idealerweise dazu, dass sie den Menschen von Gott erzählen kann und nicht, dass sie in ihrer hergebrachten Form besteht." Sagt ein Pfarrer, der viel mit jungen Leuten zu tun hat.