Warum ein Benediktinerpater für den Gemeinderat kandidiert
Warum braucht eine Benediktinerabtei eigentlich einen Vertreter im Gemeinderat? "Das braucht sie natürlich nicht", lacht Pater Christoph Gerhard. Wählen kann man sie im Markt Schwarzach trotzdem. Seit über 100 Jahren kandidieren Mönche der Abtei Münsterschwarzach auf einer eigenen Liste für kommunale Mandate – erfolgreich. Bei der letzten Kommunalwahl, 2014, haben über sechs Prozent für die Liste "Abtei Münsterschwarzach" gestimmt. 133 Stimmen haben Pater Christoph, der als Cellerar die Geschäfte des Klosters führt, in den Gemeinderat gebracht – deutlich mehr als nur die 80 Mönche in der Klostergemeinschaft. "Die Menschen wollen wohl, dass da ein Klosterbruder im Gemeinderat sitzt", sagt der 55-Jährige.
Auch dieses Mal können die Bürger von Schwarzach Benediktiner wählen. Sechs Mönche stehen auf der Liste, zwei Patres und vier Brüder. Hinter der Klosterliste steht zwar die Gemeinschaft der Mönche, es gibt aber keine Wahlempfehlung: "Der Abt stellt sich nicht hin und sagt 'Brüder, wählt den und den'. Jeder Mönch ist seinem Gewissen verpflichtet."
Die Wahlversammlung für die Liste war öffentlich, alle Interessierten konnten mitwählen. "Hochoffiziell und alles korrekt, wie es das bayerische Wahlgesetz verlangt", betont Pater Christoph. Gut die Hälfte der Klostergemeinschaft hat mit abgestimmt. Auch wenn auf der Liste nur Mönche stehen: Es gibt große Ähnlichkeiten zu anderen Kommunalwahllisten. Viel Engagement in der Klosterfeuerwehr, Erfahrung in der Jugendarbeit, ein ehemaliger Pfadfinder, Berufe von der Pforte über Verwaltung bis Elektrowerkstatt. "Aber aktiv in der Dorfseelsorge, das geht nicht", stellt Pater Christoph klar. Als Seelsorger oder gar Pfarrer käme es zu Rollenkonflikten mit dem Mandat im Gemeinderat.
Sachpolitik schlägt Parteipolitik
Zum zweiten Mal ist Pater Christoph Spitzenkandidat der Mönchsliste und hat gute Chancen, wieder die Geschicke seiner Heimatgemeinde mitzugestalten. Wobei: Wörter wie "Spitzenkandidat" passen nicht recht in die Kommunalpolitik im Schwarzacher Becken. Keine 4.000 Menschen wohnen in den sechs Ortsteilen im unterfränkischen Landkreis Kitzingen. "Parteipolitik kommt im Alltag nicht vor", beobachtet Pater Christoph. Wahlkampf gebe es im Dorf bisher nicht. Vier Gruppierungen sind bislang im Gemeinderat vertreten: Die CSU schickt sechs Räte, die "Freien Christlichen Wähler" acht, die SPD und das Kloster je einen. Feste Koalitionen gebe es nicht, höchstens gelegentlich eine gewisse Nähe zur CSU, berichtet der Benediktiner. "Die Abstimmungen laufen oft völlig quer", erzählt er. Sachpolitik schlägt Parteipolitik: "Es wird danach entschieden, was Sache ist und was das Gewissen sagt."
Deshalb können sich die Mönche auch überhaupt nur zur Wahl stellen. Eigentlich verbietet das Kirchenrecht Klerikern öffentliche Ämter, die eine "Teilhabe an der Ausübung weltlicher Gewalt" mit sich bringen. Als Bürgermeister stehen die Mönche daher auch nicht zur Verfügung. Doch als einfaches Ratsmitglied sehen sie keine Konflikte mit dem Kirchenrecht: Schließlich geht es für sie dabei ganz ohne Parteipolitik um Bürgerbeteiligung und Mitverantwortung – gerade als Klostergemeinschaft.
Kommunalpolitik ist oft frustrierend
Die Abtei ist einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region, 300 Menschen arbeiten hier, es gab Zeiten, als die Mehrheit der Münsterschwarzacher Bevölkerung im Kloster war. "Da war es selbstverständlich, dass die Mönche auch politische Verantwortung übernehmen." 1918 kamen die ersten Mönche in den Gemeinderat des damaligen selbständigen Dorfes. Unterbrochen wurde diese Tradition nur durch die Nationalsozialisten, die die Mönche aus dem Gemeinderat entfernten. Auch das ist für Pater Christoph ein Ansporn: "Wir können uns als Gemeinde dezentral selbst verwalten. Das ist doch hundertmal besser als jede Diktatur!"
„Es wird danach entschieden, was Sache ist und was das Gewissen sagt.“
Konkret heißt das: Autobahnausbau und Umgehungsstraßen, Parkplätze und Baugebiete, Hochwasserschutz und Schulen. "Manchmal recht banale Geschichten, mit denen man sich rumschlägt", sagt Pater Christoph fast entschuldigend, weil er nichts Spektakuläres zu berichten hat. Dann fängt er aber an zu erzählen – und aus den recht banalen Geschichten werden wichtige Zukunftsfragen einer kleinen Gemeinde, an denen sich entscheidet, wie lebenswert der ländliche Raum ist. Bürokratie zum Beispiel. Natürlich hat der Cellerar, der die Geschäfte der Abtei und des klostereigenen Verlags leitet, Verständnis für die vielen Regeln, die Gewerbetreibende und Vereine erfüllen müssen. Langsam nehme das aber überhand. "Es wird zu kompliziert, unternehmerisch oder ehrenamtlich tätig zu sein. Das macht die Dörfer kaputt", ist er überzeugt. Das Sterben der Wirtschaften und der kleinen Dorfläden bereitet ihm Sorgen. Zwar konnte ein Discounter angesiedelt werden: Das ist aber nicht dasselbe wie der Dorfladen, wo sich jeder kennt.
Der Gemeinderat kann dabei wenig tun. Vieles wird auf übergeordneter Ebene entschieden. "Das ist für viele frustrierend", berichtet Pater Christoph. "Manche stellen ihr Engagement im Gemeinderat in Frage, weil sie sagen: Wir können ja doch nichts machen!" Ihm selbst ist die kommunale Selbstverwaltung dagegen ein Anliegen. Wo sonst können die Bürger so direkt Verantwortung übernehmen?
Entscheiden mit der Benediktsregel
Der Kiesabbau ist gerade ein wichtiges Thema, bei dem vieles zusammenkommt: Man braucht selbst Rohmaterial für die Bauprojekte, für die Generalsanierung der Schule etwa. Doch die Kiesgruben sorgen dafür, dass immer mehr Seenfläche in der Gemeinde entsteht, weil es kein Füllmaterial an Stelle des Kieses gibt. Also Sand und Kies importieren? "In Indien treiben sie Raubbau an der Natur für unseren Kies. Wollen wir das?", zeigt Pater Christoph auf, wie global Kommunalpolitik sein kann. "Aber andererseits haben wir dann die Grube direkt vor der Nase. Wie entscheide ich mich da?"
„Erreicht die Entscheidung das je heilsamere, das je bessere?“
Bei schwierigen Entscheidungen besinnt sich der Mönch auf die Benediktsregel: "Benedikt hat dem Abt die Frage aufgetragen: Erreicht die Entscheidung das je heilsamere, das je bessere?" Der Blick auf die Geschichte wie die Zukunft hat Tradition bei den Benediktinern. Das ist es auch, was der Mönch in den Gemeinderat bringen will: "Uns ist es wichtig, dass wir auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt sind", erläutert Pater Christoph. Für ihn sei der Horizont viel weiter gespannt als eine Wahlperiode. Was dem Mönch eine Richtschnur ist, gibt auch dem Kommunalpolitiker Maßstäbe an die Hand, um gute Politik zu machen: Haben die Entscheidungen das rechte Maß? Wie ist es mit der Beständigkeit? Bringt eine Entscheidung auf lange Sicht Vorteile? Belastet eine Entscheidung kommende Generationen? Bringt eine Entscheidung Frieden oder Streit in die Gemeinschaft?
Ein Kriterium spielt aber keine Rolle: "Ob es kurzfristig dem Kloster nützt, ist für mich keine Frage", stellt Pater Christoph klar. "Wir wollen eine Dorfentwicklung, wie wir sie auch im Kloster machen: So, dass auch künftige Generationen etwas davon haben."