Hauch von Konklave: Heute wählen die Bischöfe ihren neuen Vorsitzenden
Ein Hauch von Konklave liegt in der Luft, wenn im Erbacher Hof in Mainz die Deutsche Bischofskonferenz zur Frühjahrs-Sitzung zusammenkommt. Seit der überraschenden Ankündigung des Münchner Kardinals Reinhard Marx, kein zweites Mal kandidieren zu wollen, wird unter Deutschlands 23 Millionen Katholiken gerätselt, wen die Bischöfe und Weihbischöfe zum Vorsitzenden wählen werden. Marx hatte in den sechs Jahren seiner Amtszeit einen hohen Bekanntheitsgrad. Als "Rambo mit Kardinalshut" bezeichnete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" unlängst den westfälischen Schmiede-Sohn. Sie spielte damit auf seinen vorpreschenden Führungsstil an und mutmaßte, interner Widerstand habe Marx zum Rückzug bewegt.
Was auch immer die Motive für den Rückzug waren, der Nachfolger steht vor vielen ungelösten Aufgaben. Da ist zunächst die innere Reform der Bischofsversammlung. Sie tagt nach überlieferten Ordnungen, die manchen Jüngeren unzeitgemäß erscheinen. Was vom Vorsitzenden innerhalb der Konferenz an Leitung und Moderation gefordert wird, scheint freilich ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was in einer anderen Institution derzeit gefragt ist: Die Versammlungen des Synodalen Wegs, bei denen Laien, Priester und Bischöfe in aller Offenheit über die Zukunft der Kirche in Deutschland diskutieren, sind ein vielversprechendes, aber auch explosives Format, in dem der künftige Vorsitzende eine wichtige Rolle übernehmen muss.
Schon bei der ersten Synodalversammlung Ende Januar wurde deutlich, dass dieses "Experiment im rechtsfreien Raum" eine Eigendynamik entfaltet, die kluge Interventionen und Moderationen erfordert. Zwar ist der Bischofskonferenz-Vorsitzende – neben dem Präsidenten des Laien-Dachverbandes ZdK und den beiden Sekretären von ZdK und Bischofskonferenz – nur einer von vier Köpfen dieses einzigartigen Gebildes.
Eine Schlüsselfigur nach Rom
Aber er ist zugleich die Schlüsselfigur für die Vermittlung der Vorgänge nach Rom: Denn im Vatikan wird letztlich der Vorsitzende der Bischöfe als der eigentliche Gesprächspartner wahrgenommen – eine Rolle, die bislang Marx durch Sonderkontakte zu Papst Franziskus ausfüllte. Will sein Nachfolger diese Übersetzungsarbeit in Richtung Papst und Weltkirche übernehmen, sollte er in Rom vernetzt oder wenigstens von der Biografie her ein "Römer" sein – mit entsprechenden Mentalitäts- und Sprachkenntnissen.
Diese Voraussetzungen erfüllt nur eine Handvoll Bischöfe. Darunter sind so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Münsteraner Bischof Felix Genn, der Hildesheimer Heiner Wilmer, der Essener Franz-Josef Overbeck, der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der Würzburger Bischof Franz Jung und der designierte Augsburger Bischof Bertram Meier.
Weitere Anforderungen sind die Fähigkeit, zwischen den oft hart aufeinandertreffenden, sehr unterschiedlichen theologischen und kirchenpolitischen Lagern zu vermitteln. Diese Eigenschaft trauen Kenner der Szene nur wenigen zu. Den meisten der "jungen Wilden", die erst im Laufe der vergangenen zwei oder drei Jahre ins Bischofsamt kamen, fehlt die Erfahrung und das "Standing" in der Versammlung, der manche Bischöfe und Weihbischöfe schon seit vielen Jahren angehören.
"Sprechfähig" sein
Gefordert ist zudem die Gabe, im Medienzeitalter überzeugend und "sprechfähig" aufzutreten. Nicht zuletzt dieses Kriterium bescherte Marx vor sechs Jahren eine Mehrheit, denn seine rhetorischen Fähigkeiten standen außer Zweifel. Dies ist eine Eigenschaft, die unter den heutigen Bischöfen vor allem dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf nachgesagt wird – dem allerdings bislang die römische Ader fehlt.
Ein wichtiges Kriterium ist ferner eine "weiße Weste" im früheren Umgang mit Missbrauchsfällen. Langjährige Generalvikare und Personalreferenten, die heute Bischöfe sind, könnten noch "Leichen im Keller" haben, Quereinsteiger sind an der Stelle im Vorteil.
Dass der neue Vorsitzende ein Jüngerer sein muss, damit der von Marx bei seinem Rückzug angekündigte Generationswechsel wirklich vollzogen wird, ist übrigens kein Dogma. Schon bei den letzten Papstwahlen in Rom zeigte sich, dass die Zahl der Lebensjahre letztlich kein entscheidendes Kriterium ist. 2005 wurde ein 79-jähriger gewählt, 2013 war es ein 76-jähriger. Ein spürbarer Wechsel fand vor sieben Jahren dennoch statt.