US-Milliardär kaufte angebliche Bibeldokumente für sein Museum

Qumran-Fragmente erweisen sich als Fälschungen

Veröffentlicht am 16.03.2020 um 14:44 Uhr – Lesedauer: 

Washington ‐ Wie viel Geld Steve Green wirklich für die Textstücke bezahlt hat, ist nicht bekannt. Doch es wird eine Summe in Millionenhöhe gewesen sein. Denn die 2002 auf den Markt gelangten Fragmente waren sehr begehrt – trotz großer Zweifel an ihrer Echtheit.

  • Teilen:

Alle 16 Fragmente der Qumran-Schriftrollen im Washingtoner "Museum of the Bible" sind gefälscht. Das hat eine Untersuchung im Auftrag des Museums ergeben. Laut der Kunstexpertin Colette Loll würde alles darauf hindeuten, dass sie "im 20. Jahrhundert mit der Absicht geschaffen wurden, authentische Fragmente der Schriftrollen vom Toten Meer zu imitieren", berichtet die britische Tageszeitung "The Guardian" am Montag. Im Jahr 2018 hatte eine Analyse durch die deutsche Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) bereits die Authentizität von fünf Fragmenten der Sammlung widerlegt.

Zwischen 1947 und 1956 waren in Höhlen nahe den Ruinen der antiken Siedlung Khirbet Qumran im Westjordanland Schriftrollen gefunden worden. Die authentischen "Schriftrollen vom Toten Meer" oder auch "Qumran-Schriftrollen" entstanden zwischen 250 vor und 40 nach Christus und enthalten die ältesten bekannten Aufzeichnungen der Texte des Alten Testaments. Heute befinden sich die 15.000 Fragmente im "Schrein des Buches" im Jerusalemer Israel-Museum. Sie gehören zu den wichtigsten Zeugnissen des Judentums und frühen Christentums.

Obwohl der Handel mit den Qumran-Fragmenten seit den 1970er Jahren unter Strafe gestellt worden war, gelangten 2002 ungefähr 70 weitere, bis dato unbekannte Fragmente auf den Kunstmarkt. Neben Museen waren die Textstücke insbesondere bei evangelikalen Sammlern in den USA gefragt. Der US-Milliardär Steve Green kaufte zwischen 2009 und 2014 insgesamt 16 der Fragmente. Sie wurden als Herzstück der Sammlung im vom tiefgläubigen Green gegründeten "Museum of the Bible" ausgestellt. Die evangelikale Unternehmerfamilie Green verfügt über die weltweit größte private Sammlung seltener biblischer Texte und Artefakte. In der Vergangenheit standen sie in der Kritik, weil sie am Handel mit gestohlenen archäologischen Fundstücken aus dem Irak beteiligt waren.

Untersuchung mit ernüchterndem Ergebnis

Die Echtheit der Qumran-Fragmente in Greens Museum war von Experten immer wieder angezweifelt worden. Nachdem die Analyse durch das BAM diese Zweifel für fünf Objekte bestätigt hatte, ließ das Bibelmuseum nun alle Textstücke genauer untersuchen – mit ernüchterndem Ergebnis. Anders als die Fragmente der authentischen Qumran-Rollen in Israel, sind die Texte aus Washington nicht auf Pergament, sondern auf künstlich nachgedunkeltes Leder geschrieben worden. In ihrem Bericht stellen die Wissenschaftler die Vermutung auf, dass es sich dabei um Reste antiker römischer Lederschuhe gehandelt haben könnte. Zudem seien die Lederstücke vor dem Beschreiben mit einem tierischen Klebstoff überzogen worden, den es um Christi Geburt noch nicht gegeben habe. Auch die Zusammensetzung der Tinte sei für damalige Verhältnisse ungewöhnlich. "Wir sind der Meinung, dass all diese Methoden mit der ausdrücklichen Absicht zu täuschen angewendet wurden", schreibt Loll im Untersuchungsbericht.

Die Schriftstücke waren noch bis zum Wochenende in der Dauerausstellung des Museums zu sehen. Sie sollen während der Schließung des Hauses aufgrund der Schutzmaßnahmen vor der Verbreitung des Corona-Virus, die am Montag beginnt, entfernt werden. (cst)