Papst betet Kreuzweg mit Texten von Strafgefangenen
Papst Franziskus hat am Karfreitagabend den traditionellen Kreuzweg in Erinnerung an das Leiden Jesu gebetet. Wegen der Corona-Pandemie fand die Feier nicht am römischen Kolosseum, sondern auf dem nahezu menschenleeren Petersplatz statt. Seit 1964 zählte die Zeremonie bei dem antiken Amphitheater für Zehntausende Pilger und Besucher zu den stimmungsvollsten Momenten der römischen Osterfeierlichkeiten.
Texte von Strafgefangenen
Die Texte für den diesjährigen Kreuzweg stammten von Insassen und Mitarbeitern der Haftanstalt "Due Palazzi" in Padua. Die Autoren, die anonym blieben, schilderten anhand der 14 Stationen Jesu von der Verurteilung bis zum Begräbnis ihre persönlichen Erfahrungen mit Schuld und Leiden. Der 83-jährige Franziskus verfolgte die Meditationen von den Stufen des Petersdoms.
Wie bei anderen Feiern dieser Karwoche war das mittelalterliche Kruzifix aus der römischen Kirche San Marcello al Corso ausgestellt. Seit dem Pestjahr 1522 wird es von Gläubigen besonders verehrt.
Je fünf Personen aus der Justizvollzugsanstalt und dem vatikanischen Gesundheitsamt geleiteten ein schlichtes Holzkreuz über die einzelnen Etappen. Fackelschalen markierten den Prozessionsweg. Außer Journalisten an der Absperrung des Petersplatzes wohnten lediglich Obdachlose unter den Kolonnaden der Feier bei. Fernsehanstalten und vatikanische Medien übertrugen die Andacht live.
Papst Franziskus hatte die Gestaltung der Meditationen lange vor der Corona-Krise den Häftlingen und Gefängnismitarbeitern übertragen. In der Vergangenheit drängte das Kirchenoberhaupt immer wieder auf eine Justiz, die eine Wiedereingliederung von Straftätern in den Mittelpunkt stellt, und betonte die Möglichkeit der Vergebung für jeden Menschen.
In der Andacht betete er unter anderem für Personen, die wie Jesus zum Tod verurteilt seien, wie für jene, die den Platz "auf dem höchsten Richterstuhl" einnehmen wollten. Zu den Autoren der persönlichen Zeugnisse gehörten Eltern, die nach der Ermordung ihrer Tochter keinen Frieden finden, eine Mutter, die sich durch ihren straffälligen Sohn der Stigmatisierung ausgesetzt sieht, ein zu lebenslanger Haft Verurteilter, der sich mit seiner Schuld nicht abfinden kann, aber auch ein Priester, der zehn Jahre lang um seinen Freispruch von falschen Anschuldigungen kämpfen musste.
Veränderte Liturgie
Zuvor hatte Franziskus im leeren Petersdom in einer von Stille und Ernst geprägten Feier des Todes Jesu gedacht. Zu Beginn betete er am Boden ausgestreckt vor dem Pestkreuz, das auch später während des Kreuzwegs ausgestellt war. Wegen der Corona-Pandemie fand auch der Gottesdienst im Petersdom praktisch ohne Teilnehmer statt, wurde aber live ins Internet übertragen.
Im Mittelpunkt des Karfreitags steht die Erinnerung an das Leiden Jesu und seinen Tod am Kreuz. Aus Anlass der Corona-Pandemie änderte der Vatikan die Liturgie. In die Reihe der zehn großen Karfreitagsfürbitten wurde eine elfte eingefügt; darin beteten Franziskus und die ganze Kirche um Trost und Kraft für Erkrankte und medizinisches Personal sowie um Frieden für die Verstorbenen. Eine Eucharistiefeier fand an diesem Tag nach katholischer Tradition nicht statt. (gho/KNA)