Wachablösung für Englands ersten schwarzen Erzbischof
Mit 70 Jahren müssen anglikanische Bischöfe üblicherweise ihr Amt niederlegen. Mit Erlaubnis der Queen machte John Tucker Mugabi Sentamu, erster schwarzer Erzbischof in der Geschichte der Kirche von England, noch fast ein Jahr weiter. Nun, drei Tage vor seinem 71. Geburtstag, endet am Sonntag seine Amtszeit. Den Bischofsstab von York gibt er weiter an seinen Nachfolger Stephen Cottrell, der am 9. Juli offiziell antritt.
Seit 2005 leitete Sentamu die zweitwichtigste Diözese Englands. Dabei scheute der 1949 in Uganda Geborene auch plakative Auftritte nicht. 2008 sprang der Erzbischof am Jahrestag der alliierten Landung in der Normandie aus 3.600 Metern Höhe mit dem Fallschirm ab, um Spenden für in Afghanistan verwundete Soldaten aufzubringen. 2006 campierte er aus Solidarität mit den Opfern des Nahost-Konflikts für eine Woche in seiner Kathedrale.
Und Ende 2007 zerschnitt er im Fernsehen seinen weißen Priesterkragen, um gegen das Langzeitregime von Simbabwes Staatspräsident Robert Mugabe zu protestieren. Als früherer Richter in Uganda musste Sentamu in den 70er Jahren vor der Folter Idi Amins fliehen. Er hatte sich geweigert, einen Vetter des Diktators freizusprechen.
Flucht vor der Diktatur
Für solche und andere Aktionen, etwa sein ausgelassenes Tänzchen bei Englands Sieg im WM-Viertelfinale 2018, ist der 1949 in Kampala/Uganda geborene Kirchenführer bekannt und beliebt. Ihn deshalb als Showman zu sehen, wäre freilich ganz verfehlt. Sentamus Stellungnahmen zu sozialen Schieflagen sind ernsthaft und treffend. Seine Fähigkeiten als einer der besten Kenner des anglikanischen Kirchenrechts waren in Zeiten drohender Spaltung unbezahlbar.
Sentamu, sechstes von 13 Kindern und seit 1973 verheiratet, gehört dem evangelikalen Kirchenflügel an. Er befürwortete sowohl das umkämpfte Frauenpriestertum als auch den Einsatz moderner Medien wie des sprachgesteuerten Lautsprechers Alexa zur Missionierung. Oft zelebriert er den Gottesdienst in bunten Gewändern, die an seine afrikanische Heimat erinnern.
Im Sommer 2012 schien für die Buchmacher schon früh klar: Sentamu wird der neue Erzbischof von Canterbury und damit Primas der anglikanischen Staatskirche, so die Quoten der Wettbüros. Tatsächlich schien die damalige Nummer zwei der geborene Nachfolger: intelligent, charismatisch, dynamisch, telegen, als erster Schwarzer so politisch korrekt wie signalstark - und vor allem: bereit für den Job als oberster Repräsentant und Hütehund der zerstrittenen anglikanischen Weltgemeinschaft.
"Zu offenkundig gewollt"
Doch offenbar konnte sich die zuständige "Nominierungskommission der Krone" nicht auf den damals 63-Jährigen einigen. Womöglich habe der gebürtige Ugander Sentamu den Posten "zu offenkundig gewollt", argwöhnten damals Beobachter; andere führten seinen eher wenig diplomatischen Kurs gegenüber Homosexuellen an. Obwohl er auch die großen Auftritte mag, blieb Sentamu als Nummer zwei stets loyal im Schatten des Primas; unter Rowan Williams (2002-2012) ebenso wie unter dem derzeitigen Amtsinhaber Justin Welby.
Im Januar 2015 weihte der erste schwarze Erzbischof der Kirche von England in einer so ernsten wie farbenprächtigen Zeremonie in der Kathedrale von York die erste Bischöfin der englischen Kirchengeschichte, Libby Lane. Sentamu sagte damals, es sei "höchste Zeit für Frauen im Bischofsamt". Schon seit dem frühen Christentum seien Frauen "das Rückgrat der Kirche", "unentdeckt, unbesungen und unschätzbar". Bereits in wenigen Jahren werde man sich fragen, wie man je ohne Bischöfinnen habe auskommen können.
Ende 2017 rückte mit Sarah Mullally erstmals eine Frau in die höchsten Ränge der Kirchenhierarchie vor. Die vormalige Krankenschwester und Bischöfin von Exeter wurde Hauptstadtbischöfin in London und damit die Nummer drei der Kirche von England.
Bei der auf 2021 verschobenen Lambeth-Konferenz, der Weltvollversammlung aller Bischöfe der anglikanischen Gemeinschaft, kann sich Sentamu zurücklehnen. Bei der vergangenen Konferenz 2010 drohte noch die Kirchenspaltung über innerkirchliche Streitthemen wie die Bischofsweihe für Frauen oder den Umgang mit Homosexualität. Der Lotse von damals geht nun von Bord.