Historischer Beleg für Intersexualität in Kirchenbuch gefunden
In Kirchenbüchern aus dem 17. Jahrhundert ist ein Beleg für Intersexualität gefunden worden. Wie das Blog "Württembergische Kirchengeschichte Online" des Archivs der Evangelischen Landeskirche in Württemberg berichtet, habe man einen Eintrag im Taufregister von Peterzell im Schwarzwald über ein Gemeindemitglied gefunden, das zunächst unter einem weiblichen Namen und kurz darauf unter männlichem Namen eingetragen wurde . Das Kind wurde mit dem Taufdatum Palmsonntag, 3. April 1653, aufgenommen. Eine Randbemerkung erläutert den Vorgang. Demzufolge sei "ettlich Tag nach empfangener Tauf mehr männliches alß weibliches Geschlechts gefunden worden", so dass der Name "Anna" durch "Hans Jacob" ersetzt worden sei. Laut Archiv sei dies "ein seltener historischer Beleg für einen Fall von Intersexualität".
Weitere biographische Notizen im Taufregister halten fest, dass Hans Jacob Epting unverheiratet geblieben ist, 28 Jahre lang "Heiligenpfleger", also Verwalter des Kirchenvermögens, in der Gemeinde war und mit 70 Jahren gestorben ist. Auf der Basis dieser Quellenlage kommt das Archiv zu dem Schluss, dass Epting "ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft" war. Anfeindungen gegen ihn seien den Protokollen nicht zu entnehmen. Die Ehelosigkeit sei nicht zwangsläufig auf seine Intersexualität zurückzuführen.
Handhabung im 21. Jahrhundert ähnlich wie im 17. Jahrhundert
Der Begriff Intersexualität bezeichnet biologische Besonderheiten bei der Geschlechtsdifferenzierung. Intersexuelle Menschen weisen weibliche und männliche Merkmale auf. In der heutigen Landeskirche Württemberg gibt es bereits Richtlinien für den Umgang mit intersexuellen und transidenten Menschen. Wie im 17. Jahrhundert wird auch bei einer Änderung von Namen und Geschlechtszuschreibung die Taufe nicht wiederholt, die Taufurkunden und Kirchenbücher aber aktualisiert. Die Taufe werde "auf den Namen des dreieinigen Gottes vollzogen und nicht auf den Namen des Täuflings", heißt es dazu in einer Handreichung der Landeskirche.
In der katholischen Kirche steht eine offizielle Richtlinie für den Umgang mit intersexuellen und transidenten Menschen noch aus. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte jedoch 2017 zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum "Dritten Geschlecht" erklärt: "Wenn bei einem Menschen eine eindeutige Zuordnung zu der binären Einteilung als Frau oder Mann nicht möglich ist, darf er nicht durch rechtliche Vorschriften oder gesellschaftliche Gewohnheiten dazu gezwungen werden, sich entgegen seinen eigenen Empfindungen einem Geschlecht zuzuordnen, das nicht zu ihm passt." (fxn)