Aachener Generalvikar: Kirchturm nicht mehr einzige Bezugsgröße
Der Aachener Generalvikar Andreas Frick spricht sich dafür aus, sich von dem Dorf oder Kirchturm als einziger kirchlicher Bezugsgröße zu lösen. In einem Interview der Aachener Zeitung (Dienstag) zum "Gesprächs- und Veränderungsprozess Heute bei dir" betonte Frick, dass der Begriff von Gemeinde "noch einmal genau anzuschauen" sei: "Wenn wir über pastorale Räume sprechen, fragen wir nach den künftigen Bedingungen für Beteiligung, Eigenverantwortung und Vernetzung und damit letztlich auch Erreichbarkeit und nach Organisationseinheiten und nach Verwaltungsstrukturen." Pfarreigrenzen seien heute vielfach weniger wichtig. Stattdessen seien Nachbarschaften und Begegnungen "Quelle für Engagement, spirituelle Tiefe oder auch Flüchtlingsprojekte". Bereits jetzt gehe er davon aus, dass "nicht einmal zwei Drittel" der "treuen Kirchgänger" ihre Heimat-Pfarrkirche besucht.
In einem Brief an die Kirchengemeinden und Räte hatte der Generalvikar geschrieben, dass es auf allen Ebenen "nicht länger um Besitzstandswahrung oder strukturelle Selbsterhaltung" gehen dürfe. Alle müssten sich die Frage stellen, "was es wert ist, gerettet und für die Zukunft fruchtbar gemacht zu werden". Zudem sollten innovative Entwicklungen gestärkt werden. Für eine Beibehaltung des aktuellen Gesamtangebots der Kirche fehle Personal und Geld, zudem werde manches auch nicht mehr von den Menschen nachgefragt. "Es braucht einen Aufbruch, wenn die Kirche im 21. Jahrhundert relevant bleiben will", so Frick.
Kritik aus Reihen von Priester und Laien
Der Generalvikar geht auch auf Kritik am Veränderungsprozess ein. Der Kritik von Priestern und engagierten Laien hält er entgegen, dass das Bistum Transparenz wolle und gewährleiste. Dazu gebe es "unzählige" Gespräche, Informationsveranstaltungen und Veröffentlichungen: "Das heißt aber nicht jeden Tag und auf Knopfdruck." Es gebe Kritiker, die nur zufrieden seien, wenn hundert Prozent ihrer Kritik und ihrer Forderungen umgesetzt werden. "Das ist weder demokratisch noch kirchlich noch synodal. Das ist ein Irrweg", so Frick weiter. Niemand in der Bistumsleitung wolle einfach nur eigene Vorstellungen durchsetzen, es gebe auch keine fertigen Pläne in der Schublade.
Der Prozess "Heute bei dir" wurde an Silvester 2017 durch den Aachener Bischof Helmut Dieser angekündigt. Der "Gesprächs- und Veränderungsprozess" soll bis zur Aachener Heiligtumswallfahrt 2021 abgeschlossen sein und "mit Gottes Hilfe die Spur weisen, in welche Richtung und mit welchen Zielen und Schritten wir die gesamte Seelsorge unseres Bistums den heutigen Herausforderungen entsprechend verändern werden", so Bischof Dieser bei der Ankündigung des Prozesses.
Zweite Phase des Prozesses beginnt
In einer ersten Phase wurden in verschiedenen Themenforen Anliegen und Einschätzungen im Bistum gesammelt. Die zweite Phase beginnt im August und soll bis Mitte 2021 abgeschlossen sein. Dabei werden acht "Basis-AGs" auf Grundlage der Ergebnisse der ersten Phase Arbeitsaufträge zur Entwicklung der Kirche im Bistum Aachen erfüllen. Themen der Gruppen sind Gottesdienst, Gebet und Katechese, Orte von Kirche, Pastorale Räume, Willkommens- und Kommunikationskultur, Geschlechtersensible Haltung, Diakonische Verantwortung, Leben und Glauben von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie Ehrenamt. Digitalisierung, Ökumene, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit sollen Querschnittsthemen in allen Arbeitsgruppen sein. Die Zusammensetzung der Gruppen wird derzeit festgelegt. (fxn)