AKP veröffentlicht Dossier zur Religionsfreiheit in der Türkei
Nach der internationalen Kritik an der geplanten Umwidmung der Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee hat die türkische Regierungspartei AKP ein Dossier zur Lage der Religionsfreiheit in der Türkei vorgelegt und die Situation im Land darin positiv dargestellt. Wie der vatikanische Nachrichtendienst Fides am Mittwoch berichtete, werden in dem Papier Verbesserungen dokumentiert, die sich laut AKP seit ihrer Machtübernahme vor 18 Jahren für das Leben nichtmuslimischer Glaubensgemeinschaften in der Türkei ergeben haben sollen.
Das in türkischen Medien zitierte Dossier bezieht sich den Angaben zufolge unter anderem auf die staatliche Unterstützung von Schulen und Bildungseinrichtungen in Trägerschaft christlicher Minderheiten und der jüdischen Gemeinde. Deren Schüler seien von der sonst erforderlichen islamischen Religionsprüfung befreit worden und würden zu höheren Studiengängen zugelassen. Außerdem dokumentiert der Bericht laut Fides die Rückgabe von Gebäuden und Grundstücken an nicht-muslimische Religionsgemeinschaften, die nach dem Ende des Osmanischen Reichs vom türkischen Staat beschlagnahmt worden waren, sowie die in den vergangenen Jahren restaurierten und für den Gottesdienst wiedereröffneten Kirchen.
Internationale Kritik an Situation in der Türkei
Der Bericht der AKP steht im Widerspruch zur internationalen Einschätzung der Lage der Religionsfreiheit in der Türkei. Zwar herrscht in dem Land laut Verfassung Religionsfreiheit, Menschenrechtsorganisationen kritisieren aber immer wieder Einschränkungen insbesondere für die christliche Minderheit in der Türkei. So schrieb das katholische Hilfswerk "Kirche in Not" 2018: "Die türkische Gesellschaft unterliegt zunehmend muslimischen Einflüssen und einige führen offensichtlich zu Intoleranz gegenüber Nicht-Muslimen. Kirchen und Synagogen werden regelmäßig bedroht und Nicht-Muslime finden es immer schwieriger, ihrem Glauben in der Öffentlichkeit Ausdruck zu verleihen." Auch der im Juni vorgelegte Lagebericht der Kommission für internationale Religionsfreiheit des US-Außenministeriums (USCIRF) beurteilte die Lage in der Türkei als "besorgniserregend", da die "restriktive und aufdringliche Regierungspolitik" in Bezug auf die religiöse Praxis fortgesetzt worden sei und die Zahl der Fälle von Vandalismus und Gewalt gegen religiöse Minderheiten deutlich zugenommen habe.
Das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei hatte am vergangenen Freitag den bisherigen Status der Hagia Sophia als Museum aufgehoben. Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichnete darauf ein Dekret zur Nutzung des 537 als Kirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs errichteten Gebäudes als Moschee. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen 1453 wurde die Hagia Sophia zur Moschee. Republikgründer Mustafa Kemal "Atatürk" machte sie 1934 zum Museum. Die EU-Bischofskommission (COMECE) äußert sich am Donnerstagabend beunruhigt über die geplante Umwandlung der Hagia Sophia. Der Schritt der türkischen Regierung entferne das Land von Europa und sei "ein Schlag gegen die orthodoxe Kirche und den interreligiösen Dialog", erklärte COMECE-Generalsekretär Manuel Barrios Prieto in Brüssel. Auf diesem Feld habe die Türkei ein "ernstes Problem", so Barrios unter Berufung auf einen EU-Kommissionsbericht von 2019. (stz)
17.07.2020, 12:45 Uhr: ergänzt um die COMECE-Stellungnahme