Blogger: "Auch sperrige Kirchen verdienen eine Würdigung"
Konstantin Manthey geht es wie vielen Menschen: Sieht er eine Kirche, kann er nicht einfach daran vorbeigehen. Ein Blick hinein muss immer sein, allerdings nicht immer zur ungeteilten Freude seiner Familie. Doch die hat sich mit seiner Passion arrangiert. Denn bei Manthey spielt auch immer sein beruflicher Hintergrund eine Rolle: Er arbeitet als Referent bei der Katholischen Akademie in Berlin und bildet unter anderem Kirchenführer aus.
In Berlin-Pankow geboren, dort aufgewachsen und kirchlich sozialisiert, hatte Manthey zunächst einen theologischen Schwerpunkt bis er mit einer Dissertation über Kirchbauten des Architekten Carl Kühn (1873-1942) auf kunstgeschichtlichem Gebiet promovierte. Aus der Arbeit an der Dissertation heraus entwickelte sich dann sein Blog kirchenbauforschung.info, auf dem er in zumeist lockerer Folge Kirchen, Kapellen und andere sakrale Räume vorstellt. Derzeit tut er das sogar täglich, ein Tribut an die Corona-Krise, in der Kirchen für viele Gläubige unerreichbar sind.
Das bedeutet für Manthey eine Menge Arbeit: Pro Kirche braucht er ungefähr drei Stunden. Recherche, Bildbearbeitung und Schreiben nehmen viel Zeit in Anspruch. Wie lange er das täglich durchhält, weiß er noch nicht. 100 sei eine gute Zahl, mutmaßt er, "ein Ende ist aber noch nicht absehbar".
Schwerpunkt ist die Diaspora
Der Schwerpunkt seines Blogs liegt auf der ost- und norddeutschen Diaspora. "Diese Region ist weniger präsent als etwa das Rheinland." Aber wann immer Manthey im Urlaub oder auf Dienstreisen unterwegs ist, nutzt er die Gelegenheit, um sein Kirchenspektrum zu erweitern.
So finden sich Kirchen in ganz Deutschland auf seinem Blog, die Abteikirche Maria Laach ebenso wie St. Stephan in Karlsruhe oder die Asamkirche in München. Aus dem Ausland sind Bauten in Polen, Dänemark und Italien vertreten. Insgesamt sind es bislang rund 200, die neben Architektenporträts oder einzelnen Kunstwerken auf dem Blog vorgestellt werden.
Manthey widmet sich zwar auch den großen und bekannten Bauten, gleich mehrfach etwa der gerade unter heftigen Kontroversen umgebauten Berliner Hedwigskathedrale. Doch zumeist sucht er weniger prominente, im Schatten touristischer Hotspots stehende Kirchen auf und versucht ihre Baugeschichte und die ihnen zu Grunde liegende architektonische Idee nachzuvollziehen.
Manches ist nicht geglückt
"Auch sperrige Kirchen verdienen eine Würdigung", so Manthey, "Kirchen etwa, die stark überbaut wurden und aus heutiger Sicht schlichtweg nicht geglückt sind." Für ihn ist es dennoch wichtig, sich ganz auf den Raum einzulassen. "Kirchenräume erfüllen ja ganz unterschiedliche Bedürfnisse." Wenn sie gut konzipiert seien, seien sie ein Ort, "der mich so annimmt, wie ich bin".
"Sehen, hören, hineinfühlen, spirituell sein" - auf diese Formel bringt es Manthey, auch wenn viele Kirchen aus kunsthistorischer und architektonischer Sicht nicht aus einem Guss seien, gerade im Osten. "In der Nachkriegszeit stellte sich da vor allem die Kostenfrage. Damals gab es viele Flüchtlinge, und man baute nur einfachste Kirchen, Wohnzimmer mit niedriger Decke und dem Charakter eines botanischen Gartens für Hartlaubgewächse", wie der Kunsthistoriker es pointiert formuliert. Und dennoch: "Dann kratzt man nur etwas an der Oberfläche - und plötzlich steckt auch in so einem Bau noch ganz viel drin."
Der Blog
Den Blog von Konstantin Manthey finden Sie hierPersönlich haben ihn besonders die Kirche der Herrnhuter Brüdergemeine in Niesky und die 1914 kurz vor dem Ersten Weltkrieg vollendete Kirche Sankt Joseph in Luckenwalde berührt. "Letztere ist ein gutes Beispiel für viele kulturhistorische Dinge, da sie an der Grenze vom Historismus zur Moderne steht. Außerdem hat sie eine großartige Raumwirkung. Sie zeugt nicht zuletzt von der damaligen Hoffnung, dass alles besser wird." So sei sie deutlich zu groß dimensioniert, da man damals mit einer besseren Entwicklung der im Speckgürtel Berlins liegenden Stadt rechnete.
Ein Nischenthema
Sein Blog kirchenbauforschung.info dient Konstantin Manthey nicht nur als berufliche Visitenkarte. Ihn erreichen aufgrund des Blogs auch immer mehr Tipps für Kirchen, die es zu portraitieren lohnte, und auch Anfragen aus der Fachwelt. Monatlich besuchen seine Seite bis zu 3.000 Interessierte, dennoch bleibt es ein Nischenthema.
In Sachen Hedwigskathedrale hat er im Übrigen eine klare Meinung: "Ich bin für die Neugestaltung und Renovierung, trotz der denkmalpflegerischen Bedenken. Denn es ist die Chance für ein neues katholisches Zentrum in der Mitte der Bundeshauptstadt."