Religionsvertreter fordern harte Strafe für Attentäter von Halle
Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle am Dienstag haben Religionsvertreter eine harte Strafe gefordert. Der Mann solle mit "der ganzen Härte des Gesetzes" bestraft werden, forderte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, in der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Dienstag). Auch sollten die "Untiefen des Hasses" offengelegt werden, in denen sich der Mann im Internet habe radikalisieren können.
Knobloch forderte mehr Demokratiebildung in den Schulen und in den Kindergärten. Sie begrüßte jüngste Gesetzesverschärfungen gegen Hass im Internet. Dennoch gab sie zu bedenken: "Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft haben inzwischen das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen, und ehrlich gesagt kann ich sie verstehen", erklärte Knobloch. "Ein jüdischer Mensch, der in der Stadt als solcher zu erkennen ist, lebt immer noch gefährlich."
Knobloch fordert "deutlich sichtbare Zeichen gegen Antisemitismus"
Während Extremisten die Redefreiheit missbrauchten, um Hass zu verbreiten, sei der Staat machtlos, so Knobloch. Mit jedem Vorfall schwinde das Vertrauen in den jüdischen Gemeinden. "Es müssten jetzt deutlich sichtbare Zeichen gegen Antisemitismus geben von einer Gesellschaft, die versteht, dass sie selbst mit bedroht ist. Das sehen wir aber noch viel zu selten."
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, betonte, er erwarte ebenfalls ein "hartes und wegweisendes" Urteil. "Es sollte deutlich machen, dass Rassismus keine Meinung ist – sondern im schlimmsten Fall tötet", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich wünsche mir dies auch als ein Signal an die Minderheiten und vielfältigen, friedlichen Gruppen in Deutschland." Sie sollten sich in der Demokratie in Deutschland gut aufgehoben und sicher vor solchen Terrorakten fühlen.
"Solche Täter sind in ihrem Hass nur auf maximale Wirkung und Schaden aus"
Für Täter wie den Halle-Amokläufer mache es keinen Unterschied, ob sie Juden oder Muslime treffen, so Mazyek. "Solche Täter sind in ihrem Hass nur auf maximale Wirkung und Schaden aus." Muslime in Deutschland fühlten sich nicht ausreichend von den Sicherheitsbehörden geschützt. Zwar habe sich inzwischen in einigen Bundesländern einiges getan, so Mazyek. "Jedoch passieren weiter fast wöchentlich Angriffe auf Moscheen, wo beispielsweise Schweineköpfe abgelegt, die mit Hakenkreuzen beschmiert, oder wo Fenster und Türen eingeschlagen werden." Ein flächendeckender Schutz von Moscheen über 24 Stunden täglich sei unrealistisch. "Hier sind kluge Analysen und Konzepte gefragt." Manchmal reiche ein besonderer Schutz an Feiertagen oder zum Freitagsgebet.
Rund neun Monate nach dem Anschlag beginnt am Dienstag das Gerichtsverfahren gegen den Angeklagten Stephan B.. Er hatte am 9. Oktober 2019 in Halle eine 40 Jahre alte Passantin und in einem Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann erschossen. Zuvor hatte er vergeblich versucht, die örtliche Synagoge mit Waffengewalt zu stürmen. Dort hatten sich zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zahlreiche Gläubige versammelt. Dem 28-Jährigen werden Mord in zwei Fällen und versuchter Mord in 68 Fällen sowie Volksverhetzung und gefährliche Körperverletzungvorgeworfen. Die Verhandlung findet am Magdeburger Landgericht statt. Das zuständige Oberlandesgericht Naumburg hat 40 Nebenkläger zugelassen und 18 Verhandlungstage angesetzt. (stz/epd/KNA)