"Vage und ungenau"

Erzbischof Schick: Vatikan-Instruktion ist theologisch defizitär

Veröffentlicht am 23.07.2020 um 11:39 Uhr – Lesedauer: 

Bamberg ‐ Mit Bambergs Erzbischof Ludwig Schick kritisiert ein weiterer deutscher Oberhirte die neue Vatikan-Instruktion zu Pfarrgemeinden. Neben einem "großem Manko", das Schaden anrichten könnte, sieht er jedoch auch etwas Positives in dem Dokument.

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Die neue Vatikan-Instruktion zur Zukunft der katholischen Pfarrgemeinden hätte nach Meinung des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick besser nicht veröffentlicht werden sollen. Sie bringe für die Kirche und ihren missionarischen Auftrag "mehr Schaden als Nutzen", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme Schicks. Das Papier sei theologisch defizitär und gehe nicht auf die jeweilige Situation der Kirche vor Ort ein. Dies wäre aber notwendig. Als ein "großes Manko" bemängelt der Erzbischof, dass in dem Papier weder Anlass noch Zweck ausdrücklich genannt würden. "Wozu die Kleruskongregation diese Instruktion herausgegeben hat, wird nirgends deutlich." Dies eröffne "Raum für alle möglichen Spekulationen, die Schaden anrichten".

Für einen Kirchenrechtler "nicht annehmbar" sei, dass das Papier nur an einzelne Vorschriften des kirchlichen Gesetzbuchs von 1983 erinnere, ohne die Lehrentwicklung seither und die konkreten Verhältnisse vor Ort zu berücksichtigen, schreibt der Erzbischof, der selbst promovierter Kirchenrechtler ist. "Vage und ungenau" erinnere die Instruktion in ihrem Hauptteil an Sinn und Zweck der Pfarrei sowie an den Leitungsauftrag der Pfarrer. Der kirchliche Sinn des Dienstamtes der Priester und Pfarrer in den Pfarreien komme aber nicht zum Tragen.

Positiv hält Schick fest, dass laut dem Vatikan-Papier die ganze Kirche und jede Pfarrei missionarisch ausgerichtet sein sollten. "Das entspricht der Intention der Strukturveränderungen im Erzbistum Bamberg und bestärkt unsere Absicht, missionarisch Kirche zu sein." Die Bildung der Seelsorgebereiche sei im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) geschehen, dass die Kirche als Gemeinschaft aller Getauften definiere, heißt es in Schicks Stellungnahme. Außerdem entspreche sie dem Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral "Gemeinsam Kirche sein". Es habe bei den Beratungen der Grundsatz gegolten: "Was alle angeht, muss von allen behandelt und angenommen werden." Daher bestehe für das Erzbistum durch die neue Instruktion kein Handlungsbedarf.

Bischöfliche Kritik und Lob

Nach der am Montag in Rom veröffentlichten Instruktion bleiben Laien von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen hebt der Text die Rolle des Pfarrers hervor. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten sowie anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht das Schreiben direkt. Zahlreiche Kirchenvertreter und Theologen in Deutschland kritisierten das Papier als rückwärtsgewandt. Der Osnabrücker Bischof und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Franz-Josef Bode, bezeichnete das Papier als "starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien". Die Instruktion der Kleruskongregation habe die Bischöfe völlig überrascht, so der stellvertretende DBK-Vorsitzende. Er habe eine vorherige Fühlungnahme mit den Realitäten vor Ort und eine bessere Beachtung der viel beschworenen Synodalität erwartet.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf schrieb in einer Stellungnahme, er könne diesen "Eingriff" in sein bischöfliches Amt "nicht so einfach hinnehmen". Der Pastoraltheologe betonte, nach dem römischen Schreiben sorge er sich "um die vielen (noch) Engagierten". Er betonte: "Bald werden sie genug davon haben, wenn ihr Engagement nur misstrauisch beäugt und von oben herab bewertet wird." Außerdem sorge er sich um die Priester seines Bistums, so der Bischof. "Schon jetzt können wir vakante Stellen nicht besetzen. Viele Priester klagen über Überforderung im Blick auf Verwaltung und Bürokratie." In Zukunft könne es sein, dass sich Pfarrer als Vorsitzende aller Gremien in den jetzigen Strukturen "zu Tode tagen" würden. "Ist das wirklich gewollt?", fragte Kohlgraf. Es scheine ihm auch "widersinnig, jede Zusammenlegung von Pfarreien als Einzelfälle in Rom genehmigen zu lassen".

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hingegen lobte die umstrittene Vatikan-Instruktion. "Ich bin dankbar, dass uns Papst Franziskus mit dieser Handreichung den Weg weist", sagte der Erzbischof. Das Dokument enthalte viele Anregungen für einen missionarischen Aufbruch der Kirche. "Zugleich ruft es uns Grundwahrheiten unseres Glaubens in Erinnerung, die wir gerade in Deutschland vielleicht manchmal aus dem Blick verlieren, wenn wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind." (tmg/KNA)

23.7., 12:05 Uhr: Ergänzt um weitere Aussagen Schicks.