Der Tod des Täufers Johannes
So manche Episoden der Bibel stecken voller Dramatik und erzählen von Ereignissen, wie sie mancher Hollywood-Regisseur nicht besser hätte inszenieren können. Man könnte zum Beispiel an die Geburt Jesu denken, die bis heute in Krippenspielen und Weihnachtskrippen szenisch nachgestellt wird und welche die Herzen der Menschen bewegt. Oder man kann ins Alte Testament schauen und die Geschichte rund um Nabot und Isebel lesen: Im 1. Königebuch wird dort berichtet, wie der König Ahab neidisch auf den Weinberg des Nabot schielt und wie die hinterlistige Königsgattin Isebel geschickt eine Intrige einfädelt, um ihrem Mann diesen neuen Besitz in die Hände zu spielen. Geschichten, die sich um Liebe und Hass drehen, um Streit und Eifersucht und die nicht selten mit dem brutalen Tod eines Protagonisten enden.
Nicht weniger dramatisch jedenfalls ist auch das Lebensende von Johannes dem Täufer. Die Evangelien berichten relativ viel über seine Biographie, sodass sich seine Lebensgeschichte gut nachvollziehen lässt. Lukas erzählt im ersten Kapitel seines Evangeliums von der Geburt des Täufers; Gott selbst hat hier seine Hand im Spiel. Noch im hohen Alter wird Elisabeth schwanger, ihr Mann Zacharias, der nicht glauben kann, was da geschehen ist, muss gar vorerst stumm bleiben. Doch im Angesicht des neugeborenen Kindes löst sich seine Zunge und erfüllt vom Heiligen Geist kann er den Gott Israels preisen, der sich an ihm und seiner Vermählten gnädig erwiesen hat. Freilich passt sich die Vorgeschichte des Täufers bei Lukas ganz und gar in sein erzählerisches Konzept ein, Johannes als Vorläufer Jesu zu kennzeichnen. Die Parallelen zwischen der Verkündigungs- und Geburtserzählung der beiden sind nicht zu überlesen.
Johannes wird als Prophet gezeichnet und zwar nicht als irgendeiner, sondern als der Prophet im Judentum schlechthin: Elija. Das wird schon am Aussehen des Täufers deutlich: Von Elija heißt es, er habe einen "Mantel aus Ziegenhaaren und einen ledernen Gurt um die Hüften" getragen (2 Kön 1,8); Johannes kleidet sich ebenso, er trägt ein "Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig" (Mk 1,6). Die Parallele ist schon allein vom Auftreten her unübersehbar.
Predigten vom Bevorstehenden Gericht und Taufen
Die Botschaft die Johannes bei seiner Tauftätigkeit am Jordan verkündet, ist eine höchst brisante: Die Taufe ist eine "Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden" (Mk 1,4). Johannes predigt das Gericht und zwar als eines, das in unmittelbarer Weise bevorsteht. "Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt" (Mt 3,10) – mit solch radikalen Bildern bringt Johannes das Gericht zum Ausdruck, vor dem es nur noch ein einziges Entrinnen gibt: die Taufe. Die Predigt des anstehenden Gerichts und die Tauftätigkeit sind die beiden zentralen Elemente, die für das Leben des Johannes in den Evangelien überliefert werden.
Höchst dramatisch jedenfalls sind die Umstände, durch die Johannes aus dem Leben scheidet. Sie werden einerseits durch die synoptischen Evangelien überliefert, andererseits findet sich aber auch eine außerbiblische Quelle zum Ableben des Johannes, nämlich in den "Jüdischen Altertümern" des Schriftstellers Flavius Josephus. Während das Lukasevangelium nur erwähnt, dass Johannes von Herodes ins Gefängnis geworfen (Lk 3,20) und von ihm enthauptet wurde (Lk 9,7-9), bieten die andren beiden Synoptiker eine viel umfassendere Perspektive auf die Ereignisse. Markus zum Beispiel erzählt die Enthauptung des Täufers in einer sehr detaillierten Art und fügt sie in eine sehr makabre Episode ein (Mk 6,14-29): Dort heißt es, Herodes Antipas habe Johannes festnehmen lassen, weil dieser sehr offenkundig Kritik an seiner Lebensweise geäußert hatte. Herodes nämlich hatte die Frau seines Bruders Philippus, Herodias, geheiratet, was in den Augen des Täufers gesetzeswidrig war. Fälschlicherweise bezeichnen die Synoptiker Herodias als Gattin des Philippus, historisch richtig war sie aber die Ehefrau des Herodes Boethos, der auch den Beinamen Philippos trug. An der Sache selbst jedoch ändert das wenig: Antipas hatte seine Schwägerin zur Frau genommen, für Johannes den Täufer ein Unding.
Auffallend ist, dass Markus den Schwarzen Peter vor allem Herodias und ihrer Tochter zusteckt. Herodes Antipas selbst, so berichtet es der Evangelist, sei von der Furcht vor Johannes erfüllt gewesen, weil "dieser ein gerechter und heiliger Mann war" (Mk 6,20). Diesem Umstand war es auch geschuldet, dass Herodias auf einen Trick zurückgreifen musste, um Johannes dem Scharfrichter ausliefern zu können: Ihre Tochter betörte Herodes derart, bis dieser versprach, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte. Der Wunsch der Herodias freilich war nicht die Hälfte des Königreiches, sondern der Kopf des Täufers Johannes. Letztendlich blieb Herodes nichts anderes übrig, als seinem Versprechen treu zu bleiben und Johannes köpfen zu lassen. Matthäus, der die Geschichte sehr ähnlich überliefert, fügt gar hinzu, der König sei traurig gewesen ob seines Eides, den er nun einzulösen hatte (vgl. Mt 14,9).
Auch Josephus greift die Grundzüge der Erzählung rund um das grausame Ende des Täufers auf. Bei Josephus freilich laufen die großen Linien anders: Der Bericht über die Tötung des Johannes ist eingegliedert in den Streit, der zwischen dem Nabatäerkönig Aretas IV. und Herodes Antipas entbrennt. Die Ehefrau des Herodes, die er wegen Herodias verstoßen hatte, war nämlich die Tochter des Aretas, der kurzerhand einen Krieg gegen Antipas anzettelte. In diesem Kontext berichtet Josephus von der Hinrichtung des Täufers Johannes. In seinen "Antiquitates Iudaicae" schreibt er: "Manche Juden waren übrigens der Ansicht, der Untergang der Streitmacht des Herodes sei nur dem Zorne Gottes zuzuschreiben, der für die Tötung Johannes des Täufers die gerechte Strafe gefordert habe. Den Letzteren nämlich hatte Herodes hinrichten lassen, obwohl er ein edler Mann war, der die Juden anhielt, nach Vollkommenheit zu streben, indem er sie ermahnte, Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu üben und so zur Taufe zu kommen. (…) Da nun infolge der wunderbaren Anziehungskraft solcher Reden eine gewaltige Menschenmenge zu Johannes strömte, fürchtete Herodes, das Ansehen des Mannes, dessen Rat allgemein befolgt zu werden schien, möchte das Volk zum Aufruhr treiben, und hielt es daher für besser, ihn rechtzeitig aus dem Wege zu räumen (…). Auf diesen Verdacht hin ließ also Herodes den Johannes in Ketten legen, nach der Festung Machaerus bringen (…) und dort hinrichten."
Synoptiker und Josephus stimmen in der Sache überein
In der Sache stimmen Josephus und die Synoptiker überein: Johannes starb eines unnatürlichen Todes, der ihm vom König Herodes Antipas zugefügt worden war. Was die Beweggründe für dieses Todesurteil waren, gehen die Meinungen auseinander: Vielleicht war es – wie die synoptischen Evangelien überliefern – die Kritik des Johannes am Lebensstil des Herodes, vielleicht war es – wie Josephus schreibt – die Angst des Königs, Johannes könnte einen Aufruhr im Volk anzetteln. Vielleicht haben sich die Motive aber auch überschnitten und Herodes konnte durch die Enthauptung des Täufers einen unliebsamen Kritiker und potentiellen Aufrührer aus dem Weg räumen.
Interessant ist, dass Josephus mit der Festung Machaerus, östlich des Toten Meeres im heutigen Jordanien, den Ort der Hinrichtung benennt. Auch der Name des Stieftochter des Herodes wird bei Josephus überliefert: Salome. Der "Tanz der Salome" ist als beliebtes Motiv in der christlichen Ikonographie und Kunst in vielfältiger Weise zu finden. Als der Ort der Bestattung des Leichnams wird übrigens das antike Samaria überliefert; zumindest wird hier seit byzantinischer Zeit der Ort der Beisetzung des Täufers nach seiner Hinrichtung verehrt. Das Haupt des Täufers hingegen wird in der Umayyaden-Moschee im syrischen Damaskus gezeigt.