Wo sich Frauen schon jetzt auf den Diakonat vorbereiten
Es ist ein besonderer Kurs, den 16 Frauen am Freitag im Mutterhaus der Franziskanerinnen von Waldbreitbach (Rheinland-Pfalz) beginnen: eine dreijährige Fortbildung unter dem Titel "Diakonische Leitungsdienste für Frauen". Er soll ihnen die Kompetenzen vermitteln, die es für den Diakonat braucht, falls dieses Weiheamt irgendwann auch für Frauen geöffnet wird. Nach 1999 und 2003 ist es bereits der dritte Diakonatskreis dieser Art, den das "Netzwerk Diakonat der Frau" initiiert hat. Dessen Vorsitzende Irmentraud Kobusch zeigt sich im Interview überzeugt, dass das Projekt in der aktuellen Debatte ein kreatives und konstruktives Zeichen setzt. Der Zeitpunkt für den Start könne dabei nicht günstiger sein.
Frage: Frau Kobusch, Ihr Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen für das Amt der Diakonin vorzubereiten. Haben Sie manchmal Angst, dass Ihre Arbeit umsonst ist?
Kobusch: Nein, habe ich nicht. Als Historikerin weiß ich, dass in der Kirche Erneuerungs- und Veränderungsprozesse lange Zeit brauchen. Ich kann nicht sagen, wann, aber ich bin ganz fest davon überzeugt – so wie alle Frauen und Männer im Netzwerk –, dass die Bemühungen, das Diakonenamt für Frauen zu öffnen, irgendwann Frucht tragen werden. Hoffentlich in nicht zu weit entfernter Zukunft, sonst werden die Ungeduld und der Zorn vieler Frauen sicher noch größer. Aber ich glaube, dass all diese zarten Pflanzen, die in den letzten Jahren gesät wurden, wachsen und dafür sorgen, dass sich etwas verändern wird.
Frage: An wen richtet sich der Kurs ganz konkret?
Kobusch: Wir haben Frauen im Blick, die sich diakonisch engagieren. Wenn man sich anschaut, wer in den Kirchen vor Ort diakonische Tätigkeiten wahrnimmt, etwa den Besuchsdienst oder die ehrenamtliche Caritas-Arbeit, dann sind das Frauen. Zahlreiche Frauen sind als Sozialarbeiterin oder in der Kranken- und Altenpastoral tätig. Und viele von ihnen verspüren eine Berufung zum Diakonat. Wichtig ist uns, dass sie in der Kirche ihre Heimat haben und sich auf einen spirituellen Weg begeben wollen. Wir haben ein intensives Bewerbungsverfahren durchgeführt, und jetzt sind 16 Frauen am Start. Aber es ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass eine Frau nach diesen drei Jahren feststellt, dass das doch nicht ihr Weg ist. Wir wollen, dass Frauen in jedem Fall Kompetenzen erwerben, die sie an vielen Orten von Kirche einsetzen können.
Frage: Ist der Kurs vergleichbar mit dem, den männliche Kandidaten für den Ständigen Diakonat durchlaufen müssen?
Kobusch: In einigen Punkten versuchen wir, eine Vergleichbarkeit herzustellen. Wir haben in der Vorbereitung die unterschiedlichen Diakonenausbildungen in den Diözesen angeschaut. Davon haben wir einiges aufgegriffen, aber natürlich machen wir auch vieles anders, indem wir Frauen auf einen Weg vorbereiten, von dem wir noch nicht wissen, wo er sie hinführt. Wir bewegen uns dabei sehr deutlich im Rahmen des kirchenrechtlich Möglichen. Es gibt keine Kurselemente, bei denen wir auf Handlungen vorbereiten, die männliche Diakone auf Grund ihrer Weihe vornehmen. Wir üben zum Beispiel keine Taufen. Einen starken Fokus legen wir allerdings auf den diakonischen Bereich. Alle Frauen müssen in den drei Jahren ein eigenes diakonisches Projekt durchführen und reflektieren.
Frage: Welches theologische Rüstzeug geben Sie den Teilnehmerinnen mit?
Kobusch: Eine qualifizierte theologische Ausbildung müssen die Teilnehmerinnen mitbringen. In der Fortbildung selbst wird über die drei Jahre hinweg, an jeweils sechs Wochenenden, mit externen Referenten und Referentinnen zu den Grundvollzügen kirchlichen Handelns gearbeitet, sprich Diakonie, Liturgie und Verkündigung. Immer mit dem Blick auf die Bedürfnisse der Menschen von heute, auch derer am Rand oder fern von Kirche. Der Diakonat wird dabei als Parteinahme für die Armen theologisch begründet, Grundlagen einer lebensnahen Verkündigung werden vermittelt und eingeübt und theologische Ansätze für zeitgemäße, diakonische Formen von Liturgie entfaltet.
Frage: Falls es unter den Teilnehmerinnen auch hauptamtliche Mitarbeiterinnen der Kirche gibt – haben die keine Angst, dass sie sich damit etwas zu weit nach vorne wagen und es eventuell Konflikte mit dem Herkunftsbistum gibt?
Kobusch: Wir haben auch Frauen dabei, die hauptamtlich im kirchlichen Dienst arbeiten. Die haben das intensiv reflektiert und sich zu diesem Weg entschlossen. Das zeigt auch, dass sich die Atmosphäre in unserer Kirche beim Thema Frauendiakonat deutlich verändert hat.
Frage: In der Kursbeschreibung heißt es, die Teilnehmerinnen lernen auch, mit der Spannung umzugehen, dass diese Berufung derzeit nicht zur Weihe führt. Was bedeutet das?
Kobusch: Das Herzstück des ganzen Kurses ist es, sich auf einen persönlichen geistlichen Weg zu begeben. Dazu gehört es auch, auch im Hinblick auf die persönliche Reifung, diese Spannung immer wieder neu zu bearbeiten und zu lernen, damit umzugehen. Wir sehen darin auch einen Beitrag zu diesem Weg, den wir als Kirche mit der Forderung nach der Zulassung von Frauen zu den Ämtern gehen: Wir müssen aushalten, dass es in zwei Jahren vielleicht noch nicht soweit ist – ohne der Kirche den Rücken zu kehren oder in zerstörerische Wut und Enttäuschung zu verfallen.
„Wir müssen aushalten, dass es in zwei Jahren vielleicht noch nicht soweit ist – ohne der Kirche den Rücken zu kehren oder in zerstörerische Wut und Enttäuschung zu verfallen.“
Frage: Nun startet der dritte Diakonatskreis; der zweite endete 2006. Wieso dieser lange Abstand?
Kobusch: Nach dem Ende des zweiten Kurses gab es eine Phase des absoluten Stillstands. Da traute sich niemand, die Ämterfrage überhaupt zu stellen. Anfang der 2010er Jahre haben die Frauenverbände die Thematik dann wieder aufgenommen, die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken hat sich 2011 angeschlossen. Damit war das Thema wieder auf der Agenda. Von da an haben wir als Netzwerk überlegt, wie unser Projekt weitergehen kann. Dann gab es eine ganze Reihe von Misserfolgen, und dadurch wurde mir persönlich sehr deutlich, dass uns das etwas sagen will: Da spricht Gottes Geist. Als wir in den vergangenen Jahren einen neuen Anlauf gewagt und unser Konzept überarbeitet haben, lief es plötzlich. Das Frauendiakonat ist wieder im Gespräch, und zwar auf vielen verschiedenen Ebenen der Kirche. Auch die Frage nach den Ämtern und dem Gesicht der Kirche wird neu gestellt. Das Zusammenspiel dieser Faktoren sagt uns: Die Zeit ist reif. Wenn wir gerade jetzt unseren dritten Kurs starten, dann setzen wir in diese Situation hinein ein Zeichen.
Frage: Was gibt Ihnen Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit einen Diakonat der Frau geben wird?
Kobusch: Es gibt von ganz vielen Seiten eine breite Unterstützung. Auf der Amazonas-Synode wurden deutliche Forderungen laut, in den USA haben viele Bischöfe gesagt, sie würden es einrichten, wenn es beschlossen würde. Das Thema wird auch Teil der Debatten des Synodalen Wegs sein. Auch der Vatikan und Papst Franziskus scheinen sich mit dem Frauendiakonat auseinanderzusetzen, schließlich wurde eine zweite Kommission dazu eingerichtet.
Frage: Sehen Sie eine realistische Chance, dass das Frauendiakonat noch im aktuellen Pontifikat eingeführt wird?
Kobusch: Zumindest zeigt die Einrichtung einer zweiten Kommission, dass der Papst das Thema für sich noch nicht als erledigt betrachtet. Von daher habe ich immer noch die Hoffnung, dass sich bei diesem Thema etwas bewegen wird. Allerdings meine ich damit den sakramentalen Diakonat. Alles andere wäre eine fatale Fortschreibung der Diskriminierung von Frauen in der Kirche. Ein irgendwie geartetes "Sonderamt" für Frauen lehne ich leidenschaftlich ab. Ich möchte kein Frauenamt, das sich vom Männeramt unterscheidet. Ich bin fest überzeugt: Wenn Männer und Frauen im gleichen Amt und mit unterschiedlichen Charismen sich miteinander auf den Weg machen, wird das Früchte tragen und auch den Diakonat an sich kreativ verändern.
Frage: Was sagen sie denen, die einen sakramentalen Diakonat der Frau für unmöglich halten oder zumindest skeptisch sind?
Kobusch: Es gibt seit rund 25 Jahren breite Forschungen, die bestätigen, dass es in der Frühzeit der Kirche das Frauendiakonat als Amt gegeben hat, es gibt zahlreiche Weiheformulare, die belegen, dass Frauen mit dem gleichen Ritus wie bei Männern zu Diakoninnen geweiht wurden. Ein historisches Fundament ist also vorhanden. Auch eine Kirchenrechtsänderung unter Papst Benedikt XVI. aus dem Jahr 2009 spielt dem Anliegen in die Karten: Dort wird festgehalten, dass sich der Diakonat deutlich von den anderen beiden Weihestufen unterscheide. Das ist ein strategischer Punkt, an dem man ansetzen kann: Wenn der Diakonat tatsächlich ein qualitativ anderes Amt ist, ist nicht mehr einsehbar, warum das Weiheverbot von Frauen gemäß dem Apostolischen Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" von Johannes Paul II. auch für den Diakonat gelten soll.
Frage: Sie sind Beraterin des Frauenforums beim Synodalen Weg. Wie nehmen Sie dort bislang die Diskussion über das Thema Frauenweihe wahr?
Kobusch: Die Debatte dort befindet sich noch im Anfangsstadium. Aber ich bin nicht allein mit meinem Einsatz. Die Frage nach der Weihe von Frauen muss grundsätzlich gestellt werden, wir sind jedoch gut beraten, wenn wie die Frage nach dem Diakonat der Frau von der nach der Priesterweihe für Frauen trennen und eigenständig behandeln. Die Weihe zu Diakoninnen wäre zumindest mal ein erster Schritt in diese Richtung. Ich glaube, dass wir besonders beim Diakonat, der weltkirchlich betrachtet unterschiedlich verstanden wird, modellhaft ausprobieren können, wie ein partnerschaftliches Miteinander von Männern und Frauen in einem kirchlichen Amt gelingen kann. Der Diakonat ist ja gewissermaßen ein "Experimentierfeld": Es gibt verheiratete Diakone, teilweise im Zivilberuf – da ist die Entwicklung des Amtsverständnisses noch nicht abgeschlossen.
Frage: Streben Sie auch selbst das Diakoninnenamt an?
Kobusch: Ich selbst habe den Kurs bisher nicht gemacht und strebe das Diakoninnenamt auch gar nicht an. Ich sehe meine Aufgabe darin, an dieser Stelle Wegbereiterin zu sein, Anwältin für die Frauen, die diese Berufung in ihrem Herzen spüren und daran seit Jahren schmerzhaft leiden, dass sie sie nicht leben dürfen. Aufgrund meiner langjährigen verbandlichen Tätigkeit bin ich überzeugt, dass die Kirche vor allem in diesem Bereich Veränderungen braucht. Mein eigentlicher Antrieb ist, dazu beizutragen, dass sich unsere Kirche zu einer geschlechtergerechten und diakonischen Kirche erneuert. Für die Zukunft der Kirche halte ich beides nämlich für unabdingbar.