"Der passt in die Welt"
Mit 47 Jahren war er damals der jüngste katholische Bischof in Deutschland. Wenige Monate zuvor - am 3. Juni 1983 - hatte das Mainzer Domkapitel ihn einstimmig und ohne Enthaltungen zum Bischof gewählt. Am 23. Juni erfolgte die Ernennung durch Papst Johannes Paul II. Als Lehmann an diesem Tag in Mainz der Öffentlichkeit vorgestellt wird, formuliert er: "Ich komme gerne, um mit Ihnen allen auf einem altehrwürdigen Stück Boden der europäischen Christenheit den Glauben der Kirche in unverbrüchlicher Treue zu seinen Ursprüngen und zu seiner großen Geschichte, aber auch in Treue zu den Menschen, die hier und heute mit ihren Fragen und Nöten leben, zu bezeugen." Damit hatte Lehmann sein Programm formuliert. Er hält sich bis heute daran.
Amtsverzicht abgelehnt
Entsprechend dem Kirchenrecht bot Lehmann mit Erreichen der Altersgrenze von 75 dem damaligen Papst Benedikt XVI. seinen Verzicht auf das Amt des Bischofs von Mainz an. Benedikt lehnte aber ab und bat Lehmann, im Bischofsamt zu verbleiben, "bis auf andere Weise Vorsorge getroffen wird".
Das ist jetzt weit mehr als zwei Jahre her. Aber schon damals wusste Lehmann: "Der Countdown läuft." In der katholischen Kirche nämlich ist für alle Amtsinhaber - den Papst ausgenommen - spätestens mit Vollendung des 80. Lebensjahres Schluss. Das sei, so Lehmann, ein "absolut eisernes Gesetz".
21 Jahre Vorsitzender der Bischofskonferenz
Der Kardinal, der am 10. Oktober den 50. Jahrestag seiner Weihe zum Priester begehen kann, wurde in Sigmaringen geboren. Von seinem Elternhaus sagt er, es sei in nüchterner Weise fromm, aber nie bigott gewesen. Lehmann studierte Philosophie und Theologie in Freiburg und Rom. Er war Assistent des 1984 gestorbenen renommierten Theologen Karl Rahner, lehrte und forschte als Theologieprofessor zunächst in Mainz, dann in Freiburg, bevor er Bischof von Mainz wurde. Sein bischöflicher Wahlspruch lautet "State in fide" - Steht fest im Glauben.
Gerade einmal vier Jahre war Lehmann Bischof von Mainz, da wählte ihn - im September 1987 - die Bischofskonferenz zu ihrem Vorsitzenden. Das tat sie dann noch weitere drei Mal, zuletzt im September 2005. Viele inner- wie außerhalb der katholischen Kirche konnten sich nicht vorstellen, dass der "Lotse", der "Prellbock", die "Stimme der deutschen Katholiken" einmal nicht mehr an der Spitze der Bischofskonferenz stünde. Am 18. Februar 2008 aber war es soweit. Mit Rücksicht auf seine Gesundheit legte Lehmann den Konferenzvorsitz nach fast 21 Jahren nieder. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er "noch einige Jahre" seinem Bistum dienen wolle.
Einer der wichtigsten Theologen der Gegenwart
Auch in der Bischofskonferenz spielt der Kardinal nach wie vor eine zentrale Rolle - und das nicht nur, weil er Vorsitzender der wichtigen Glaubenskommission ist. Lehmann ist einer der wichtigsten Theologen der Gegenwart, hat nicht nur in Sachen Theologie etwas zu sagen. Er steht für ein weltoffenes, lebensbejahendes Christentum und für ökumenische Offenheit. Von seiner Kirche erwartet er sowohl Dialogbereitschaft als auch Widerständigkeit. Und was den Glauben angeht, so weiß Lehmann: "Der Glaube ist ein Gehorsam, der wenigstens potenziell mit der menschlichen Vernunft übereinstimmen muss."
Als Lehmann 2001 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal erhoben wurde, galt dies als Sensation. Schließlich hatte es in den Jahren zuvor Meinungsverschiedenheiten mit Rom gegeben, nicht zuletzt in Sachen Schwangeren-Konfliktberatung und in der Frage einer Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion. Umso größer war bei vielen die Freude über seine Kardinalserhebung. Bei den Mainzer Feierlichkeiten zu seiner Kardinalserhebung zitierte Lehmann vor mehreren Tausend Menschen den heiligen Augustinus: "Für Euch nämlich bin ich Bischof, mit Euch bin ich Christ."
Von Peter de Groot (KNA)