Deutsche Bischöfe streiten offen über Reformen: Wer zu spät kommt...
Die Zeiten haben sich geändert – und vielleicht auch das Selbstverständnis. Im Rahmen des Synodalen Wegs jedenfalls, jenes Reformprozesses, mit dem die katholische Kirche in Deutschland nach dem Missbrauchsskandal neues Vertrauen gewinnen will, prallen die Meinungen auch öffentlich aufeinander.
Wie in diesen Tagen vor der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda: Dort wollen die 69 Bischöfe ab Dienstag abstecken, welchen Kurs sie als Konferenz in den heiklen Debatten über Macht, Sexualmoral, priesterliches Leben und Rolle der Frauen verfolgen wollen.
In den vergangenen Tagen hat sich die Debattenlage verschärft: Auf der Seite der Reform-Kritiker steht, keine Überraschung, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Er hatte von Anbeginn die Sorge formuliert, dass mit dem Synodalen Weg "quasi ein protestantisches Kirchenparlament" entstehe. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) stellte Woelki weitere Warnschilder auf: Der Reformdialog dürfte nicht in eine Spaltung oder eine "deutsche Nationalkirche" führen. Auch beim Thema Frauenweihe sieht Woelki keinen Spielraum: "Denn diese Frage ist definitiv mit höchster Lehrautorität entschieden worden durch Papst Johannes Paul II", sagte er mit Blick auf eine Priesterweihe von Frauen.
Andere Ansichten innerhalb der Bischofskonferenz
Dass manche Bischöfe das anders sehen, ist kein Geheimnis: Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode beispielsweise ließ mehrfach durchblicken, dass er die Debatte nicht für abgeschlossen hält. Wenn er für einen Tag Papst wäre, würde er die Diskussion um eine Weihe von Frauen noch einmal neu entfachen, sagte er im April. Überraschend an der jetzigen Debatte ist, wie deutlich der im März neu gewählte Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, andere Akzente setzt als Woelki.
Bätzing, der einen moderierenden Führungsstil an der Spitze der Konferenz angekündigt hatte, fand am Freitag klare Worte: Nein, es drohe keine Spaltung und keine Nationalkirche, sagte er dem Bonner "General-Anzeiger". Und im Deutschlandfunk bekundete er, dass er die Debatte über die Weihe von Frauen keineswegs für abgeschlossen hält. "Wenn man Zeiten verpasst, um bestimmte Entscheidungen zu treffen, hat das zum Teil verheerende Auswirkungen", begründete er seine Position zur Diakoninnenweihe mit Worten, die an Gorbatschows berühmtes "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" erinnern. Die Kirche habe schon viele Gruppierungen verloren. Es bestehe die Gefahr, dass jetzt die Frauen auf Distanz gingen.
Wie stark wiegt die Tradition und vermeintliche Wahrheit? Und wie stark kann die Kirche auf neue Entwicklungen reagieren? Der Passauer Bischof Stefan Oster etwa formuliert die Sorge, dass hinter Diskussionen um Zölibat, Frauenweihe oder Sexualmoral der Wunsch stehe, die Lehre an die moderne Gesellschaft anzupassen. Entscheidend sei demgegenüber ein "Gang in eine Sammlung nach innen, in eine Stärkung erneuerter christlicher Identität".
"Das Feuer, auf dem die Suppe des Synodalen Weges gekocht werden soll"
Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer warnt vor Anpassung: "Von gewissen Pressure-Groups wird, mit kräftiger Unterstützung der führenden Medien in unserem Land, die Anpassung der katholischen Kirche und ihrer sakramentalen Struktur an die Plausibilitäten eines vermeintlich aufgeklärten Mainstreams gefordert", sagte er zu Jahresbeginn. Die Empörung über die Missbrauchsfälle sei "das Feuer, auf dem die Suppe des Synodalen Weges gekocht werden soll".
Anders sieht das etwa der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Viele kirchliche Lehren seien auch für gläubige Katholiken kaum noch plausibel, sagt er. Und warnt zugleich davor, den Begriff "Evangelisierung" zu einem Kampfbegriff in der Reformdebatte zu machen. "Es ist unstreitig, dass die Evangelisierung Kernaufgabe der Kirche ist." Allerdings könne die Kirche auf den Missbrauchsskandal nicht mit einer Evangelisierungsinitiative antworten. Es sei klar, dass die Fragen nach Macht, Sexualmoral, priesterlicher Lebensform und der Rolle der Frau nicht mehr ausgeklammert werden könnten.