Buch des Journalisten Joachim Frank will die Kirche "kurieren"

Der ängstliche Patient

Veröffentlicht am 08.10.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Bücher

Köln ‐ Papst Franziskus, Franziskus, immer wieder Franziskus. Hinweise auf den Mann, den es vom "Ende der Welt" an die Spitze der katholischen Weltkirche katapultierte, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Kardinalsrot auch das Cover. "Wie kurieren wir die Kirche?", fragt der Journalist Joachim Frank im Titel. Und liefert neben (s)einer Diagnose eine Reihe mehr oder weniger neuer Therapievorschläge.

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Das Besondere: Jedes Themenfeld besteht aus zwei Teilen - einem kommentierenden Text des Autors und einem Interview. Darin schildern die Befragten zum Teil sehr persönliche Erfahrungen mit der Kirche. Zu Wort kommen die frühere evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann, der Orientalist Navid Kermani, Ex-Ministerin Annette Schavan, Professoren, Journalisten, die Leiterin einer Schlafstelle für Obdachlose...

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sagt mit Blick auf den Pflichtzölibat für katholische Priester frank und frei: "Eine Kirche wird nur das retten, was die Menschen auf Dauer annehmen und verstehen." Eine Formel für Reformen? In anderem Zusammenhang, aber mit ähnlicher Begründung kritisiert der Theologe Frank: Die Glaubwürdigkeit der gesamten kirchlichen Sexualmoral "ist faktisch verspielt, wenn eine überwältigende Mehrheit selbst der praktizierenden Katholiken sie für irrelevant erklärt".

Reizthemen der Moral

Das Paradoxe: "Die Kirche verfehlt ihre Bestimmung, wenn sie vor allem moralisch auftritt." Das schärfen Autor und Gesprächspartner dem Leser immer wieder ein. Trotzdem widmet sich der Band ausführlich den kirchlichen Reizthemen wie Sex, Zölibat, Scheidung, Homosexualität und Priesterinnen.

Sicher, nach einer österreichischen Studie verliert die Kirche vor allem junge, gebildete Frauen unter 40. Aber stimmt deshalb der Umkehrschluss von Herausgeber Alfred Neven DuMont?: "Katholische Priesterinnen wären ein unglaublich kraftvolles Signal der Kirche in die Welt. Und vor allem würden sie junge Menschen wieder in die Kirchen ziehen." Der Gottesdienstbesuch in evangelischen Kirchen untermauert diese These nicht - trotz aller Pfarrerinnen dort.

Das Ziel: Joachim Frank will nach eigenen Worten dazu beitragen, dass die Leser stärker dank der Kirche an Gott glauben - und weniger trotz der Kirche. Diese Botschaft klingt bereits in der "Wir"-Formulierung des Titels an und hat einen Hintergrund: Vor seiner Zeit als Journalist empfing Frank die Priesterweihe und arbeitete im kirchlichen Dienst. Dann die Laisierung durch den Papst. Heute ist Frank Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe, zu der unter anderem die "Berliner Zeitung", der "Kölner Stadt-Anzeiger" und die "Mitteldeutsche Zeitung" gehören. Als gut vernetzter, kritischer Journalist, der Kirchenthemen zu seinen Schwerpunkten zählt, hat er sich einen Namen gemacht.

Therapie aus Glaubwürdigkeit, Realitätssinn und Bescheidenheit

Nun fordert der wortgewandte Redakteur mit kurzen Locken und Dreitagebart die Kirchenoberen zum verstärkten Dialog auf - mit Vertretern aus Medien, Kunst und ja, auch der Politik. Ihre Tipps könnten die Kirche wieder auf die Beine bringen. Hier und da zeichnet Frank das Bild eines ängstlichen Patienten, der einfach mehr auf seine diversen Ärzte und Apotheker hören soll - und alles wird gut.

Das Rezept: Im Kern empfiehlt das Buch eine Drei-Elemente-Therapie, bestehend aus Glaubwürdigkeit, Realitätssinn und Bescheidenheit: "Mit der Glaubwürdigkeit der Kirche steht und fällt der Wert des Glaubens, den sie verkündet." Frank warnt davor, den "eigentlichen" Glauben auszuspielen gegen das äußere Erscheinungsbild der Kirche. Dabei argumentiert der Autor kenntnisreich und auch bei Reizthemen differenziert: "Einerseits gehen die Menschen heute ungezwungener und unverkrampfter mit ihrer Sexualität um. Andererseits sind die Verletzungen, die sie einander zufügen, dadurch keineswegs geringer geworden."

Nicht alle Vorschläge sind neu und die eine oder andere Kürzung hätte dem Buch gutgetan, etwa bei detaillierten Exkursen zur römischen Kurie. Insgesamt aber hat Frank viele Mosaiksteine zusammengetragen und daraus ein anschauliches, kritisches und lebensnahes Gesamtbild entstehen lassen.

Von Thomas Winkel (KNA)

Hinweis:

Joachim Frank: "Wie kurieren wir die Kirche? Katholisch sein im 21. Jahrhundert", herausgegeben von Alfred Neven DuMont, 288 Seiten, 19,99 Euro. Lieferbar ab 8. Oktober.