Kontroverse Kunst: Johannes Paul II. zerschmettert vergiftete Quelle
Papst Johannes Paul II. schleudert einen Felsbrocken in ein Meer von blutrotem Wasser. Dieses Werk des polnischen Künstlers Jerzy Kalina ist derzeit im Warschauer Nationalmuseum zu sehen. "Vergiftete Quelle" heißt die kontroverse Installation, die die Konfrontation zwischen Papst und kommunistischem Regime symbolisieren soll – und ein Statement des Künstlers gegen LGBT-Menschen ist.
Die Papststatue anlässlich des 100. Geburtstags Johannes Pauls II. nimmt Bezug auf ein älteres Werk von Maurizio Cattelan, das vor 20 Jahren für Aufregung in Polen gesorgt hatte: Ebenfalls Johannes Paul II., aber am Boden, von einem Meteoriten zu Fall gebracht. Cattelans Werk war als antikatholisch interpretiert worden, die für die Ausstellung in Warschau verantwortliche Museumsdirektorin musste wegen des Werkes ihren Posten räumen.
Bewusst setzt Kalina seinen starken Papst dagegen. "Ich habe jetzt Cattelans Papst, der von einem Felsbrocken erdrückt wird, eine Figur eines starken Papstes gegenübergestellt, eines starken Mannes, der den Felsen über seine Schultern stemmt, im Begriff, ihn in eine vergiftete Quelle zu werfen", gab der Künstler der Nachrichtenagentur AP gegenüber zu Protokoll. Die Statue sei eine Warnung vor "vielfachen Formen der roten Revolution" und ein Aufruf, zur "reinen Quelle" des polnischen Katholizismus zurückzukehren. Im Gespräch mit dem polnischen Onlinemagazin Onet interpretiert er sein Werk als "Warnung an LGBT-Menschen": Immer noch seien die Kommunisten in Polen zugange. "Aus den roten Fahnen sind Regenbogenfahnen geworden", so der Künstler, der auch das Denkmal für die Opfer des Flugzeugabsturzes bei Smolensk im Jahr 2010 gestaltet hatte. Unter den Opfern war unter anderem der polnische Staatspräsident Lech Kaczyński.
Kunstkritiker wenig begeistert, Twitter voll von Spott
Das Museum interpretiert die Statue zurückhaltender. "Der Künstler nimmt den Papst als Mann wahr, der eine entscheidende Rolle in der jüngeren Geschichte Polens und Europas gespielt hat", heißt es auf der Webseite des Nationalmuseums: "Er hat einen Prozess historischer, sozialer und geistlicher Transformation eingeleitet."
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Kunstkritiker reagierten wenig begeistert auf die Statue. "Es ist peinlich, dass sich Kalina für so eine schlechte Skulptur nicht schämt", zitiert Onet den bekannten Kulturjournalisten Bogusław Deptuła. Der Papst sehe nicht wie ein Heiliger aus, wenn er einen Felsen schleudert: "Dann sieht er bald eher wie ein Metzger in blutbespritzter Soutane aus." Deptuła bemerkt auch, dass der Papst große Verdienste bei der Überwindung des Kommunismus hatte. "Aber man sollte doch zur Kenntnis nehmen, dass Johannes Paul II. mit Kommunisten gesprochen und nicht Steine auf sie geworfen hat." Der Warschauer Weihbischof Michał Janocha dagegen würdigte das Kunstwerk bei der Eröffnung: "Kalina greift wichtige und ernste Themen auf. Dabei greift er auch zum Mittel der Provokation, um verlorenen Sinn wiederherzustellen und grundlegende Fragen aufzuwerfen", zitierte ihn die polnische katholische Nachrichtenagentur KAI.
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Fabio Cavallucci, der ehemalige Direktor des Zentrums für zeitgenössische Kunst in Warschau, sieht in dem Werk eine "Geste des Rückzugskampfes". Seine Ausdruckskraft schöpfe es aus dem Bezug auf Cattelans früheres Werk. "Ohne Leonardo hätte auch Duchamps nicht der Mona Lisa einen Schnurrbart anstecken können", so Cavallucci. "Nun ist aber Cattelan kein Leonardo und Kalina kein Duchamps." Außerdem habe Kalina Cattelans Papst-Figur falsch verstanden: "Ihm ging es darum, die Sterblichkeit und das Leiden von Menschen darzustellen, wie das Bild Christi am Kreuz."
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Online fällt die Kritik weniger intellektuell, aber ebenso deutlich aus: Seit der Enthüllung des Kunstwerks in der vergangenen Woche überschlagen sich Kommentatoren mit Bildmontagen, die die Statue in immer absurderen Variationen zeigen: Als Riese, vor dem winzige Menschen fliehend oder in einem Flugzeug beim Versuch, den Felsbrocken im Gepäckfach zu verstauen. Manche meinen sogar ein Plagiat des Comics "Kajko i Kokosz", einer Art "polnisches Asterix und Obelix", zu erkennen.
Das kontroverse Kunstwerk soll noch eine Weile in Warschau zu sehen sein. "Bis die vergiftete Quelle zufriert", sagt ihr Schöpfer.