Freiwilliges Ordensjahr: "Ich fühle mich wie ein Teil dieser Familie"
Seit rund sieben Monaten lebt Salvina Höfler im Konvent der Clemensschwestern in Münster. Die 28-Jährige, die in Schwaben geboren wurde und zuletzt in Recklinghausen gewohnt hat, gab dafür ihren Job als Tagesmutter auf und zog mit nicht viel mehr als einem Rucksack in das Kloster ein. Im März endet das Probe-Klosterleben für sie. Für die Zeit danach hat die junge Frau aber schon eine Tendenz.
Frage: Frau Höfler, wie kommt man als 28-Jährige dazu, den Job zu kündigen und für ein Jahr ins Kloster zu ziehen?
Höfler: Angefangen hat das vor einem Jahr. Ich wollte irgendwo in Ruhe Urlaub machen. Mein Papa hat dann scherzhaft gesagt: "Geh doch ins Kloster, da hast du deine Ruhe." Das hat mich nicht mehr losgelassen. Ich wollte das ausprobieren und bin auf die Internetseite der Clemensschwestern in Münster gestoßen. Nach einer spontanen Nachfrage konnte ich für vier Tage ins Kloster gehen. Die Ruhe, die Aufmerksamkeit und die freundliche Art der Schwestern hat mir so gutgetan und gefallen, dass ich danach häufiger für ein Wochenende ins Kloster gegangen bin. Mit jeder Abreise wurde das Gefühl in mir aber stärker, dass ich eigentlich lieber hierbleiben wollte. Irgendwann habe ich das angesprochen, und dann haben die Schwestern mir das "Freiwillige Ordensjahr" angeboten. Da habe ich mir gesagt: Ich bin noch jung, ich habe noch so viele Möglichkeiten und diese Erfahrung ist es einfach wert, Haushalt und Job aufzugeben und sozusagen einen Neustart zu wagen.
Frage: Ist Ihnen dieser Neustart schwergefallen?
Höfler: Es tat irgendwie gut, meine Sachen zu verkaufen und zu überlegen, was ich wirklich brauche und mitnehme. Am Ende ist ein 90-Liter-Rucksack und eine Yoga-Matte übriggeblieben. Damit bin ich dann umgezogen. Schwerer fiel mir das mit der Arbeit: Ich war selbstständig als Tagesmutter und hatte mit einer Kollegin eine eigene Großtagespflege. Ich hatte mir also schon etwas aufgebaut. Aber die Entscheidung stand fest und die Überzeugung, dass das der richtige Schritt ist, hat letztlich gesiegt.
Frage: In einem Interview haben Sie gesagt, dass Sie noch nicht wissen, was der Glaube Ihnen bedeutet und dass Sie das im Kloster herausfinden möchten. Ist ein Kloster dafür überhaupt der richtige Ort?
Höfler: Wenn nicht hier, wo dann? Der Glaube und der ganze liturgische Tagesablauf werden hier viel intensiver gelebt als draußen, wo man vielleicht einmal in der Woche zur Sonntagsmesse geht und abends ein Tischgebet spricht. Wenn man hier gemeinsam mit den Schwestern betet, hat das noch viel mehr Kraft, als wenn man das alleine tut. Ich sehe das für mich auch als Intensivkurs. Ich bin zwar katholisch getauft und aufgewachsen, ab einem gewissen Punkt ging das bei uns in der Familie aber verloren, weil meine Eltern selbst nicht gläubig sind und das auch nicht weitervermitteln konnten. In den letzten Jahren ist in mir dann der Wunsch nach Gemeinschaft und nach Glaube gewachsen. In der örtlichen katholischen Gemeinde habe ich als Außenstehende aber nur schwer Anschluss gefunden.
Frage: Die Ordensschwestern im Kloster sind doch sicherlich auch eine sehr eingeschworene Gemeinschaft. Ist es da denn leichter als in einer Gemeinde, Anschluss zu finden?
Höfler: Ja! Die Ordensschwestern hier sehen sich als eine große Familie. Wenn da jemand von außen dazukommt, wird er in die Familie aufgenommen. Das ist anders als in einer Gemeinde, wo jeder sein eigenes Leben lebt und alle einmal in der Woche zusammenkommen. Hier kann man sich nicht aus dem Weg gehen, sondern lebt miteinander. Ich fühle mich wie ein Teil dieser Familie – und so verhalten die Schwestern sich mir gegenüber auch.
Frage: Stichwort Familie: Wie waren denn die Rückmeldungen von Ihren Eltern auf Ihre Entscheidung, für ein Jahr im Kloster zu leben?
Höfler: Im ersten Moment haben meine Eltern das gar nicht so ernst genommen, glaube ich. Erst als ich meinen Job aufgegeben und meine Wohnung aufgelöst habe, wurde ihnen klar, dass ich diese Erfahrung unbedingt machen möchte. Für sie war das natürlich ein Schock: Dass die Tochter gläubig wird, haben sie akzeptiert. Aber beim Schritt ins Kloster kam dann die Sorge, was das überhaupt für eine Gemeinschaft ist, mit was ich konfrontiert werde und ob wir überhaupt noch Kontakt haben dürfen. Nachdem ich die ersten Sorgen beruhigen und viele Fragen klären konnte, wissen sie jetzt, dass es mir gut geht und haben Verständnis für meine Entscheidung. Nicht nur ich habe jetzt ein Jahr Zeit, mir das Ordensleben genauer anzuschauen, meine Eltern und Geschwister haben jetzt auch Zeit, sich damit anzufreunden.
Frage: Wie war das bei Ihren Freunden? Welche Rückmeldungen haben Sie von denen bekommen?
Höfler: Da war es durchweg positiv. Die haben mich oft erlebt, wenn ich abgearbeitet war und dann für ein Wochenende ins Kloster gegangen bin. Die haben gemerkt, dass mein Akku danach wieder zu 100 Prozent aufgeladen und ich viel ruhiger und ausgeglichener war. Darum haben sie gesagt: "Probier das doch mal aus, das scheint wirklich das Richtige für dich zu sein."
Frage: Fehlt Ihnen im Kloster manchmal der Austausch mit Menschen in Ihrem Alter?
Höfler: Der Altersdurchschnitt der Schwestern hier im Kloster ist tatsächlich ziemlich hoch (lacht). Ich wohne im Noviziatshaus neben dem Mutterhaus. Hier lebt auch eine Mitschwester, die Mitte 30 ist. Mit ihr verstehe ich mich sehr gut und kann mich auch gut mit ihr austauschen. Aber auch mit den anderen Schwestern kann ich offen über alles sprechen. Die haben viel mehr Erfahrung, was das Ordensleben betrifft, und es ist wirklich interessant, welche Geschichten sie zu erzählen haben.
Frage: Wann müssen Sie die Entscheidung treffen, ob Sie noch länger im Kloster bleiben?
Höfler: Verlängern kann ich das Freiwillige Ordensjahr nicht, das kann man maximal zwölf Monate machen. Ich sollte für mich und für das Kloster aber Ende des Jahres eine Richtung angeben, wie es weitergeht, damit ich mir eine Wohnung und einen Job suchen kann, wenn ich mich dazu entscheide, wieder in ein weltliches Leben zu führen. Aber auch wenn ich ins Kloster gehen und ein Postulat beginnen möchte, stellt sich die Frage, ob ich dann bei den Clemensschwestern bleibe. Vielleicht gibt es noch andere Orden mit anderer Spiritualität, die mir noch mehr zusagen. Dafür braucht man Zeit.
Frage: Gibt es denn schon eine Tendenz?
Höfler: Ja. Die Tendenz ist, dass ich mir das Ordensleben sehr gut vorstellen könnte. Deswegen bin ich gerade dabei, verschiedene Ordensgemeinschaften kennenzulernen, um mir ein Bild von unterschiedlichen Orden zu machen. Wenn ich bei den Clemensschwestern bleibe, dann möchte ich wissen, dass ich mich hier am besten aufgehoben fühle.