Kardinal arbeitet Vertuschungsprozess in Buch auf

Barbarin: Leide darunter, öffentliches "Symbol für Pädophilie" zu sein

Veröffentlicht am 02.10.2020 um 09:39 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Zwar wurde er freigesprochen, doch der lange Prozess hat seine Spuren hinterlassen: Kardinal Philippe Barbarin beklagt, zum öffentlichen "Symbol für Pädophilie" geworden zu sein – während der eigentliche Missbrauchstäter weniger angefeindet werde.

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Der frühere Lyoner Erzbischof, Kardinal Philippe Barbarin, hat die mehrjährigen Prozesse wegen angeblicher Vertuschung von Missbrauchsfällen und das vorzeitige Ende seiner Amtszeit in einem Buch aufgearbeitet. "En mon ame et conscience" (In meiner Seele und meinem Gewissen) erschien am Donnerstag im französischen Buchhandel.

Er beginne seine Gebete stets mit den Namen der damaligen Missbrauchsopfer, sagte Barbarin im Interview der Zeitung "La Croix" (online Donnerstagabend). Er sei im Sinne der Anklagen unschuldig, beteuerte er wie bereits während der Prozesse und nach seinem Freispruch im Januar; aber er räumte auch Versäumnisse ein. Heute sei der Umfang mit jedem Fall von sexuellem Missbrauch ganz klar geregelt, so der Kardinal.

Barbarin sagte weiter, er leide darunter, durch die Prozesse zu einem öffentlichen "Symbol für Pädophilie" geworden zu sein. Solche Anfeindungen träfen den weniger prominenten Missbrauchstäter selbst, den Priester Bernard Preynat, weniger. Dieser müsse sich nicht auf der Straße ansprechen oder anspucken lassen. Preynat müsse endlich öffentlich um Entschuldigung bitten. Die Opfer litten seit Jahrzehnten, viel länger als er selbst.

Wieder mehr Zeit zum Studium und Schreiben

Der Kardinal berichtete, er lebe nun in einem bretonischen Dorf in der Nähe von Rennes mit 140 Einwohnern, feiere die Messe als Hausgeistlicher mit dortigen Ordensfrauen. Sein neues Leben ermögliche ihm wieder mehr Zeit zum Studium und zum Schreiben. Das Buch, das aber keine neue Enthüllungen enthält, verfasste er während einer gut dreimonatigen Zeit des Rückzugs in Jerusalem.

Im März war Barbarin von seinem Amt als Erzbischof zurückgetreten. Ein französisches Berufungsgericht hatte ihn im Januar vom Vorwurf der Nichtanzeige sexuellen Missbrauchs freigesprochen. Dennoch stellte er sein Amt zur Verfügung, um dem Erzbistum Lyon die Gelegenheit zu geben, ein neues Kapitel zu beginnen, wie der Kardinal damals erklärte.

Barbarin, der in zwei Wochen 70 Jahre alt wird, ist einer von sechs französischen Kardinälen und führte als Erzbischof von Lyon auch den Ehrentitel des Primas von Gallien. Der Bischofsstuhl von Lyon ist noch vakant. Auf die Nachfolge hat sich die Theologin Anne Soupa (73) beworben. Sie argumentiert, das Erzbistum Lyon habe zuletzt viel unter den Skandalen sexuellen Missbrauchs und klerikaler Abschottung gelitten. Es gelte zu beweisen, dass nicht nur Männer die Botschaft Jesu auf hohem Niveau verkünden könnten. (KNA)