Kirchen warnen zum Tag der Deutschen Einheit vor fatalen Entwicklungen
Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben zum Tag der Deutschen Einheit am Samstag vor spaltenden Kräften in der Gesellschaft gewarnt. "Wachsende Abstände beobachten wir heute nicht nur veranlasst durch die Corona-Pandemie, sondern auch durch sich verschärfende soziale Ungleichheiten und durch einen sich polarisierenden öffentlichen Diskurs", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Ökumenischen Wort der Kirchen zu 30 Jahren Deutscher Einheit. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erinnern zudem an die "hohen Werte der demokratischen Freiheit und des solidarischen Zusammenhalts".
"Ganz besonders fatal"
Die "Einheit in Vielfalt" erfordere wechselseitigen Respekt, Interesse und Solidarität, mahnen die Bischöfe. Tendenzen einer gesellschaftlichen Spaltung träten sie entschieden entgegen. "Wenn wir bedenken, dass die in der Einheit geheilte Teilung Deutschlands in der Katastrophe des Nationalsozialismus wurzelte, erweist sich dieses Auseinanderdriften der Gesellschaft in Form eines erstarkenden Nationalismus oder eines wieder aggressiveren Antisemitismus als ganz besonders fatal."
Der 3. Oktober sei ein Tag zum Feiern, die Wiedervereinigung ein "großes Glück". Dennoch werde heutzutage noch zu wenig über die jeweiligen Erfahrungen erzählt. Denn die Lebensgeschichten in Ost und West seien nicht nur vor der Friedlichen Revolution unterschiedlich verlaufen. "Die Erfolge in der Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West nach der Vereinigung zählen dazu ebenso wie die Wunden, die der Verlust der Arbeit und das Durchkreuzen der Lebenspläne vieler Menschen geschlagen haben", heißt es in der Erklärung. Nicht Besserwisserei, sondern wechselseitiges Zuhören müsse die Grundhaltung sein, in der Menschen mit unterschiedlichen Geschichten aus Ost und West sich begegneten. Dann werde auch deutlich: "Es kommt nicht darauf an, wer aus dem 'Osten', dem 'Westen' oder anderswo herstammt. Es kommt darauf an, dass wir einander achten und beistehen", so die Bischöfe.
Friedlicher Protest, Kerzen und Gebete hätten vor 30 Jahren den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands gebahnt. "Heute stehen wir vor der Herausforderung der Corona-Pandemie", schreiben die Bischöfe: "Wie die Menschen damals vertrauen wir heute auf die Kraft Gottes." (tmg/KNA/epd)