Polens Bischöfe mahnen nach Protestwelle gegen Kirche zu Dialog
Die katholische Kirche in Polen wirbt nach massiven Protesten vor und auch in Gotteshäusern gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes für Deeskalation und Dialog. Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, ermunterte am Sonntagabend "alle zum Dialog über die Mittel, mit denen das Recht auf Leben und die Rechte der Frauen geschützt werden können". Zugleich betonte er, vulgäre Ausdrücke, Gewalt, Störungen von Gottesdiensten und Entweihungen seien in einem demokratischen Staat nicht der richtige Weg.
Frauenrechtsgruppen hatten unter dem Motto "Das Wort zum Sonntag" dazu aufgerufen, den Widerstand gegen die Gesetzesverschärfung in die Kirchen zu tragen. Sie werfen der Kirche vor, maßgeblich zu dem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts beigetragen zu haben, das künftig Schwangerschaftsabbrüche auch im Falle einer schwerwiegenden Fehlbildung des Fötus verbietet. Gut zwei Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten störten in der Kathedrale in Posen (Poznan) eine Messe am Sonntag so sehr mit Sprechchören und Plakaten, dass der Priester den Gottesdienst abbrechen musste. Kleinere Zwischenfälle gab es in einigen anderen Kirchen.
Außenwände von mehreren katholischen Gotteshäusern und eine Mauer vor der Bischofsresidenz in Lublin wurden mit Slogans besprüht. Vor vielen Bischofssitzen in Polen versammelten sich Hunderte Demonstranten und legten etwa in Breslau (Wroclaw) Kleiderbügel aus Draht ab - ein Symbol für gefährliche Abtreibungsmethoden. Die Polizei schützte am Sonntagabend unter anderem die Kathedrale in Kattowitz (Katowice) mit einem Kordon vor den Protestierenden.
Gadecki: Kirche mache keine Gesetze
Der Bischofskonferenzvorsitzende betonte, die Kirche mache keine Gesetze und treffe keine Entscheidungen über deren Verfassungsmäßigkeit. "Die Kirche ihrerseits kann nicht aufhören, das Leben zu verteidigen, und sie kann auch nicht aufgeben zu verkünden, dass jedes menschliche Geschöpf von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod geschützt werden muss", fügte Gadecki hinzu. In dieser Frage könne die Kirche keine Kompromisse eingehen. Das habe Papst Franziskus wiederholt erklärt. Der Erzbischof mahnte eine Diskussion an, in der die Würde jedes Menschen respektiert werde: "Wir brauchen Gespräche, aber nicht Konfrontationshaltung und hektischen Meinungsaustausch in Sozialen Netzwerken." Er bat Journalisten und Politiker, Spannungen abzubauen und Verantwortungsbewusstsein für den gesellschaftlichen Frieden zu zeigen.
Die höchsten polnischen Richter hatten am Donnerstag eine Ausnahme des seit 1993 geltenden Abtreibungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Sie erlaubte Schwangerschaftsabbrüche, wenn bei einer vorgeburtlichen Untersuchung "mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwere und irreversible Beeinträchtigung des Fötus oder eine unheilbare, das Leben bedrohende Krankheit" festgestellt wurde. Das verstoße gegen den von der Verfassung garantierten Schutz des Lebens.
Damit sind Abtreibungen in Polen künftig nur noch legal, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist. 2019 fielen fast alle registrierten Abtreibungen laut offizieller Statistik unter das vom Gericht für unzulässig erklärte Kriterium: exakt 1.074 von insgesamt 1.100. Mehr als 100 Abgeordnete hauptsächlich der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatten die Gesetzespassage dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. (KNA)