Konflikt um Positionspapier: Erzbistum Köln schaltet KHG-Webseite ab
Wer das Programm der Katholischen Hochschulgemeinde Köln (KHG) für das Wintersemester lesen will, muss die Webseite ihres evangelischen Pendants besuchen. "Solidarität mit der KHG" ist dort die Meldung der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) überschrieben. "Ein Positionspapier der KHG erzeugt den Widerstand der katholischen Amtskirche", heißt es Und: "Mit der Veröffentlichung dieses Papiers auf unserer Homepage möchten wir als ESG gerne unsere Solidarität mit den Mitarbeiter*innen und ihrer Position bezeugen." Auf der Webseite der KHG Köln dagegen war bis zum Mittwoch nur noch wenig zu sehen: "Diese Webseite ist vorübergehend nicht erreichbar. Wir bitten dies zu entschuldigen", stand dort zu lesen. Am Donnerstagmorgen ist unter der Adresse khgkoeln.de nicht einmal mehr das zu lesen: Eine Passwortabfrage, mehr nicht. Selbst im Archiv von Google sind die Inhalte gelöscht. Erst im Laufe des Vormittags ändert sich das, langsam wird die Seite wieder aufgebaut. Ohne die problematischen Inhalte, ohne Hinweis auf den Konflikt.
Fragt man im Erzbistum Köln nach, bekommt man die Auskunft, dass die Webseite "bedauerlicherweise" offline sei, weil eine am 3. November "beauftragte Veränderung auf der Homepage nicht vorgenommen werden konnte". "Das notwendige Bemühen, dies nun selbst umzusetzen, hat zu diesem unbeabsichtigten Zwischenstand geführt", teilte eine Sprecherin gegenüber katholisch.de mit. Der Grund für den Konflikt ist alt: Schon im Mai 2019 hatte das Hauptamtlichenteam der KHG ein Positionspapier veröffentlicht, in dem der Hochschulpfarrer und die Referenten Kritik an der Kirche geäußert hatten. "Wir wollen glaubwürdig bleiben", war das Papier überschrieben. Zunächst blieb die Resonanz begrenzt; auf der Facebook-Seite der KHG, die immer noch online ist, hat das Posting aus dem Mai 2019 nur wenige Reaktionen hervorgerufen. Seit die aktuellen Vorgänge bekannt wurden, hat es allerdings Fahrt aufgenommen: Likes, Kommentare und die Verbreitung der Stellungnahme haben deutlich zugenommen, regionale und überregionale Medien berichten von dem Konflikt.
Bekannte Themen der Kirchenreform thematisiert
Was die KHG-Mitarbeiter kritisieren, überrascht nicht. Die Themen dort sind dieselben, die gerade die ganze Kirche in Deutschland beschäftigen, und die auch im Kontext des Synodalen Wegs verhandelt werden. "In unserer Arbeit erleben wir, dass es bei vielen jungen Menschen nach wie vor das Bedürfnis nach Spiritualität und Glauben, nach Gemeinschaft, nach einem vorurteilsfreien Beisammensein, nach Orientierungsangeboten und Lebenshilfe gibt", heißt es in dem dreiseitigen Papier. Im "Kontext der katholischen Kirche" würde das aber immer weniger gesucht – viele Menschen, selbst kirchlich gebundene, hätten immer mehr Schwierigkeiten, sich mit der Kirche zu identifizieren. "Zu groß ist für viele der Abstand zwischen eigenen Überzeugungen und Lebensführungen zu den Lehren der katholischen Kirche, wenn es um Zölibat, die strukturelle Benachteiligung der Frau, die Einstellung zur Homosexualität und vieles mehr geht."
Das KHG-Team positioniert sich, "um authentisch und transparent zu bleiben". Sie stellen sich gegen eine "Unantastbarkeit amtskirchlicher Deutungshoheit" und fordern Freiheit für die akademische Theologie und unterschiedliche Lebens- und Glaubenswege anzunehmen und die Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern. Sie wenden sich gegen eine "Engführung kirchlicher Sexualmoral", gegen "religiöse Aufladung von Macht" und mangelnde Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung". Verglichen mit den Reformforderungen, die seit Jahren von Verbänden eingebracht werden - unter anderem jetzt auch in den Synodalen Weg -, wirkt nichts davon besonders revolutionär; auch wenn einiges der offiziellen Lehre der Kirche entgegensteht.
Beim Erzbistum Köln sieht man sich dennoch zum Handeln gezwungen. Entgegen einer Dienstanweisung wurde auch im neuen Semesterprogramm auf die Positionierung hingewiesen, durchaus konfrontativ. Der Abdruck des Papiers im Programm des letzten Wintersemesters wurde noch geduldet. Im Sommersemester war dann nur noch ein QR-Code mit einem Link zum Papier zu finden. "Dies ist uns seit Oktober diesen Jahres ebenfalls per Dienstanweisung untersagt worden, unter Androhung arbeitsrechtlicher Schritte", steht in Großbuchstaben auf Seite 5 des nun eingestampften Programms. "Wenn ihr wissen wollt, worum es genau geht, nutzt das Internet. Denn das Internet vergisst nichts." Gezeichnet ist das Schreiben von neun Mitarbeitenden der KHG; der Name des KHG-Pfarrers Klaus Thranberend, der im vergangenen Jahr noch unterzeichnet hatte, fehlt.
Erzbistum fordert "sachlichen" und "angemessenen" Diskurs
Das Erzbistum erläutert auf Anfrage sein Vorgehen. Der Konflikt habe "mehrere Dimensionen". Eine "intensive und auch kritische Auseinandersetzung mit kirchlichen Positionen" sei ein wichtiges Anliegen. Der Diskurs müsse aber sachlich und angemessen geführt werden. "Dies ist aus Sicht des Erzbistums bei dem betreffenden Positionspapier jedoch nicht der Fall." Mehrere Gespräche seien mit den Betroffenen geführt worden. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat das aktuelle Semesterprogramm. Der erneute Hinweis auf das Papier gefährde die "vertrauensvolle Basis" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Über die derzeit laufenden Gespräche könne keine Auskunft gegeben werden. Aus dem Team der KHG wollte sich niemand gegenüber katholisch.de zum jetzigen Zeitpunkt äußern.
Auch der Hochschulpfarrer Thranberend war nicht zu erreichen. Laut Erzbistum übt er zwar seine Aufgaben als Hochschulpfarrer, Kirchenrektor der Uni-Kirche St. Johannes XXIII. und Schulseelsorger "wie bisher" aus. Dennoch wurde die "kommissarische Teamleitung" ins Generalvikariat gezogen und dem Abteilungsleiter für Schulpastoral und Hochschulen, Peter Krawczack, übertragen. Offizielle Begründung: "aufgrund der belastenden Arbeitssituation im Team der KHG". In dieser Funktion habe Krawczack am 3. November den Auftrag erteilt, das Semesterprogramm "einzuziehen" und nur noch ohne die problematischen Seiten 5 und 6 zu produzieren. "Zudem hat er den Auftrag gegeben, das Programm von der Homepage zu nehmen und in aktualisierter Form ohne die Seiten 5 und 6 zu veröffentlichen", so das Erzbistum.
Online ist das Programm jetzt nur noch auf der Seite der ESG zu finden – inklusive der kämpferischen Seiten 5 und 6. Gegenüber katholisch.de bekräftigte der evangelische Hochschulpfarrer Jörg Heimbach die Solidarität mit der KHG. Die ESG trage das Papier auch inhaltlich mit. "Was darin steht, ist wichtig, gut und klug", betont Heimbach.