Christliche Slogans und Motive in der Werbung

Wenn der Verfassungsschutz mit dem Evangelium nach Mitarbeitern sucht

Veröffentlicht am 12.12.2020 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ "Im Verborgenen Gutes tun!" oder "Folge deiner Berufung": Immer wieder nutzen Behören und Unternehmen christliche Slogans und Motive für ihre Werbung. Für die Kirchen könnte darin durchaus eine Chance liegen.

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"Im Verborgenen Gutes tun!" – dieser Slogan klebt derzeit an zahlreichen Fenstern von Berliner U-Bahn-Wagen, neben vielerlei anderen Werbebotschaften. Wer dabei an ein Ehrenamt oder irgendwas mit Kirche denkt, liegt nicht ganz falsch. Denn der Spruch erinnert an die biblische Weisung im Matthäusevangelium, wo es heißt: "Achtet darauf, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen übt, um von ihnen gesehen zu werden ..." (Mt 6,1) Wer genauer hinsieht, wird jedoch vom Absender überrascht: Mit der Einladung "Werde Verfassungsschützer/in!" wirbt der das Bundesamt für Verfassungsschutz auf den U-Bahn-Fenstern um Personal.

Auch die Bundeswehr arbeitet in Sachen Rekrutierung mit einem wertorientierten Appell, der in Kirchenkreisen gängig ist: "Folge deiner Berufung!" stand auf den Plakaten, die im vergangenen Jahr bundesweit zu sehen waren. Im Neuen Testament wird berichtet, wie Jesus am See Genezareth die ersten Jünger gewinnt (Mk 1,14-20). Seither ist "Berufung" ein Kernbegriff für die Suche nach Gottes Bodenpersonal. Doch während heutzutage in der Kirche eher verschämt von Berufung gesprochen wird, geht die Kampagne der Bundeswehr ganz offensiv mit dem Begriff um und wirbt damit für allerlei soldatische Tätigkeiten, sogar für weibliche "Kämpfer".

Ungläubiges Staunen in kirchlichen Kreisen

Die Kampagne der Bundeswehr hat nicht nur Beifall gefunden. Und auch der Slogan des Verfassungsschutzes löst in kirchlichen Kreisen in diesen Tagen mitunter ungläubiges Staunen aus. Doch biblische Zitate oder allgemein spirituelle Motive sind in der Werbebranche ein beliebtes Mittel, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und Botschaften mit Sinn zu füllen. Sogenanntes "Moralmarketing" ist bei Kreativen besonders angesagt, denn es hilft, auf den ersten Blick banale Produkte mit Bedeutung aufzuladen oder mit moralischer Vorbildhaftigkeit auszustatten. Die Werbeagenturen investieren einige Mühe darin, passende Motive und Slogans zu finden. Wen wundert es, dass sie sich in tradierten kulturellen Moralbeständen wie der Bibel oder den Religionen auf die Suche machen.

Nicht immer sind die ausgeliehenen Inspirationen aus der religiösen Geisteswelt dabei besonders subtil: Mit "Das stinkt zum Himmel. Und da wohnt ja bekanntlich Gott." warb etwa eine Männerzeitschrift für "Käse mit himmlischer Komplexität". Auch ein Outdoor-Ausstatter, der Moses unter dem Slogan "Believe" mit einem angesagten Rucksack durch das Rote Meer ziehen ließ, trug ziemlich dick auf. Geradezu originell mutete dagegen die Kampagne eines Zigarettenherstellers an, der ebenfalls vorsätzlich auf fromme Bezüge setzte, als er die Heiligen Drei Könige als coole multinationale Frauengruppe zur Krippe schickte, die als Geschenk neben Weihrauch und Myrrhe auch eine Schachtel Glimmstengel dabei hatten. Weniger ausdrücklich biblisch, aber doch nahe beim seelsorgerlichen Anspruch des Evangeliums ist die Bildkampagne der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG): Mit dem Slogan "Gib Menschen einen Halt im Leben" wirbt sie an Haltestellen für eine Karriere als Busfahrer, wobei rätselhaft bleibt, worin der haltgebende Moment dieses Berufsbildes genau bestehen soll, abgesehen von der ständigen Aufforderung, sich während der Fahrt ausreichend festzuhalten.

Bild: ©Joachim Opahle

"Fritz Kola" warb vor einiger Zeit mit dem Slogan "Hilft jeden Montag bei der Auferstehung".

Nicht selten feiern auch klassische Motive der christlichen Kunst ihre Wiederauferstehung in Werbebotschaften. Mal mehr, mal weniger originell, etwa bei einem Elektrogerätehändler, der einen Fernseher anpreist, auf dem ein US-amerikanisches Actionvideo mit Leonardo da Vinci's "Letztem Abendmahl“ zu sehen ist. Auch Michelangelo dürfte sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wie schnöde ein Wursthersteller seine Kunst entehrt, indem Gottvater höchstpersönlich die Salami an Adam weiterreicht.

Es überrascht kaum, dass auch Gottes Bodenpersonal gerne für Werbebotschaften zu Rate gezogen wird. Beliebt sind neben Pfarrern vor allem Ordensfrauen, wobei die Grenzen des guten Geschmacks nicht immer eng gezogen werden, wie das Beispiel eines Getränkeherstellers zeigt, bei dem Nonnen in lasziver Pose mit Limonade locken. Ein positiv besetztes Nonnen-Motiv mit religiöser Anspielung verwendete hingegen ein konkurrierender Konzern vor Jahren mit einer Werbung für Mineralwasser, von dem er behauptete, es sei "rein wie ein Bus voller Nonnen, die Kumbaja (my Lord) singen". Der Slogan "Hilft jeden Montag bei der Auferstehung", mit dem ein trendiger Brausehersteller aus Hamburg ausgerechnet in der Karwoche berlinweit für seine koffeinhaltige Limo warb, könnte sogar als Anregung für eine Osterpredigt dienen.

Spiritualität verkauft sich gut

Dass religiöse Anspielungen und sakrale Bezüge immer mal wieder im Werbetrend liegen, mag manchen empören, andere raten hingegen zu Gelassenheit. Immerhin ist es ein Zeichen dafür, dass der Alltag womöglich gar nicht so religionsentfremdet ist, wie häufig beklagt wird. Die Werbetreibenden jedenfalls bauen darauf, dass ihre potentiellen Zielgruppen resonanzfähig sind für ethisch-religiöse Botschaften, zumindest gelten sie in ihrer verklausulierten Form nicht als Konsumhindernis. Spiritualität verkauft sich gut, weil sie provoziert und für Aufmerksamkeit sorgt – und das Copyright auf religiöse Motive liegt in den meisten Fällen nun mal nicht bei der Kirche.

Vielleicht sollte das kirchliche Personal sogar ab und an bei den Agenturen in die Lehre gehen. Nicht nur um zu studieren, wie das Religiöse in die säkulare Konsum- und Werbewelt auswandert und dort in neuem Gewand aufscheint, sondern zum Beispiel auch um die Kreativität zu schulen, die helfen könnte, den nächsten Pfarrbrief originell zu bebildern. Es wäre ja kein Schaden, wenn es gelänge, das Thema Glaube und Kirche wieder mehr ans Alltägliche anzubinden – und sei es mit einem Augenzwinkern.

Von Joachim Opahle