Taugt das Fulda-Münster-Logo als Dachmarke auch für andere Bistümer?
Wenn es um berühmte Markenzeichen geht, werden als Beispiele meist die Logos global agierender Unternehmen angeführt: etwa der angebissene Apple-Apfel, der dreizackige Mercedes-Stern oder das gelbe McDonald's-"M". Alle diese Markenzeichen erfreuen sich weltweiter Bekanntheit – ein Umstand, der für die Unternehmen bares Geld wert ist und die eigene Werbung dank des hohen Wiedererkennungsfaktors und der damit transportierten Emotionen in vielen Fällen zu einem Selbstläufer macht.
So gesehen hätte auch die katholische Kirche beste Voraussetzungen. Denn ihr Markenzeichen – das Kreuz – erfreut sich schließlich ebenfalls weltweiter Bekanntheit. Doch Experten beklagen seit vielen Jahren, dass die Kirche die Chancen eines einheitlichen Logos viel zu wenig nutze. Zuletzt brach diese Diskussion im Sommer auf, als der Kommunikationsberater Erik Flügge das Thema in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" aufgriff. Er beklagte, dass die Kirche sich weigere, nach den Regeln der Markenbildung zu spielen. "Meine katholische Kirche in Deutschland heißt ständig und überall anders. Mal heißt sie DBK, dann wieder Diözese oder Erzbistum, sie nennt sich KEB, Bahnhofsmission und ZdK, sie heißt Caritas oder BDKJ. Sie hat gelbe Logos und rote, Kreuze, Tauben und Flammen, abstrakte Formen und schlichte Schriftzüge." Eine derartige "Nicht-Markenkommunikation" habe den Effekt, dass die Kirche insgesamt viel schwächer wahrgenommen werde, als sie eigentlich sei.
"Die katholische Kirche wird viel zu schwach wahrgenommen"
Beispielhaft nannte Flügge dabei das soziale Engagement der Kirche: "Eine katholische Kirche, die sich im sozialen Engagement Caritas nennt, verspielt die Chance, dass der diakonische Charakter dieser Kirche, dass all ihr sozial wertvolles Tun im Kopf mit der eigenen Kirchenmitgliedschaft in Verbindung gebracht wird." Die Kirche könne so nur von Insidern als eine großartig-vielfältige Institution erkannt werden. Als Konsequenz forderte der Berater ein einheitliches Auftreten der katholischen Kirche unter einem gemeinsamen Logo. "Beispielsweise ein großes Kreuz und die Wörter 'Katholische Kirche' groß über der lokalen Bezeichnung jeder der ganz unterschiedlichen irgendwie katholischen Einrichtungen in Deutschland." So könne über die Form der Kommunikation die Kirche "auf einen Schlag in der Wahrnehmung riesengroß" werden.
„Aus vergangenen Untersuchungen ist bekannt, dass die katholische Kirche im Vergleich zu dem, was sie bietet, viel zu schwach wahrgenommen wird.“
Ähnliche äußerte sich auf Anfrage von katholisch.de jetzt auch der Marketing-Experte Tim Eberhardt: "Aus vergangenen Untersuchungen ist bekannt, dass die katholische Kirche im Vergleich zu dem, was sie bietet, viel zu schwach wahrgenommen wird." Viele Dienste der Kirche würden von einem großen Teil der Bevölkerung gar nicht mit ihr assoziiert. Dies liege auch am Auftreten der Kirche. "Wir bezeichnen das im Marketing als 'House of Brands'. Das bedeutet: Es gibt eine Vielzahl von Marken und Absendern mit unterschiedlichsten Botschaften, Designs und Wort-Bild-Elementen, die alle zur katholischen Kirche gehören, bei denen aber durch das Erscheinungsbild gar nicht deutlich wird, dass es sich um eine Markenfamilie oder eine gemeinsame Institution handelt", so Eberhardt, der an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen lehrt und Geschäftsführer des Münster Research Institute ist. Deshalb sei eine schrittweise Entwicklung hin zu einem gemeinsamen Erscheinungsbild auf jeden Fall sinnvoll.
Was Flügge und Eberhardt der Kirche empfehlen, hat das Bistum Fulda am vergangenen Wochenende zumindest ansatzweise aufgenommen. Da nämlich stellte die hessische Diözese ihr neues Logo vor, das ab dem kommenden Jahr schrittweise eingeführt werden und in der Kommunikation das bisher genutzte Bistumswappen ablösen soll. Das Interessante dabei: Mit dem neuen Logo lehnt sich Fulda eng an das seit zwei Jahren genutzte Markenzeichen des Bistums Münster an. In beiden Bistümern besteht das Logo künftig aus einem in Dreiecke aufgegliederten, am rechten Querbalken geöffneten Kreuz. Daneben steht in Großbuchstaben "KATHOLISCHE KIRCHE" und darunter der Name der Diözese. Der einzige Unterschied zwischen den Logos ist die Farbgebung: In Fulda sind Kreuz und Bistumsname in Gelbtönen gehalten, in Münster in Rottönen.
Bistum sieht Logo als mögliche Dachmarke für die ganze Kirche
Entsteht hier durch die Kooperation von zwei Diözesen quasi nebenbei das von den Experten geforderte gemeinsame Markenzeichen für die katholische Kirche in Deutschland? Das Bistum Fulda stellte diese Möglichkeit bei der Vorstellung des Logos zumindest konkret in den Raum: Durch die Anlehnung an das Münsteraner Corporate-Design-Konzept entstehe eine neue Dachmarke, der sich weitere Bistümer anschließen könnten. Damit greife man die Empfehlung der Experten auf, nach der die Kirche Schritt für Schritt ein gemeinsames Erscheinungsbild erarbeiten müsse, so die Diözese, die in diesem Zusammenhang namentlich auf den "Christ & Welt"-Artikel von Flügge verwies.
Doch hat das Logo überhaupt das Potential, sich zu einer katholischen Dachmarke zu entwickeln? Marketingexperte Eberhardt, der an der Entwicklung des Münsteraner Signets beteiligt war, ist zuversichtlich. Die Entscheidung von Fulda und Münster, gemeinschaftlich den gleichen Weg zu beschreiten, führe dazu, dass in beiden Bistümern klarer wahrgenommen werden könne, wo die katholische Kirche überall "drinstecke". "Es wird eine klare Zugehörigkeit kommuniziert, gleichzeitig schafft man Orientierung", erklärte Eberhardt. Statt einem "House of Brands" entstehe ein "Branded House", durch das eine vereinheitlichte Kommunikation der Institution Kirche ermöglicht werde. Aus Marketingperspektive sei es deshalb "absolut sinnvoll", eine weitere, schrittweise Verbreitung des Logos und der dahinterstehenden Kommunikation voran zu treiben.
Anders sieht das der Designer Achim Schaffrinna. Er bezweifelte gegenüber katholisch.de, dass das Logo das Potential für eine Dachmarke der gesamten Kirche in Deutschland habe. "Ein für alle Bistümer geltendes Designkonzept, das einerseits ausreichend Differenzierungsmöglichkeiten bietet und gleichzeitig eine gemeinsame Leitidee kommuniziert, stellt das 'Fulda-Münster-Modell' meines Erachtens nicht dar", sagte Schaffrinna, der das in Hannover ansässige Fachblog "Design Tagebuch" betreibt.
Designer sieht nicht genug Adaptionsmöglichkeiten
Das Design des Logos scheine in Bezug auf seine Adaptionsmöglichkeiten limitiert zu sein. "Das kann man sich wie ein Fahrrad vorstellen, das nachträglich zum Motorrad aufgerüstet werden soll. So etwas sieht, hört und spürt man", erklärte Schaffrinna weiter. Mit Blick auf das künftig von Fulda und Münster genutzte Markenzeichen heiße das, dass für die 25 anderen deutschen Bistümer nachträglich jeweils eigene, identitätsstiftende Farbkomposita entwickelt werden müssten. Allerdings sei es jenseits der unterschiedlichen Namen der Diözesen vermutlich sehr schwer, lediglich anhand der jeweils unterschiedlichen Farbgebung für ausreichend Differenzierungsmerkmale zu sorgen, betonte der Designer.
Trotz dieser Zweifel betonte Schaffrinna, dass die Kooperation von Fulda und Münster "besonders" sei, da es auch aus seiner Sicht in der katholischen Kirche sonst bislang kaum ein Bewusstsein für eine gemeinsame visuelle Identität gibt. Bemerkenswert sei zudem der Umstand, dass das Logo ursprünglich nur für das Bistum Münster konzipiert worden sei und erst jetzt zu einer Marke auch für andere Bistümer erhoben werden solle. "Denn üblicherweise werden Dachmarken nach dem 'Top-Down'-Prinzip entwickelt und von Seiten der Konzernleitung beschlossen und verordnet", so der Designer. Eine Markenentwicklung nach dem "Bottom-Up"-Prinzip sei dagegen ein Novum in der Welt des Corporate Designs. Ob das Fulda-Münster-Logo künftig tatsächlich von weiteren Bistümern übernommen wird, muss sich erst noch zeigen. Bislang hat noch keine Diözese öffentlich Interesse bekundet.