Sie erhalten die Kathedralen: Bauhütten jetzt Immaterielles Kulturerbe
Das Bauhüttenwesen - also die Traditionen und Techniken zum Erhalt der großen Kirchen und Kathedralen in Europa - gilt nun als "Immaterielles Kulturerbe". Die Weltkulturorganisation Unesco nahm die Bauhütten-Tradition am Donnerstag als Praxisbeispiel in die renommierte Liste auf, wie die Deutsche Kommission der UN-Kulturorganisation in Bonn mitteilte. Der Zwischenstaatliche Unesco-Ausschusses tagt bis Samstag virtuell.
Die Bewerbung für die Aufnahme des Bauhüttenwesens in das Unesco-Register war von 18 Bauhütten aus Deutschland, Frankreich, Norwegen, Österreich und der Schweiz eingereicht worden. Münster- und Dombauhütten widmen sich der Errichtung und dem Erhalt von Kathedralen und anderen Sakralbauten und bewahren demnach seit Jahrhunderten traditionelle Bautechniken, Bräuche und Rituale verschiedenster Gewerke, so die Unesco.
Die Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD), erklärte, die Tradition der Bauhütten dokumentiere, "wie wichtig der grenzüberschreitende Kulturaustausch und die Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern für gesellschaftliche und baukünstlerische Entwicklungen in Europa waren und sind". Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte, Unesco-Welterbestätten wie der Kölner, der Aachener oder der Naumburger Dom zeugten von der großen Bedeutung der Bauhütten. "Ohne das Bauhüttenwesen wäre die Restaurierung der großen europäischen Kirchenbauten gar nicht denkbar." Dies wirke weit über den kirchlichen Raum hinaus und habe etwa bei der Rekonstruktion der barocken Fassade des Humboldt Forums im Berliner Schloss eine wichtige Rolle gespielt.
Dombaumeister erfreut über Entscheidung
Die europäischen Dom- und Münsterbauhütten bezeichneten die Unesco-Anerkennung als Würdigung und Unterstützung ihrer Arbeit zum Erhalt von Kirchen und Kathedralen. "Wir freuen uns außerordentlich über den positiven Entscheid der Unesco und damit über die Anerkennung unserer Arbeit", so der Basler Münsterbaumeister Andreas Hindemann. Die Freiburger Münsterbaumeisterin Yvonne Faller sagte, in den Bauhütten sei die kontinuierliche Pflege der Kathedralen seit Jahrhunderten garantiert. Das dafür nötige Wissen werde von Generation zu Generation weitergegeben.
Der Kölner Dombaumeister Peter Füssenich erklärte, die europäischen Bauhütten könnten auf eine bis in das 12. Jahrhundert reichende Tradition zurückblicken. Im Mittelalter entstanden sie, um die gotischen Kathedralen und andere Großkirchen zu errichten. "Dabei gingen sie oft an die Grenzen des technisch Möglichen. Sie begannen Unternehmungen, von denen sie wussten, dass es viele Generationen brauchen würde, bis sie Wirklichkeit werden." Auch der Kölner Dompropst Guido Assmann zeigte sich erfreut über die Entscheidung: "Ich bin immer wieder beeindruckt von der Leidenschaft, Akribie und Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Dombauhütte, wenn ich ihnen in ihren Werkstätten oder auf den Baustellen am Dom über die Schulter schauen darf." Das Wissen, das in der Kölner Dombauhütte über Jahrhunderte weitergegeben und stetig vertieft und aktualisiert werde, könne man nicht genug wertschätzen.
Formen und Träger des Immateriellen Kulturerbes stehen laut Unesco beispielhaft für Kreativität, Innovationsgeist und Wissen der Gesellschaft. Ziel der Liste ist es demnach, gelebte Traditionen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die deutsche Liste verzeichnete bislang 95 Kulturformen sowie 11 "Gute Praxisbeispiele zur Erhaltung von Immateriellem Kulturerbe". (tmg/KNA)