Ordensfrau: "Frauen sehen sich nicht länger als Gast in der Kirche"
Schwester Hermenegild Makoro (69) ist Generalsekretärin der Südafrikanischen Bischofskonferenz (SACBC). Nach drei Amtszeiten gibt die Ordensfrau der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut diese Tätigkeit zum Jahresende an ihre Nachfolgerin, die Dominikanerin Tshifhiwa Munzhedzi, weiter. Was sie zum Thema Frauen in der Kirche denkt, erläutert die Ordensfrau im Interview.
Frage: Schwester Hermenegild, Sie sind ausgebildete Theologin und Erziehungswissenschaftlerin. Dabei standen für Sie die Chancen auf eine akademische Ausbildung und erfolgreiche Karriere eigentlich gegen Sie...
Makoro: Ich wuchs in einer typischen ländlichen Gegend Südafrikas auf – zu einer Zeit, als man zehn Kilometer lief, um Wasser zu finden und den Eimer anschließend auf seinem Kopf zurückschleppte. Es gab keine Straßen, und die Politiker sah man alle fünf Jahre, wenn sie wieder auf Stimmenfang waren. Doch wir hatten gute Lehrer bei uns in Mount Fletcher. Obwohl für uns die "Eingeborenen-Bildung" vorgesehen war, engagierte sich unsere Lehrerin. Meine Eltern, obwohl selbst ungebildet, gaben ebenfalls viel auf meine Ausbildung. Das hat sich eingebrannt, weshalb es mir heute weh tut zu sehen, wie viele Südafrikaner weder einer Ausbildung noch einer Arbeit nachgehen, also ihre Zeit verschwenden.
Frage: Weshalb wurden Sie Nonne?
Makoro: Ich hatte zuvor nie etwas mit Ordensleuten zu tun gehabt, fühlte mich aber hingezogen zu ihrem Auftreten, zu ihrem Engagement. An meinem 19. Geburtstag trat ich den Missionsschwestern vom Kostbaren Blut bei. Zu der Zeit war es bereits ein gemischter Orden, wir hatten Schwestern aus Deutschland, Österreich und Afrika.
Frage: Was hat Sie dazu motiviert, eines der höchsten Ämter anzutreten, das Frauen in der katholischen Kirche offensteht?
Makoro: Ich würde nicht von Motivation sprechen. Ich sehe mich selbst in einem geistlichen Amt, nicht auf einer Sprosse der Karriereleiter. Ich bin hier, um zu dienen. Bevor ich nach Pretoria kam, arbeitete ich in meiner Heimatdiözese Mthatha. Als mich Kardinal Wilfrid Napier, der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, in einem Brief einlud, stellvertretende Generalsekretärin zu werden, rief ich: "Was soll das sein?" Ich bin kein Büromensch, ich gehe die Dinge praktisch an. Und überhaupt war ich zu dem Zeitpunkt noch nie zuvor in der Hauptstadt gewesen. Dort gab es auch keine anderen Missionsschwestern. Ich erbat Bedenkzeit und fand allerlei Ausreden. Nach drei Monaten beschloss ich, es zumindest zu versuchen. Für ein Jahr...
„Unsere Bischöfe haben gezeigt, was möglich ist. Davon können andere Bischofskonferenzen lernen. Südafrika zeigt, dass Frauen liefern, wenn sie die Chance bekommen.“
Frage: Daraus wurden 15 Jahre.
Makoro: Als Erzbischof Buti Tlhagale (Johannesburg) mich eines Abends anrief und sagte, die Bischöfe wollten mich als ihre nächste Generalsekretärin, dachte ich wieder: Das schaffe ich nicht. Aber er sagte, es sei beschlossene Sache.
Frage: Wie reagierten die Bischöfe und Priester auf die erste Frau in dieser Position?
Makoro: Vom ersten Tag an wurde ich mit Respekt behandelt. Ich habe mich nie als Frau in ihrer Mitte oder als gewöhnliche Angestellte gefühlt, sondern stets als eine von ihnen. Wir arbeiten zusammen, um unsere Mission zu erfüllen.
Frage: Ist Südafrikas Kirche da ein Vorreiter?
Makoro: Ja. Unsere Bischöfe haben gezeigt, was möglich ist. Davon können andere Bischofskonferenzen lernen. Südafrika zeigt, dass Frauen liefern, wenn sie die Chance bekommen.
Frage: Würden Sie andere Nonnen ermutigen, ebenfalls höhere Ämter anzustreben?
Makoro: Wenn sich die Chance ergibt. Als Frauen sollten wir studieren und auf ein Level gelangen, auf dem wir imstande sind, die Probleme dieser Welt anzupacken. Ich bin froh, dass Papst Franziskus die Barrieren auch im Vatikan niederreißt. Wir erleben eine Öffnung, die Bischofskonferenzen vor die Frage stellt: Wenn der Heilige Vater den Schritt unternimmt, was hält uns davon ab?
„Geht es um die Weihe oder um die Diskussion um Frauen im Diakonat, sage ich: Es wäre okay, solange es eine Berufung ist.“
Frage: Bietet die kirchliche Hierarchie Frauen genügend Raum, oder sollte es eine weitere Öffnung geben?
Makoro: Frauen sehen sich nicht länger als Gast, sondern als Teil der Kirche und ihrer Gemeinschaft. Geht es um die Weihe oder um die Diskussion um Frauen im Diakonat, sage ich: Es wäre okay, solange es eine Berufung ist. Ereilt jemanden der Ruf dazu, applaudiere ich ihr. Ich bin aber dagegen, wenn es nur aus der Forderung heraus geschieht, Frauen ebenfalls in dieser Position zuzulassen, also aus Konkurrenz.
Frage: Was betrachten Sie als Ihren größten Erfolg?
Makoro: Dass die Bischöfe mich neun Jahre als Generalsekretärin wollten, für gewöhnlich sind es bloß sechs. Das ist nicht mein Verdienst, sondern ein Sieg für alle Frauen in unserer Region. Das ist der zweite große Erfolg: dass die Bischöfe mit Tshifhiwa Munzhedzi eine weitere Frau als meine Nachfolgerin gewählt haben.
Frage: Mit welchem Gefühl beenden Sie Ihre Karriere inmitten der Corona-Pandemie?
Makoro: In gewisser Weise ist es ernüchternd, denn wir hatten Pläne und wollten einiges zu Ende bringen. Zugleich denke ich, war es die richtige Zeit, um die soziale Aufgabe der Kirche neu zu erleben. Wir haben etwa die Nothilfe organisiert. Das hat etwas ans Tageslicht gebracht, worauf ich mich all die Jahre nicht konzentrieren konnte: den sozialen Aspekt. Plötzlich war ich involviert und half, Mittel aufzutreiben, um Hungrige zu versorgen.
Frage: Und wie geht es weiter?
Makoro: Die Mission der Kirche geht nie zu Ende. Ich bin eine Missionsschwester, und als solche gehe ich nicht einfach in Rente. Vielleicht ziehe ich mich aus dem Apostolat zurück, aber ich werde weiter da sein. Nach einer Auszeit werde ich offenen Geistes zurückkommen und der Kirche dienen.