Eucharistie als Lebenselement
Am Dienstag wird Thissen, Oberhaupt der knapp 400.000 Katholiken in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg, 75 Jahre alt und erreicht damit die für Bischöfe vorgeschriebene Altersgrenze.
Der am 3. Dezember 1938 in Kleve geborene Thissen studierte Theologie und Philosophie in Münster und München. Nach seiner Kaplanszeit arbeitete er unter anderem am Priesterseminar in Münster und ab 1977 im dortigen Generalvikariat. 1974 promovierte er über das Markusevangelium. 1986 bis 1999 war Thissen Generalvikar, ab 1999 Weihbischof in Münster. Ende 2002 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Nachfolger von Ludwig Averkamp als Oberhaupt der 1995 gegründeten Erzdiözese Hamburg.
Schon früh zeigte sich, dass der sportbegeisterte Bischof mit vielen Wassern gewaschen ist. So sammelte Thissen, dessen Eltern ein Schuhgeschäft hatten, als junger Priester Erfahrungen als Seelsorger auf einem Kreuzfahrtschiff. "Da gab es mit den Passagieren immer sehr intensive Gespräche auf hoher See." Der persönlichen Begegnung misst der vielbeschäftigte Theologe noch immer hohe Bedeutung bei. Das äußert sich nicht nur im spontanen Small-Talk - gerne über sein Steckenpferd Fußball -, sondern auch im bistumsweiten Gesprächsprozess "Jetzt reden" über die Umstrukturierung der Gemeinden.
Kommunikation als Schlüssel, um Vertrauen zurückzugewinnen
Und als in der Deutschen Bischofskonferenz für das Entwicklungshilfswerk Misereor zuständige Bischof setzt sich Thissen für Klimaschutz, bewussteren Konsum und faire Arbeitsbedingungen weltweit ein. Kommunikation, betont Thissen, sei der Schlüssel, um verlorenes Vertrauen - etwa durch die Streitigkeiten rund um das Bistum Limburg - zurückzugewinnen. Und: die rückhaltlose Offenlegung der kirchlichen Finanzen.
Auch als Buchautor hat sich Thissen einen Namen gemacht. Dabei verdeutlicht er gerne seine Gedanken anhand von Lyrik und Malerei. Denn mindestens genauso wichtig wie König Fußball sind ihm Kunst und Kultur. Das zeigen Vorträge im Thalia-Theater, Gesprächsrunden mit Hamburger Kulturgrößen oder Beiträge in Programmheften für die Staatsoper.
Innerhalb der Bischofskonferenz lässt sich Thissen schwer einer "Fraktion" zuordnen. Gerade hat er sich gegen Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften durch die katholische Kirche ausgesprochen, weil damit der Eindruck einer Verwechslung mit der Ehe erweckt werden könne. Zugleich betonte er, homosexuelle Menschen seien der Kirche willkommen, geschätzt und geachtet. Ebenso kündigte er an, sich für eine Verbesserung der Situation wiederverheirateter Geschiedener in der Kirche einzusetzen.
Thema Ökumene qua Amt auf der Agenda des Erzbischofs
Das Thema Ökumene hat der Erzbischof in Hamburg, wo es rund zehn Prozent Katholiken und etwa 30 Prozent Protestanten gibt, schon qua Amt auf der Agenda. Das trat auch bei seinem Engagement um die Würdigung der "Lübecker Märtyrer" zutage. Die drei katholischen Kapläne und der evangelische Pfarrer wurden 1943 für ihren gemeinsamen Widerstand von den Nazis ermordet. 2011 wurden die Kapläne seliggesprochen, der evangelische Pastor erhielt ein ehrendes Gedenken.
Gefragt, worauf er sich als "Erzbischof emeritus" freut, verweist Thissen auf das große Kulturangebot Hamburgs. Dabei findet er immer wieder eine Verbindung zwischen seinem Glauben und Theater, Kino, Malerei oder Ballett. So sagte er kürzlich bei der Premierenprobe zu John Neumeiers "Weihnachtsoratorium": "Die große Dankfeier der Kirche, die Eucharistie, ist mein Lebenselement. Jetzt erlebe ich, wie das Dankmotiv Tänzerinnen und Tänzer in Bewegung bringt, und das nicht nur äußerlich."
Von Sabine Kleyboldt (KNA)