Sylwester Kabat gibt Tipps für den Brandschutz in Gotteshäusern

Experte: So sollten Pfarrgemeinden ihre Kirchen vor Bränden schützen

Veröffentlicht am 11.02.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Ob Brandstiftung, Fahrlässigkeit oder technische Defekte: Fast jede Woche brennt in Deutschland eine Kirche. Für die betroffenen Gotteshäuser hat das meist verheerende Folgen. Umso wichtiger ist ein guter Brandschutz. Doch was können Pfarrgemeinden dafür tun? Experte Sylwester Kabat gibt im Interview Tipps.

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Die Brandkatastrophe in der Pariser Kathedrale Notre-Dame im April 2019 sorgte auch in Deutschland für große Aufmerksamkeit und Erschütterung. Weniger bekannt dürfte sein, dass auch in der Bundesrepublik regelmäßig Kirchen brennen. Was sind die häufigsten Ursachen dieser Brände? Und was können Pfarrgemeinden für einen besseren Brandschutz in ihren Gotteshäusern tun? Diese Fragen beantwortet der Brandschutzexperte Sylwester Kabat, von dem demnächst ein Fachbuch zu diesem Thema erscheint, im katholisch.de-Interview. Außerdem erläutert er, warum Kirchen beim Brandschutz weniger strenge Regeln erfüllen müssen als etwa Konzerthallen und warum nicht in jedem Gotteshaus ein Feuerlöscher steht.

Frage: Herr Kabat, was sind die häufigsten Ursachen für Brände in Kirchen?

Kabat: Wenn man sich die vergangenen Jahre anschaut, muss man leider feststellen, dass gut die Hälfte aller Kirchenbrände in Deutschland auf Brandstiftung zurückzuführen ist. Laut den Polizeiberichten handelt es sich dabei meistens um gezielte Angriffe von Erwachsenen. Es kommt aber auch immer wieder vor, dass Kinder und Jugendliche in einer Kirche zündeln.

Frage: Hat die Zahl der Brandstiftungen in den vergangenen Jahren zugenommen?

Kabat: Leider ja. Warum das so ist, darüber kann ich nur spekulieren. Eine Ursache könnte möglicherweise die sinkende Kirchenbindung in der Gesellschaft sein und damit einhergehend ein geringerer Respekt vor Kirchengebäuden.

Frage: Was sind weitere häufige Brandursachen?

Kabat: Neben Brandstiftung werden Kirchenbrände vor allem durch Fahrlässigkeit – etwa einen unsachgemäßen oder unvorsichtigen Umgang mit Kerzen –, und technische Defekte an veralteten elektrischen Anlagen ausgelöst.

Frage: Welche Orte in Kirchen sind nach Ihrer Erfahrung besonders brandgefährdet?

Kabat: Das Kirchenschiff inklusive der Empore sowie das Dach mit dem Dachstuhl und dem Kirchturm – das sind die Orte, wo die meisten Brände entstehen. Im Bereich der Kirchendächer stellen neben Brandstiftung und technischen Defekten vor allem auch Bauarbeiten eine große Brandgefahr dar.

„Für das vergangene Jahr habe ich in Deutschland mehr als 50 Kirchenbrände gezählt – also durchschnittlich einen Brand pro Woche.“

—  Zitat: Sylwester Kabat

Frage: Und wenn ein Kirchendach brennt – das haben ja unter anderem die dramatischen Bilder von Notre-Dame in Paris gezeigt – kann die Feuerwehr kaum etwas ausrichten, oder?

Kabat: Jedenfalls nur ganz schwer. Wenn der Dachstuhl bereits brennt, bevor die Feuerwehr mit ihrem Löscheinsatz beginnen kann, ist das Kirchengebäude meist insgesamt in seinem Bestand gefährdet. Dachbrände sind für die Feuerwehr nur schwer zu bekämpfen. Wegen der Einsturzgefahr kann der Brand meist nicht von innen bekämpft werden, und von außen ist die Drehleiter häufig nicht lang genug – vor allem bei Turmbränden. Deshalb haben Dachbrände meist besonders verheerende Folgen.

Frage: Wie oft kommt es in Deutschland denn eigentlich zu Kirchenbränden?

Kabat: Für das vergangene Jahr habe ich mehr als 50 Kirchenbrände gezählt – also durchschnittlich einen Brand pro Woche. Meist handelt es sich dabei zwar um kleinere Brände, die sollte man in ihren Folgen aber auf keinen Fall unterschätzen. Vor allem die Rauchentwicklung kann in Form von Rußablagerungen auch bei kleineren Bränden im gesamten Kircheninneren enorme Schäden verursachen.

Frage: Und was ist das jüngste Beispiel für einen Großbrand?

Kabat: Der vorerst letzte Großbrand hat sich im vergangenen September in der evangelischen Jeremia-Kirche in Berlin ereignet. Dort entstand das Feuer ebenfalls im Bereich des Daches, das zu der Zeit gerade saniert wurde. Bis der Brand endgültig gelöscht war, hat es zweieinhalb Tage gedauert. Die Berliner Feuerwehr war zeitweise mit 100 Einsatzkräften und 23 Fahrzeugen im Einsatz, insgesamt waren wohl sogar 250 Kräfte an dem Einsatz beteiligt. Die Schäden an der Kirche sind natürlich enorm.

Frage: Wenden wir uns dem Brandschutz zu. Ich kann mir vorstellen, dass ein guter, umfassender Brandschutz vor allem in älteren Kirchengebäuden eine Herausforderung ist – Stichwort: Denkmalschutz.

Kabat: Das kann in der Tat ein Problem sein, weil hier zwei Fachbereiche mit völlig unterschiedlichen Aufgaben und Interessen aufeinandertreffen. Dem Brandschützer geht es vor allem darum, ein Gebäude brandschutztechnisch so zu ertüchtigen, dass Menschen es im Brandfall sicher verlassen können. Dafür können mitunter auch Eingriffe in die Bausubstanz notwendig sein – was jedoch häufig auf den Widerspruch des Denkmalschützers stößt. In den vergangenen Jahren sind die Sensibilität und das gegenseitige Verständnis hier jedoch gewachsen. Die Erfahrung zeigt: Wenn Brandschutz und Denkmalschutz sich an einen Tisch setzen, finden sich meist gute Lösungen, mit denen alle Beteiligten gut leben können.

Bild: ©picture alliance/Daniel Fouray/MAXPPP/dpa

Das Großfeuer in der Pariser Kathedrale Notre-Dame am 15. April 2019 sorgte weltweit für Entsetzen.

Frage: Was sind darüber hinaus nach Ihrer Erfahrung die größten Schwierigkeiten und Fallstricke beim Brandschutz in Kirchen? Und wie können Fehler vermieden werden?

Kabat: Das Wichtigste ist, bei den Verantwortlichen vor Ort in den Kirchen überhaupt das Bewusstsein für die Bedeutung eines guten Brandschutzes zu wecken. Leider ist das immer noch nicht überall der Fall. Mancherorts sind Pfarrer und Pfarrgemeinden noch allzu sorglos – nach dem Motto "Bei uns hat es ja noch nie gebrannt". So eine Sichtweise kann sich übel rächen. Mitunter begegnet einem in Gemeinden auch die Aussage, dass man in der eigenen Kirche baulich und technisch kaum etwas für die Brandsicherheit tun könne. Auch das ist falsch. Die wichtigsten Brandschutzmaßnahmen wie etwa die Abtrennung der verschiedenen Gebäudeteile durch Feuerschutztüren oder die Installation einer automatischen Brandmeldeanlage können in jeder Kirche umgesetzt werden. Ich appelliere an jede Pfarrgemeinde, sich intensiv mit dem Brandschutz in der eigenen Kirche zu beschäftigen und auch einen eigenen Brandschutzbeauftragen zu benennen, der sich – nach einer entsprechenden Fortbildung – in der Gemeinde federführend um dieses Thema kümmert.

Frage: Was soll so ein Brandschutzbeauftragter konkret tun?

Kabat: Das hängt natürlich auch von den konkreten Gegebenheiten vor Ort ab. Aber bestimmte Punkte sollten in jeder Pfarrgemeinde thematisiert werden. Zum Beispiel: Stehen die Kerzen in der Kirche weit genug weg von brennbaren Gegenständen? Wie stellen wir sicher, dass abends, wenn die Kirche geschlossen wird, alle Kerzen aus sind? Sind die Ausgänge frei zugänglich oder gibt es irgendwo Stolperfallen, die im Fall eines Brandes zur Gefahr werden können? Auf solche und ähnliche Fragen sollte jede Gemeinde Antworten parat haben.

Frage: Gibt es Experten, an die sich Pfarrgemeinden wenden können, wenn sie Fragen zum Brandschutz haben?

Kabat: Natürlich. Ich empfehle immer, die Bauabteilung des Bistums und die zuständige Brandschutzdienststelle aufzusuchen. Die ist in den Städten meist bei der Berufsfeuerwehr angesiedelt, in den Landkreisen meist beim Landratsamt oder der Kreisverwaltung. Dort kann man sich über alle Fragen des Brandschutzes informieren und sich Rat von Experten holen. Darüber hinaus ist natürlich ein enger Kontakt zur örtlichen Feuerwehr hilfreich. Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, die Feuerwehr zu einer Begehung der Kirche einzuladen. Dann können die Feuerwehrleute sich mit dem Gebäude vertraut machen und eventuell vor Ort auch konkrete Tipps zum Brandschutz geben.

Frage: Bei der Vorbereitung auf unser Gespräch ist mir aufgefallen, dass Kirchen – anders als etwa Kinos oder Konzerthallen – in der Regel nicht die Auflagen der Versammlungsstättenverordnungen der Bundesländer erfüllen müssen. Können Sie erklären, warum das so ist und welche Probleme sich daraus mit Blick auf den Brandschutz ergeben können?

Kabat: Da sprechen Sie ein heikles Thema an. In der Tat ist es so, dass "Räume, die dem Gottesdienst gewidmet sind" – so die gängige Formulierung – meist nicht unter die Versammlungsstättenverordnungen fallen. Das hat in der Regel historische Gründe und wird mitunter mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen begründet. Die Folge ist, dass Kirchen etwa beim Brandschutz weniger strenge Regeln erfüllen müssen. Nachvollziehbar ist das kaum: Wenn bei einem gut besuchten Weihnachtsgottesdienst in einer Kirche ein Feuer ausbricht, ist das schließlich nicht weniger gefährlich, als wenn es in einem voll besetzten Theater brennt. In beiden Fällen müssen die Menschen das Gebäude so schnell wie möglich verlassen können. Wichtig zu wissen ist aber: Die Ausnahme von der Versammlungsstättenverordnung gilt in der Regel nur für Gottesdienste. Sobald in einer Kirche häufiger andere Veranstaltungen stattfinden – etwa Konzerte oder Lesungen – müssen die Vorschriften der Verordnung wieder eingehalten werden.

„Tatsächlich gibt es nicht in jeder Kirche Feuerlöscher – obwohl sie eigentlich vorgeschrieben sind. Gleiches gilt für die Kennzeichnung von Rettungswegen.“

—  Zitat: Sylwester Kabat

Frage: Würden Sie dafür plädieren, diese Ausnahmeregelung abzuschaffen und die Vorschriften der Versammlungsstättenverordnungen auch in den Kirchen vollumfänglich anzuwenden?

Kabat: Das wäre auf jeden Fall empfehlenswert. Dann würden in den Kirchen beim Brandschutz und anderen wichtigen Fragen unabhängig von der Art der Veranstaltung immer die gleichen Regeln gelten. Und man braucht auch nicht davon auszugehen, dass die Kirchengebäude den Vorschriften der Versammlungsstättenverordnungen in allen Paragrafen angepasst werden müssen.

Frage: Wenn ich in Kirchen bin, sehe ich fast nie einen Feuerlöscher. Wie verhält es sich damit: Sind Feuerlöscher in Kirchen keine Vorschrift?

Kabat: Ihr Eindruck täuscht nicht: Tatsächlich gibt es nicht in jeder Kirche Feuerlöscher – obwohl sie eigentlich vorgeschrieben sind. Gleiches gilt für die Kennzeichnung von Rettungswegen. Die Unfallverhütungsvorschriften und die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften besagen eindeutig, dass jedes Gebäude, in dem Menschen beschäftigt sind, über Feuerlöscher und gekennzeichnete Rettungswege verfügen muss. Und man kann ja sehr sicher davon ausgehen, dass sich auch in Kirchen regelmäßig Menschen aufhalten, die dort beschäftigt sind – zum Beispiel der Pfarrer oder der Küster. Aber auch jenseits dessen sind Feuerlöscher und gekennzeichnete Rettungswege als Mittel des Brandschutzes natürlich absolut sinnvoll.

Frage: Warum missachten offenbar so viele Pfarrgemeinden hier die Vorschriften?

Kabat: Da habe ich schon die unterschiedlichsten Argumente gehört. Mit Blick auf die Feuerlöscher wird mitunter argumentiert, dass dadurch die Optik in der Kirche gestört werden würde. Oder dass man keinen geeigneten Platz gefunden habe. Aber das sind aus meiner Sicht nur Ausreden. Wenn man will, findet man immer einen geeigneten Platz. Ich kann auch direkt drei Orte empfehlen, wo unbedingt ein Feuerlöscher stehen sollte: im Eingangsbereich der Kirche, in der Sakristei und im Kirchturm.

Frage: Müssten die zuständigen Behörden den Brandschutz in Kirchen Ihrer Meinung nach stärker kontrollieren?

Kabat: Ja, vermutlich – allerdings haben wir da wieder das Problem, dass die Kirchen, weil sie nicht den Versammlungsstättenverordnungen unterliegen, einige sonst verpflichtende Überprüfungen wie die so genannte Wiederkehrende Prüfung oder die Brandverhütungsschau nicht absolvieren müssen. Ich würde den Pfarrgemeinden allerdings immer empfehlen, proaktiv auf die zuständigen Behörden zuzugehen und die entsprechenden Überprüfungen freiwillig durchführen zu lassen. Dann ist man auf der sicheren Seite.

Von Steffen Zimmermann

Zur Person

Sylwester Kabat (*1952) war von 1985 bis 2000 Feuerwehrtechnischer Bediensteter bei der Stadt Worms und von 2000 bis 2018 Brandschutzingenieur beim Kreis Gütersloh. Der Diplom-Ingenieur ist Fachplaner und Freier Sachverständiger für Brandschutz in Baudenkmälern, Altbauten und Kirchen. Demnächst erscheint von ihm im Verlag Springer Vieweg das Fachbuch Brandschutz in Kirchen und Klöstern: Brandgefahren – Brandschutzmaßnahmen – Beispiele (ISBN: 978-3658309640).